28.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.01.19 / Wunderheiler oder betrügerischer Wüstling? / Experten streiten bis heute über die wahre Identität des vor 150 Jahren geborenen Grigorij Rasputin

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-19 vom 18. Januar 2019

Wunderheiler oder betrügerischer Wüstling?
Experten streiten bis heute über die wahre Identität des vor 150 Jahren geborenen Grigorij Rasputin
Manuela Rosenthal-Kappi

Bis heute streiten sich die Gelehrten darüber, wer die Kultfigur Grigorij Jefimowitsch Rasputin, der als „Liebhaber der russischen Kaiserin“ Einzug in die Annalen fand, in Wirklichkeit war. Vor 150 Jahren erblickte der spätere Wunderheiler in einem kleinen Dorf im Gouvernement Tobolsk das Licht der Welt. Mit 47 Jahren fiel er einem Mordkomplott zum Opfer.

War Grigorij Jefimowitsch Ras­putin, dessen eigentlicher Nachname Nowych lautete, ein Hellseher und Wunderheiler oder doch nur ein Abenteurer und ungehobelter Wüstling? Um diese Frage ranken sich viele Gerüchte. Zahlreichen Filmen liegt dieses Sujet der wohl düstersten Epoche der Romanow-Dynastie zugrunde.

Wegen des Films „Rasputin und die Zarin“, USA 1932, verklagte Fürst Felix Jussupow, einer der Rasputin-Mörder, die Filmgesellschaft wegen der beleidigenden Darstellung seiner Frau Irina. Die Jussupows gewannen den Prozess. Von der Entschädigungssumme konnten sie Jahrzehnteleben. In dem Spielfilm „Ich tötete Rasputin“, Frankreich/Italien 1967, spielte der reale Felix Jussupow dann selbst mit. In dem dem Film zugrunde liegenden Interview gab er als Motiv „Hass gegen den Prediger“ an. Gérard Depardieu verkörperte in einer russisch-französischen Produktion von 2011 einen hageren Rasputin. Das Interesse an der legendären Figur ist ungebrochen.

Der echte „Rasputin“ – der Name geht auf das russische Wort für „Wüstling“/„Lüstling“ zurück – wurde am 21. Januar (9. Januar nach dem julianischen Kalender) 1869 in dem Dorf Pokrowskoje, Gouvernement Tobolsk, geboren. Über seine Jugend und die Zeit vor St. Petersburg ist nur das bekannt, was Rasputin selbst erzählt hat. Demnach wuchs er in Pokrowskoje auf, heiratete dort und gründete eine Familie. Er wurde Vater von drei Kindern. Mit 17 Jahren wurde er Pilger, um sich näher mit der Religion bekannt zu machen. Er reiste zu heiligen Orten und soll zwei Mal in Jerusalem gewesen sein. 

1903 machte er sich auf den Weg nach St. Petersburg. Er reihte sich ein in die Schar der „Stranniki“, der Wanderprediger, die verlaust und bettelnd durch das Land zogen und dank ihrer angeblichen seherischen Fähigkeiten von der Großmut der gehobenen Gesellschaft lebten. Als „Staretz“ („Alter“, der bereits mehrere Stufen als Einsiedler durchlaufen hat) zählte Rasputin bereits zur Elite der „Stranniki“, als er an den Zarenhof kam. Kirchenvertreter sollen ihm die Tür nach St. Petersburg geöffnet haben. Vor allem Johann von Kronstadt, der Beichtvater des Zaren Nikolaus II., soll Rasputin den Zugang zur höheren Gesellschaft ermöglicht haben.

150 Jahre nach Rasputins Geburt stellt sich immer noch die Frage, wie es möglich war, dass ein Analphabet sowie als bäuerisch, grob und ungeschlacht beschriebener ärmlicher Wanderprediger es bis ins Zentrum der Macht im zaristischen Russland bringen konnte. Zumal Rasputin rein äußerlich ungemein abstoßend gewirkt haben muss, da er sich weder um sein Äußeres noch um seine Garderobe sonderlich kümmerte. Gerüchten zufolge trug er ein halbes Jahr lang dieselbe Unterwäsche. Ein übler Geruch ging von ihm aus, wobei verfaulte Zähne zusätzlich zur mangelnden Hygiene beitrugen. 

1905 kam Rasputin nach St. Petersburg und erlangte dort schnell einen Ruf als „Wunderheiler“ und „Gottesmensch“. Mit Kaiserin Alexandra wurde der Geist­heiler durch deren Verwandtschaft bekannt. Ein Grund für den Erfolg Ras­putins liegt sicherlich in der weitverbreiteten abergläubischen Verehrung, die man in Russland auch heute noch Randerscheinungen des religiösen Lebens entgegenbringt. Rasputin beeindruck­te die Kaiserin mit seiner ernsten Frömmigkeit. Er verkörperte für sie das einfache russische Volk; Orthodoxie, Autokratie und Volkstum flossen in ihren Augen bei ihm in einer Person zusammen. Dank seines instinktsicheren Einfühlungsvermögens hatte Rasputin gerade auf Frauen eine magische Anziehungskraft. Darüber hinaus besaß er einen ungewöhnlich scharfen Verstand und präzise analytische Gaben, was ihm dazu verhalf, schwierige Situationen für sich nutzen und politisch Einfluss nehmen zu können. 

Entscheidend für den bahnbrechenden Erfolg des Staretz war jedoch die Tatsache, dass er dem lange ersehnten und an der Bluterkrankheit leidenden Thronfolger Alexej Linderung verschaffen konnte. Zar Nikolaus II. überwand seine anfängliche Distanz Rasputin gegenüber, und so stieg dieser zum wichtigsten Berater und engsten Vertrauten des Kaiserpaars auf.

Als es 1905 zu einer ersten Revolution aufgrund der schlechten Versorgungslage kam und der Zar eine friedliche Demonstration niederschießen ließ, begann der Stern der Romanow-Dynastie zu sinken. Dieser Realität verschloss sich das Zarenpaar. Stattdessen gab es sich allen Warnungen zum Trotz der Vorstellung hin, an Rasputin hänge das Leben ihres Sohnes und das Schicksal des russischen Reiches. Der Unmut der vom Hof verdrängten Würdenträger und der Gesellschaft gegen Rasputin stieg, dessen Unmoral und Korruptheit Tagesgespräch waren. Jeder Würdenträger, der es wagte, sich bei Nikolaus über Rasputin zu beklagen, wurde entlassen.

Die Presse stürzte sich in der Folge auf den Staretz, berichtete über dessen Ausschweifungen, verbreitete schwerwiegende Gerüchte und machte auch vor der Zarin nicht halt: Sie sei die Geliebte Rasputins, wurde kolportiert. Wegen ihrer deutschen Herkunft stand sie unter dem Verdacht, eine preußische Spionin zu sein. Für diese Anschuldigungen gibt es keine Be­wei­se: Alexandra Fjodorowna war nicht nur eine treu liebende Ehefrau, sie war mit Herz und Seele zum russisch-orthodoxen Glauben konvertiert und liebte das russische Volk. Alexandra stand zudem in Opposition zum deutschen Kaiser Wilhelm II. 

Rasputin wusste, dass sein Schicksal mit dem der Zarenfamilie und des Zarewitsch Alexej zusammenhing. Er sagte den Sturz der Monarchie voraus für den Fall, dass ihn nicht einfache Leute, sondern Höflinge umbringen würden. So kam es dann auch. „Brüder werden sich gegen Brüder erheben, und sie werden sich gegenseitig umbringen, und innerhalb von fünf Jahren wird es in dem Land keinen Adel mehr geben“, schrieb er in einem Brief. 

Rasputin starb im Alter von 47 Jahren. Über seine Ermordung gibt es widersprüchliche Zeugenaussagen. Dass etwas vertuscht werden sollte, lässt die Tatsache vermuten, dass der Chef der Übergangsregierung, Alexander Kerenskij, Rasputins sterbliche Überreste exhumieren und verbrennen ließ.

Der ehemalige Scotland-Yard-Chef Richard Cullen und der Historiker Andrew Cook haben 2005 die Umstände von Rasputins Tod neu untersucht und ihre Ergebnisse veröffentlicht. Nach ihrer Version war der britische Geheimdienst in das Komplott verwickelt. Der Agent Oswald Rayner, ein Freund Jussupows, sei der dritte Täter gewesen, der auf Rasputin geschossen hat. Hintergrund sei gewesen, dass die Briten befürchteten, Rasputin bringe den Zaren dazu, während des Ersten Weltkriegs einen Separatfrieden mit Deutschland zu schließen. Rasputin hatte also das Pech, mit seinen politischen Einmischungen staatlichen Interessen Dritter in die Quere gekommen zu sein.