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11.01.19 / Den Bock zum Gärtner gemacht / Die Zweifel, dass Bukarest der EU-Ratspräsidentschaft würdig ist, sind mehr als begründet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-19 vom 11. Januar 2019

Den Bock zum Gärtner gemacht
Die Zweifel, dass Bukarest der EU-Ratspräsidentschaft würdig ist, sind mehr als begründet
Bodo Bost

Rumänien steht ab Januar erstmals ein halbes Jahr dem Rat der EU vor. Der Beginn des Ratspräsidentschaftshalbjahres ist von Streit mit der EU-Kommission geprägt und einer sogenannten Justizreform, welche die Bezeichnung „Reform“ eigentlich nicht verdient.

In diesem Monat übernimmt Rumänien, das gerade erst den 100. Jahrestag der Annexion Siebenbürgens am 1. Dezember 1918 gefeiert hat, erstmalig und turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaft. Von daher ist im Mai ein EU-Gipfel der Regierungschefs mit Siebenbürgens Hauptstadt Hermannstadt in einer rumänischen Stadt geplant. Rumänien ist nunmehr seit einem Dutzend Jahren Mitglied der EU. Eine Mehrheit der EU-Mitglieder glaubt bis heute, dass der Beitritt Rumäniens verfrüht gewesen sei, und verweigert bislang den Beitritt zum Schengen- und Euro-Raum. 

Von Europastimmung oder gar Euphorie kann in Rumänien kaum die Rede sein. Nach Ungarn mit 52 ist Rumänien mit 54 Prozent das EU-Land mit der geringsten Zustimmung für die EU-Mitgliedschaft. Dabei gehört Rumänien zu den EU-Mitgliedern, die am meisten vom Beitritt profitiert haben. 

Drei bis vier Millionen von insgesamt 20 Millionen Rumänen haben das Land in Richtung anderer EU-Länder bereits verlassen. Seit zwei Jahren demonstrieren gerade im Winter regelmäßig Hunderttausende, vor allem Auslandsrumänen, gegen die wachsende Korruption innerhalb der Regierung, die als „Diebe“ bezeichnet wird. Der vor drei Jahren direkt vom Volk gewählte Staatspräsident, Klaus Johannis, dem die Regierung immer mehr Rechte genommen hat, fügte sich in die Reihen der Demonstranten ein. 

Bei den Parlamentswahlen vor gut zwei Jahren wurde eine Koalitionsregierung durch die PSD und ALDE – dem Namen nach eine sozialdemokratische und eine liberale Partei – gebildet. Die beiden Vorsitzenden dieser Partei konnten keine Regierungsämter übernehmen, da sie vorbestraft sind und weitere Gerichtsverfahren gegen sie laufen, stehen jedoch dem Senat und dem Abgeordnetenhaus vor. Die beiden Parteivorsitzenden wollen seit zwei Jahren anstatt zu regieren nur Strafverfolgungen in eigener Sache erschweren oder ganz verhindern. Staatsanwaltschaften, die Antikorruptionsbehörde und die Justiz sollen umgebaut beziehungsweise dem Regierungseinfluss unterstellt werden. Die EU-Kommission hatte in ihrem Fortschrittsbericht im November dem Land deutliche Probleme attestiert und besonders das Vorgehen der Regierung gegen die Justiz und die Antikorruptionsbehörde kritisiert. Die Regierungschefin Viorica Dancila warf Brüssel daraufhin vor, Rumänien zu „diskriminieren“. Fast die Hälfte der Regierung ist vor drei Wochen zurückgetreten und wurde ausgewechselt, darunter die letzten EU-freundlichen Politiker.

Vor allem eine geplante Amnestie für korrupte Politiker sorgte kurz vor der Übernahme des Ratsvorsitzes noch für Aufregung. Von der Amnestie dürfte insbesondere der PSD-Chef und Parlamentspräsident Liviu Dragnea profitieren, der als eigentlicher starker Mann Rumäniens gilt. Dragnea durfte bisher wegen Verurteilungen zu mehrjährigen Gefängnisstrafen aufgrund von Amtsmissbrauch nicht Regierungschef des Landes werden. 

Die Venedig-Kommission der EU lehnt diese sogenannte rumänische Justizreform ab. Man drohte sogar Rumänien angesichts dieser Ausgangslage, die EU-Ratspräsidentschaft zu entziehen und sie Finnland zu geben, aber es fehlt an Sanktionsmöglichkeiten. 

Seit Jahrzehnten gibt es auch erstmals wieder Angriffe und Verleumdungen gegen die deutsche Minderheit in Rumänien seitens führender rumänischer Politiker der PSD und ihres Umfeldes sowie Versuche, den aus ihr hervorgegangenen rumänischen Staatspräsidenten Johannis zu diskreditieren. 

Die rumänische Ratspräsidentschaft folgt auf die Präsidentschaft Österreichs. In die Zeit der rumänischen Ratspräsidentschaft fallen der Brexit im März und auch die Europawahl 2019 mit der neunten Direktwahl zum Europäischen Parlament im Mai. Beide Daten könnten zu entscheidenden Wegmarken der EU für die kommenden Jahre werden. 

Von der rumänischen Regierung kamen jedoch nur rhetorische Vorgaben. Im Grunde kämpft die Regierung auch im Halbjahr der Ratspräsidentschaft um ihr Überleben und kann keinerlei Impulse für die EU geben. Schwerlich kann diese Regierung im Namen der EU-Staaten glaubhaft Verhandlungen über Geldwäschebekämpfung oder die Bankenaufsicht führen, wenn sie selbst zur Hälfte aus Kriminellen besteht, die zudem erst seit einigen Wochen im Amt sind. 

Rumäniens Präsident Johannis befürchtet ein „Desaster“ für die EU. Regierungspolitiker drohten ihm deshalb mit einer Anzeige wegen „Hochverrats“ und zum wiederholten Male mit einem Amtsenthebungsverfahren. 

Dem Logo der Ratspräsidentschaft, das, so die Verantwortlichen, eine Europäische Union zeigt, die mobil, zuversichtlich und dynamisch, jedoch ebenso ihren gemeinsamen Werten verpflichtet ist, widerspricht die derzeitige Realität in Rumänien, wo einige Minister wegen Korruption verurteilt sind, eigentlich im Gefängnis sitzen müssten, und die Werte der EU-Gründer verhöhnen. Die Europäische Union wird auf dem Logo der rumänischen Ratspräsidentschaft als Wolf dargestellt, einem Tier, das in vielen Mythen der europäischen Kulturen zwei Gesichter hat.