25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.01.19 / Gaddafis Sohn greift nach der Macht / Russland kommt aufgrund seiner bislang neutralen Haltung eine Schlüsselrolle für Libyen zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-19 vom 11. Januar 2019

Gaddafis Sohn greift nach der Macht
Russland kommt aufgrund seiner bislang neutralen Haltung eine Schlüsselrolle für Libyen zu
Florian Stumfall

Saif al-Islam al-Gaddafi, der zweite Sohn des Staatschefs von Libyen von 1969 bis 2011, Muammar al-Gaddafi, der im NATO-Krieg gegen sein Land getötet worden ist, macht sich auf, das politische Erbe seines Vaters zu übernehmen. Er unternimmt damit den überaus schwierigen Versuch, Libyen nicht nur aus seiner derzeitigen Zerrissenheit und Machtlosigkeit herauszuführen, sondern das auch noch auf seinem, dem Weg der Sippe al-Gaddafi zu tun.

Diese gehört den Beduinen des Stammes der Guedefda an, der in Richtung Nordwest des Landes an der Küste des Landes beheimatet ist. Da in Libyen die Stämme die entscheidenden politischen Mächte darstellen, darf Gaddafi junior jedenfalls mit der Unterstützung seiner Leute rechnen. Dies wird allerdings bei Weitem nicht ausreichen, um an die Spitze des Staates zu gelangen.

Derzeit ist das Land mehrfach geteilt, wenn man den abgeschnittenen und nach eigenen Regeln organisierten Süden mitrechnet. Ansonsten regiert in der Hauptstadt Tripolis und der näheren Umgebung der von den Vereinten Nationen eingesetzte Präsident Fayiz as-Sarradsch, der gleichzeitig das Amt des Regierungschefs ausübt. Das allerdings geschieht nur rein symbolisch, denn seine tatsächliche Macht ist äußerst gering. Denn im Osten des Landes, in Tobruk, herrscht General Chalifa Haftar, als Soldat erfolgreich, als Politiker unzuverlässig mit Neigung zum Verrat. An diesen beiden Männern müsste Gaddafi junior vorbei, wenn er Präsident von Libyen werden wollte. 

Seine persönlichen Voraussetzungen für das Amt sind gar nicht übel. Als zweiter Sohn galt er zu Lebzeiten seines Vaters als designierter Nachfolger. Er studierte in Europa und promovierte an der renommierten London School of Economics. Sein Vater betraute ihn mit der Leitung der libyschen Investitionsverwaltung und bezog ihn verschiedentlich in politische und diplomatische Missionen mit ein. Gleichwohl fand sich der Sohn, wenn es ihm nötig schien, zur Kritik an seinem Vater bereit, auch öffentlich, so, als sein Vater im Jahre 2004 beschloss, das Atomwaffenprogramm aufzugeben. Das führte dazu, dass Gaddafi junior sich aus der Politik zurückzog, während der Revolte gegen seinen Vater allerdings ergriff er vorbehaltlos dessen Partei.

Gaddafi junior war es auch, der öffentlich machte, dass sein Vater im Jahre 2007 die Wahlkampagne des nachmaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy finanziert hatte. Dass sich Frankreich dann führend am Krieg gegen Libyen beteiligte, bezeichnete Said als den Versuch, „Spuren zu verwischen“.

Nach dem Tod seines Vaters wurde Gaddafi junior im Süden des Landes von den Aufständischen gefasst und von einem Gericht in Tripolis wegen „Verbrechen gegen das Volk Libyens“ zum Tode verurteilt. Dass die Exekution nicht vollzogen und Said bereits nach zwei Jahren Haft auf freien Fuß gesetzt wurde, kann man ebenso als politisch motiviert betrachten wie das vorhergehende Urteil. Seine Freilassung quittierte er mit der Ankündigung: „Ich bin am Leben, frei und setze meinen Widerstand fort. Ich will bis zum Ende Widerstand leisten und mich rächen.“

Ob nun Rache der gegebene Beweggrund ist oder nicht – jedenfalls hat Gaddafi junior in einem recht, dass nämlich sein Land Ruhe und Ordnung braucht. Das Leben in dauerhafter Krise und Rivalität schadet ihm umso mehr, als die NATO-Siegermächte die Rendite aus ihrem Krieg gegen Libyen einfahren wollen, deretwegen Vater Gaddafi gestürzt wurde. Schließlich hat das eine Menge Geld gekostet. 

Das Kräfteverhältnis ist keineswegs klar zu erkennen. Gaddafi junior darf dabei auf die Unterstützung durch einige Stämme rechnen, so wie sie General Haftar durch die Harabi hat. Der einsame Präsident in Tripolis wiederum ist zwar nirgendwo verankert, wird aber von den Vereinten Nationen gestützt. In dieser Lage scheint sich Gaddafi junior an die Russen mit der Bitte um Hilfe gewandt zu haben.

Zwar wird in Moskau dieser Vorgang bislang nicht bestätigt, doch der Leiter des Zentrums für Islamstudien, Kirill Semjonow, fand sich zu einer allgemeinen Lagebeurteilung bereit. Nach seiner Aussage stellt Gaddafi junior derzeit keine politische Größe in Libyen dar. „Niemand weiß“, so Semjonow kurz vor dem letzten Jahreswechsel, „wo sich Gaddafi junior aufhält, womit er sich befasst und ob er überhaupt am Leben ist. Er saß lange im Gefängnis. Jemand hat seine Freilassung gefördert. Wer genau das war, ist nicht bekannt. Man könnte vermuten, dass jemand Gaddafis Sohn als Einflussinstrument nutzen will.“

Unabhängig davon stellt sich die Frage, ob die libysche Dauerkrise ohne die Mitwirkung Russlands überhaupt lösbar ist. Diese Frage stellt sich angesichts der Tatsache, dass sich offensichtlich nicht nur Gaddafi junior an Mos­kau gewandt hat, sondern dort auch General Haftar und Präsident as-Sarradsch vorgesprochen haben. Das dreiseitige libysche Interesse an Moskau versetzt die Russen automatisch in die Rolle eines Vermittlers. Kirill Semjonow formuliert das so: „Gerade dieser abstandsgleiche Dialog mit verschiedenen politischen Kräften Libyens erscheint als optimal.“

Auch der Westen bemüht sich um Einflussnahme. Verschiedene Libyenkonferenzen haben ausgerechnet in Paris stattgefunden, Mitte Dezember begann eine weitere im italienischen Palermo. Das hat wenigstens einen Sinn: Es geht dabei auch um die afrikanischen Migranten, die es zu Vater Gaddafis Zeiten nicht gab. Im kommenden Frühjahr sollen in Libyen Parlamentswahlen stattfinden. Dass sie eine Lösung bringen, darf man bezweifeln.