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11.01.19 / Eine Sonderbriefmarke zur Weltraumpremiere / Vor 50 Jahren gelang den beiden sowjetischen Raumschiffen Sojus 4 und Sojus 5 das erste Andockmanöver im All

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-19 vom 11. Januar 2019

Eine Sonderbriefmarke zur Weltraumpremiere
Vor 50 Jahren gelang den beiden sowjetischen Raumschiffen Sojus 4 und Sojus 5 das erste Andockmanöver im All
Friedrich List

Im Zuge von Vorbereitungen für Mondflüge, bei denen Kosmonauten vom Kommandomodul in die angekoppelte Lande­fähre des Mondschiffs umsteigen sollten, sollten  Sojus 4 und Sojus 5 das erste Kopplungsmanöver zwischen zwei Raumfahrzeugen durchführen. Hierzu starteten die beiden Raumschiffe kurz hintereinander vom Kosmodrom Baikonur. Sojus 4 startete mit einem Tag Verspätung am 14. Januar 1969 mit dem Kosmonauten Wladimir Schatalow an Bord. Sojus 5 folgte einen Tag später mit einer dreiköpfigen Besatzung, die aus den Kosmonauten Boris Wolynow als Kommandanten sowie den Bordingenieuren Jewgenij Chrunow und Alexeij Jelissejew bestand. 

Die Mission war insofern heikel, als die neuen Sojus-Raumschiffe noch ihre Kinderkrankheiten hatten. Vom heutigen Sicherheitsstandard war man weit entfernt. Der erste unbemannte Sojus-Flug war mit einem Fehlschlag geendet. Das Raumschiff war beim Wiedereintritt in die Atmosphäre außer Kontrolle geraten und von der Bodenkontrolle zerstört worden, damit es nicht über China abstürzte. Beim ersten bemannten Sojus-Flug am 23. April 1967 war Kosmonaut Wladimir Komarow getötet worden, weil sich der Haupt-Bremsfallschirm nicht geöffnet hatte. Erst nach weiteren unbemannten Testflügen hatte man mit Sojus 3 wieder eine bemannte Kapsel ins All geschickt, die sicher zurückgekehrt war. 

Sojus-Schiffe bestehen aus drei Modulen: dem Landemodul, in dem die Besatzung Platz findet, dem Orbitalmodul mit einer Außentür sowie Instrumentierung und Lebenserhaltungssystemen sowie dem Servicemodul mit Triebwerken, Treibstoffvorräten und Solarzellenflächen zur Energieversorgung. Nur das Landemodul kehrt zur Erde zurück. 

Sojus 4 und 5 brauchten zwei Tage, bis zum 16. Januar 1969, um ihren gemeinsamen Orbit zu erreichen. Dann koppelte sich Sojus 4 an Sojus 5. Für die folgenden Stunden waren beide Raumschiffe mechanisch und elektrisch miteinander verbunden. 

Allerdings verfügten die beiden Sojus-Raumschiffe nicht über einen Transfertunnel, wie er später bei der Apollo-Sojus-Rendezvous-Mission eingesetzt wurde. Um von einem Raumschiff ins andere zu gelangen, mussten die Kosmonauten aussteigen. Nach dem erfolgreichen Kopplungsmanöver bereiteten sich Chrunow und Jelissejew in Sojus 5 auf ihren Weltraumspaziergang hinüber zu Sojus 4 vor. Während sich Chrunow und Jelissejew ihre Raumzüge anzogen, pumpte Wladimir Schatalow das Missionsabteil im Orbitalmodul von Sojus 4 luftleer. Auf Sojus 5 vergewisserte sich Wolynow, dass seine Kameraden ihre Anzüge korrekt angelegt hatten. Dann stieg er in die Rückkehrkapsel, verschloss das Schott hinter sich und pumpte die Luft ab, sodass Jelissejew und Chrunow aussteigen konnten. Allerdings gab es dabei Probleme. Chrunows Halteleinen verhedderten sich, und er schaltete aus Versehen seine Anzuglüftung aus. Weil Jelissejew seinem Kameraden half, vergaß er, die Filmkamera einzuschalten, bevor er Sojus 5 verließ. Deswegen gibt es von diesem Weltraumspaziergang nur eine schlechte Videoaufzeichnung. 

Aber beide Kosmonauten erreichten sicher Sojus 4. Danach stellten sie in beiden Kapseln wieder normalen Innendruck her. Sie führten medizinische und biologische Experimente durch, die Erkenntnisse für die damals noch geplanten sowjetischen Mondflüge liefern sollten. Nach vier Stunden und 35 Minuten trennten sich die Raumschiffe voneinander. Wolynow flog nun allein in Sojus 5. Beide Besatzungen bereiteten sich auf die Rückkehr zur Erde vor. 

Sojus 4 landete ohne Probleme in den Weiten der kasachischen Steppe, nur 40 Kilometer vom Zielpunkt entfernt. Wolynow in Sojus 5 hatte nicht so viel Glück. Er sollte vor dem Wiedereintritt die Ausrichtung des Raumschiffes mit der Handsteuerung für die Bremszündung testen. Bei Versuchen im All verlief alles normal, aber das Manöver beim eigentlichen Wiedereintritt schlug fehl. Also löste er die automatische Landung aus. Das bedeutete aber einen Abstieg mit einer Bremsbeschleunigung von 9 G, nicht mit der normalen Belastung von 3 G. Wolynow musste also das Neunfache seines Körpergewichts aushalten. 

Aber es kam noch schlimmer. Die Sprengladung, die Orbital- und Servicemodul vom Landemodul trennen sollte, war zu schwach. Die Trennung misslang, und das angeschlagene Sojus-Schiff geriet ins Taumeln. Als es in die Atmosphäre eintauchte, suchte es sich selbst eine stabile Lage – mit der schwereren Landekapsel voraus. Das bedeutete aber auch, dass die Seite der Kapsel, die nicht vom Hitzeschild geschützt war, dem Luftwiderstand ausgesetzt war. Auch die Ausstiegsluke zeigte nach vorne. Durch die Reibung begannen ihre Dichtungen zu brennen und füllten die Kapsel mit giftigen Dämpfen. Wolynow, der keinen Raumanzug trug, stopfte die Aufzeichnungen vom Kopplungsmanöver in seinen Sitz, damit sie den Absturz überlebten. 

Dann explodierten die Treibstofftanks im Servicemodul. Die Luke beulte sich nach innen, hielt aber. Die Bremsraketen arbeiteten nicht, weil der Computer den gesamten Treibstoff dabei verbraucht hatte, die Taumelbewegungen auszugleichen. Zum Glück brachen die Verbindungsstreben zum Servicemodul. Die Rückkehrkapsel kam frei und richtete sich sofort mit dem Hitzeschild nach vorne aus. Aber der Bremsfallschirm öffnete sich nur teilweise, und auch die Bremsraketen, welche die Kapsel direkt vor dem Aufprall bremsen sollten, funktionierten nicht richtig. 

Wolynow brach sich bei der harten Landung den Kiefer und schlug sich ein paar Zähne aus. Er war rund 600 Kilometer von seinem Zielpunkt entfernt gelandet. Draußen herrschte russischer Winter – und eine Temperatur von minus 38 Grad. Wolynow kletterte aus der Kapsel und fand in einigen Kilometern Entfernung ein Bauernhaus, wo er sich aufwärmte und auf die Rettungsmannschaften wartete.