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11.01.19 / Lolek und Bolek treffen den Sandmann / Ausgewogene Populärwissenschaft bedient polnische Nischeninteressen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-19 vom 11. Januar 2019

Lolek und Bolek treffen den Sandmann
Ausgewogene Populärwissenschaft bedient polnische Nischeninteressen
Edmund Pander

Polen und Deutsche sind miteinander so eng verbunden, dass ihre nationalen Mythen einen fast geschlossenen Kreislauf bilden, obwohl wir uns größtenteils dazu nicht bekennen“, schreibt der einstige Chefredakteur des Politmagazins Polityka zu der Themensonderausgabe: „Polen und Deutsche. 1000 Jahre Nachbarschaft. Wahrheiten und Mythen. Kriege und Frieden”, das kurz vor Weihnachten an die polnischen Kioske kam.

Die Publikation ist wörtlich übersetzt in der Reihe „Geschichtshelfer“ erschienen, was man genauer mit „Geschichtskompendium“ übersetzen könnte. Inspiriert wurde die Neuerscheinung durch die in Polen vielbeachtete Buchreihe „Deutsch-polnische Erinnerungsorte“ unter der Redaktion von Robert Traba und Hans Hennig Hahn.

Anknüpfend daran will Polityka auch mit dem Themenheft „Polen und Deutsche“ mit nationalen Mythen aufräumen, wie zum Beispiel dem polnischen Spruch: „So lange die Welt besteht, so lange wird der Deutsche dem Polen niemals Bruder sein“ (Jak swiat swiatem, nie bedzie Niemiec Polakowi bratem). Dem wird zum Beispiel entgegengesetzt, dass bereits Misiko I. (Mieszko I.) nach der Przemyslidin Dubrawka von Böhmen die Sächsin Oda von Haldensleben heiratete. Gleich zwei Frauen von Boleslaus dem Tapferen (Boleslaw Chrobry) waren Deutsche und Mieszko II. hatte ebenso eine Deutsche zur Frau genommen.

Konzeptionell äußerst geschickt ist, dass neben Abschnitten unterschiedlicher Deutungen zu Vereinnahmungen von Gleichen – wie Kopernikus, Veit Stoß, Rosa Luxemburg oder den Habsburgern – das Heft im wesentlichen auf Gegenüberstellungen von Paaren basiert, die in der Geschichtsschreibung der beiden Länder ähnliche Funktionen wahrnehmen. Das funktioniert bei Ereignissen wie der Schlacht im Teutoburger Wald und der Schlacht bei Zehden zwischen Misiko und Markraf Hodo von der Lausitz 972 wie auch bei konzeptionellen Ideen der Geschichte wie der Dolchstoßlegende als gedeuteter Landesverrat, der die Konföderation von Targowica gegenübergestellt wird, die ebenfalls als Landesverrat aufgefasst wurde und der Zweiten Teilung Polens 1793 vorausging oder in positiven wahrgenommenen Fällen der Verfassung Polen-Litauens vom 3. Mai 1791 und der Paulskirchenverfassung vom 28. März 1849. Der Friedrich Naumann’schen Idee vom Raum Mitteleuropa ist auf polnischer Seite der Gedanke des Reiches vom Meer bis zum Meer (Intermarium) gegenübergestellt.

Das Konzept des Vergleiches wird auch für Persönlichkeiten herangezogen, Wallenstein und Radziwill, Beethoven und Chopin, Goethe und Mickiewicz, Freytag und Sienkiewicz oder für Bonifatius, als Missionar des Westens,  Adalbert von Prag, als Missionar des Ostens, und versagt selbst in der Neuzeit nicht, als auf die „Matka Polka“ das deutsche Gegenpol „Kinder-Küche-Kirche“ trifft, auf die Kinderhelden „Lolek und Bolek“ der „Sandmann“ oder auf den Maluch (Fiat 126P) der Trabi.

Dem polnischen Leser wird über eine solche Darstellung so endlich vermittelt, dass die Ostkolonisation im Mittelalter 

Christianisierung und Zivilisation bedeutete, doch eines lernt er in dem Heft eigentlich nicht. Während die Wirkung der Mythen in Polen durch die gesellschaftliche Vermittlung in Schule oder Medien anhält, ist diese für Deutschland eigentlich selbst bereits ein Rückblick in die Geschichte. Denn letztlich sind alle in Polen nun reflektiert dargestellte Deutungsmuster in Deutschland oft längst Tabu und Zeichen einer „Vor-postnationalen“ Zeit historischer Beliebigkeit. Letztlich ist das deutlichste Sinnbild für die Gegenwart alter Muster, dass das Heft an den Kiosken im Grunde gänzlich zwischen der riesigen Heerschar der in Polen so geliebten Historienmagazine fast untergeht und als einziges nicht mit Panzern, U-Booten, Jagdgeschwadern oder Nazi-Größen auf der Titelseite daherkommt.