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18.01.19 / Polizisten verzweifelt gesucht / Krise spitzt sich zu: »Polizei und Justiz haben in Berlin keine abschreckende Wirkung mehr«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-19 vom 18. Januar 2019

Polizisten verzweifelt gesucht
Krise spitzt sich zu: »Polizei und Justiz haben in Berlin keine abschreckende Wirkung mehr«
Norman Hanert

Als der erste rot-rote Senat nach der Jahrtausendwende die Regierungsgeschäfte übernahm, hieß die Parole der Stunde: „Sparen bis es quietscht.“ Auch das anschließende rot-schwarze Bündnis setzte den Sparkurs weiter fort. Bei der Berliner Polizei zeigen sich nun die Folgen der jahrzehntelangen Rotstiftpolitik.

Der Vorsitzender der Personalvertretung „Unabhängige in der Polizei“, Mirko Prinz, sieht die Polizei in der deutschen Hauptstadt aufgrund von Personalmangel mittlerweile nur noch beschränkt einsatzfähig. Prinz wirft der SPD vor, die Polizei kaputtgespart zu haben. „Polizei und Justiz haben in Berlin keine abschreckende Wirkung mehr“, so Prinz gegenüber der „Welt“. Der Kriminalhauptkommissar forderte für Berlin, die Zahl der Polizeivollzugsbeamte um mindestens 7000 zu erhöhen. 

Aus Sicht des Personalvertreters führt der Personalmangel dazu, dass Ermittlungen bei ungeklärten Todesursachen, Raubtaten und Einbrüchen Vorrang haben, während die Aufklärung anderer Delikte in den Hintergrund trete. Wie dies im Alltag aussieht, zeigt ein Fall, der kürzlich für 

Diskussionen in der Hauptstadt gesorgt hat. Anlass war eine ungewöhnliche Nachbarschaftshilfe von Innensenator Andreas Geisel (SPD). Dieser hatte sich für eine 90-jährige Nachbarin eingesetzt, die das Opfer von Trickbetrügern geworden war. Aufgrund der angespannten Personalsituation hat die Polizeileitstelle zunächst nur eine Streifenwagenbesatzung zu der alten Dame schicken können, aber keine Beamten des Kriminaldauerdienstes. 

Daraufhin hatte sich der Senator persönlich eingeschaltet: „Ich habe tatsächlich dafür gesorgt, dass die Polizei die Opfer betreut und den Tatort überhaupt kriminaltechnisch untersucht.“ 

Der Eindruck einer Vorzugsbehandlung von Veranlassung von ganz oben hatte für erheblichen Unmut gesorgt. Mittlerweile ist indes noch ein interessantes Detail bekannt geworden: Aufgrund der angespannten Einsatzlage hat offenbar nicht einmal das Machtwort des Senators eine schnelle Entsendung von Kriminalbeamten zum Tatort sicherstellen können.

Für Berlins Polizeipräsidentin Barbara Slowik ist der Personalmangel längst ein Dauerthema geworden. Erst zum Jahresbeginn forderte sie: „Wir brauchen deutlich mehr Stellen im Haushalt 2020/2021, um die Aufgaben in dieser Stadt zu bewältigen.“ Laut Slowik ist die Stellenzahl bei den uniformierten Polizisten und der Kriminalpolizei von etwa 18000 im Jahr 2000 auf rund 16400 bis Ende 2015 zurückgegangen. Die aktuelle Zahl gab Slowik mit 17000 Polizisten an. 

Allerdings rollt eine gewaltige Pensionierungswelle auf die Hauptstadt-Polizei zu, da der Mangel an Neuanstellungen auch das Durchschnittsalter der Beamten hat ansteigen lassen. Mehr als 6000 Berliner Polizisten werden in den kommenden fünf Jahren regulär in den Ruhestand gehen. Vergangenes Jahr kündigte Slowik an, sie wolle ältere Beamte auf freiwilliger Basis später in den Ruhestand schicken.

Der Schritt scheint dringend geboten. Die Gewinnung von Nachwuchs hat sich nämlich als ein massives Problem herausgestellt. Die Besoldung der Berliner Polizisten gilt im Vergleich zu anderen Ländern und zum Bund als schlecht. Gleiches gilt für die Arbeitsbedingungen der Beamten. Hoffnungen setzt Slowik darauf, noch mehr Frauen für den Polizeiberuf zu gewinnen. Verstärkt will sich die Berliner Polizei auch im EU-Ausland, etwa in Polen, nach Nachwuchs umsehen.

Bereits mehrmals hat die Polizeiführung inzwischen Bewerbungszeiträume verlängert, um mehr Kandidaten eine Chance zu geben. Vergangenes Jahr schaffte die Berliner Polizei zudem die Mindestgröße für Bewerber ab. Bis dahin mussten weibliche Anwärter für den Polizeivollzugsdienst  mindestens 1,60 Meter und männliche  mindestens 1,65 Meter groß sein. Nach einem entsprechenden Gerichtsurteil sollen künftig sogar Bewerber mit sichtbaren Tätowierungen Zugang erhalten.  

Fast regelmäßig stellt die Polizeiführung neue Anreize in Aussicht, um für Bewerber interessant zu werden. Ab dem kommenden Jahr sollen Wohnheime für angehende Polizisten bereitgestellt werden. Zusätzlich denkt die Polizeiführung nun auch über Gutscheine für Fahrschulen nach. Mit dieser Maßnahme könnten Polizeianwärter ihren Führerschein wieder als Teil der Ausbildung machen.  

Eine weitere Ankündigung wirft ein besonderes Schlaglicht auf die dramatische Personalsituation. Tanja Knapp, die Leiterin der Berliner Polizeiakademie, kündigte an, künftig solle sich neben einem Polizeibeamten auch ein Sozialarbeiter um Problemfälle unter dem Polizeinachwuchs kümmern.

Tatsächlich haben in den vergangenen Monaten immer wieder Polizeischüler mit Disziplinlosigkeiten und schlechten Prüfungsergebnissen für negative Schlagzeilen gesorgt. Kurz nachdem Knapp im vergangenen Jahr die Leitung der Akademie übernommen hatte, kündigte sie zudem an, die Nachwuchspolizisten sollten künftig mehr Deutsch- und weniger Englischunterricht erhalten. An der Berliner Polizeiakademie lernen fast 2500 Polizeischüler, viele von ihnen haben einen  Immigrationshintergrund.