28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
11.01.19 / Schlaflos in Hamburg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-19 vom 11. Januar 2019

Schlaflos in Hamburg
Silvia Friedrich

Zwischen den Hamburger Stadtteilen Sternschanze und Eimsbüttel liegt die berühmt-berüchtigte Straße „Schulterblatt“, dessen Name auf ein Wirtshaus zurückgeht, welches das Schulterblatt eines Wals als Aushängeschild benutzte. Genau hier, im multikulturellen Schanzenviertel hat Autor Kai Lüdders, selbst gebürtiger Hamburger, seinen neuen Roman „Hamburg Schulterblatt“ angesiedelt. Vier Männer, John, Tarek, Nils und Max sind durch lange Freundschaft verbunden. Sie treffen sich, um ein letztes gemeinsames Wochenende zu verbringen. John hatte dazu eingeladen, denn er muss am Montag für sieben Jahre ins Gefängnis. Die Offenbarung seines Geheimnisses löst eine Kettenreaktion aus. Einer nach dem anderen gibt in diesen 67 gemeinsamen Stunden freiwillig oder unfreiwillig sein eigenes Versteckspiel auf.

Als Männersause durch Hamburgs Kneipenszene geplant, bröckelt die Fassade aller Protagonisten in kürzester Zeit. Schmerzhafte Enthüllungen, Beichten und nackte Angst paaren sich mit dem dunklen Kneipenlicht des Hamburger Nachtlebens. Der Leser wird kreuz und quer durch die Hansestadt geschleust, und wer immer noch glaubte, diese zu kennen, wird hier eines Besseren belehrt. 

Es ist ein Universum an Gefühlen zwischen Liebe, Verlust, Scham und Trauer. Alles verpackt in einen mitreißenden Schreibstil, der den Leser das Buch so schnell nicht aus der Hand legen lässt. Mehr als einmal vergleicht sich der Leser mit den Figuren, fragt sich, ob man Wesenszüge der Protagonisten auch in sich trägt, ob man beim Verlust eines Menschen doch eher nur um sich trauert und in Selbstmitleid versinkt oder den einen oder anderen der geschilderten Lebensfehler vielleicht auch schon begangen hat. Man schaut beim Lesen unweigerlich in einen Spiegel, den der Autor einem geschickt vors Gesicht hält. Obwohl es viel Sozialkritik an der Hafenstadt gibt, ist zwischen den Zeilen immer wieder des Autors Liebe zu seiner Heimatstadt zu spüren. Hamburg sei für ihn ein Gefühl, lässt er wissen. Und dieses Gefühl möchte er auch den Lesern vermitteln.

Fragen nach dem Sinn des Lebens tauchen besonders gegen Ende immer wieder auf und danach, was im menschlichen Dasein wirklich wichtig ist und zählt. Zentrale Fragen des Lebens, eingebettet in eine Geschichte um vier Männer, die ihre Freundschaft noch einmal zelebrieren wollten und alles doch ganz anders kommt.

Es ist ein gelungener Roman, der sich hervorragend für eine Verfilmung eignen würde. Wer so lange nicht warten mag, sollte sich die Lektüre schon heute gönnen.

Kai Lüdders: „Hamburg Schulterblatt“, Velum Verlag, Hamburg 2018, broschiert, 284 Seiten, 12,99 Euro