24.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.01.19 / »Reformatio Baltica« / Ein bedeutendes Nachschlagewerk

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-19 vom 11. Januar 2019

»Reformatio Baltica«
Ein bedeutendes Nachschlagewerk

Bildmediale Gedächtnisorte der Reformation im Ostseeraum“ – so ist eine Abhandlung von Johann Anselm Steiger überschrieben, die der Autor mit dem Postulat abschließt: „... die Gedächtnisorte der Reformation rund um das mare balticum konservatorisch zu wahren, kunstgeschichtlich und historisch-theologisch präzise zu erschließen, d.h. zu deuten und in alltäglich-spirituellen und liturgischen Kontexten je neu und neu zu nutzen, ist Aufgabe aller Kulturnationen, die Anrainer der Ostsee sind: der Skandinavier, Deutschen und Polen wie der Balten und Russen.“ Das kulturelle Erbe des Ostseeraumes wird als übernationales Erbe, seine Erforschung als Internationale Verpflichtung definiert. 

Johann Anselm Steiger ist einer der drei Herausgeber des Bandes „Reformatio Baltica. Kulturwirkungen der Reformation in den Metropolen des Ostseeraums“, erschienen im Verlag Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston 2018. 

Der Band hat einen Umfang von 1052 Seiten und enthält 

61 Beiträge, die von den drei Herausgebern Heinrich Assel, Johann Anselm Steiger und Axel E. Walter zusammengestellt wurden. 

Es sind die Vorträge eines Internationalen Kongresses, der vom 

9. bis 13. September 2015 in Wilna stattfand. 

Im Vorwort wird darauf hingewiesen, dass die Teilnehmer „aus sämtlichen Ostseeanrainerstaaten (Deutschland, Polen, Dänemark, Schweden, Finnland) einschließlich der drei baltischen Republiken und Nordwestrusslands“ stammten, aber auch aus Italien und Übersee. 

Der Kongress habe sich auf die „Stadtreformationsforschung“ konzentriert und dabei „diejenigen Städte im Ostseeraum, die aufgrund ihrer politischen, ökonomischen und nicht zuletzt geistig-kulturellen Relevanz im Laufe des 16. bis 18. Jahrhunderts Monopolfunktion besaßen beziehungsweise zunehmend erlangten“. Fünfzehn Städte werden genannt mit der Einschränkung „wie etwa“ oder „wie beispielsweise“; es gibt also noch weitere, deren wirtschaftliche, soziale, wissenschaftliche und kulturelle Entwicklung durch die Reformation geprägt und begünstigt wurde. 

Folglich werden auch sämtliche relevanten Aspekte in den Beiträgen berücksichtigt: Zum Beispiel Kunst, Theologie, Architektur, Medizin, Bibliothekswesen bis hin zur Astronomie und Astrologie und skurrilen Gesängen bei Hinrichtungen – und alles überaus spannend.

Vor dem Erwerb des Bandes baut sich allerdings ein Hindernis auf, und zwar der sehr beachtliche Ladenpreis. Die Fülle von Material und Informationen aber gibt dem Benutzer ein Nachschlagewerk an die Hand, das er zu jedem Bereich gebrauchen kann. Und wer anfängt, die einzelnen Beiträge zu lesen, möchte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.

Hier kann nur ein sehr fragmentarischer Einblick in die Themen gegeben werden. Bereits der erste Beitrag „Bildmediale Gedächtnisorte der Reformation im Ostseeraum“ von Johann Anselm Steiger ist ein Erlebnis. An sechzehn Abbildungen und ihrer Interpretation erfährt der Laie Neues zum Beispiel über den Bildtypus „Gesetz und Gnade“, über die Darstellung Christi als Bräutigam und über die künstlerische Verarbeitung des Erlösungsgedankens. 

Wladimir Gilmanov beleuchtet die Umwandlung des Ordensstaates Preußen in ein weltliches Herzogtum durch die Reformation. Klaus Garber legt einen umfassenden Überblick über Bücher und Bibliotheken im Ostseeraum vor, was Axel E. Walter noch einmal aufnimmt, indem er „Zwölf Bücher aus der Universitätsbibliothek Vilnius“ vorstellt. Dabei kommen besonders die Königsberger auf ihre Kosten. Hillard von Thiessen untersucht „Die Wirkung der Reformation auf das Normengefüge norddeutscher Handelsstädte am Beispiel Lübecks und Rostocks“, und wenn ein Germanist sich selbst ein besonderes Geschenk machen will, sollte er den Beitrag von Larissa N. Polubojarinova lesen: „Die „lutherische“ Linie in der St. Petersburger Lyrik des 18. bis 20. Jahrhunderts“.

Sei es „Predigtkultur in Litauen“, sei es „protestantische Kalenderdichtung“, „Bugenhagens Kirchenordnungen“, „nicht-liturgische Schulgesänge in Schweden“ oder „Totenbrauchtum und Volksglaube der Letten“ – bereits Stichworte in den Titeln der Beiträge machen Appetit auf die Lektüre. Von daher sollten die Forschungsergebnisse nicht nur Interessenten auf wissenschaftlicher Ebene finden. Auch für eine private Bibliothek ist der Band ein großer Gewinn.Bärbel Beutner