Während die Europastadt Görlitz ihre Einheit beiderseits der Neiße oft eher plakativ proklamiert, wird diese vom katholischen Bistum Görlitz ideell zufriedenstellender gelebt.
Dies war während des Neujahr-empfangs des Görlitzer Bischofs Wolfgang Ipolt am 12. Januar besonders spürbar, folgten doch seiner Einladung sowohl der Breslauer Erzbischof Jozef Kupny, als auch der Dekan der polnischen Stadthälfte Jan Kulyna aus der Diözese Liegnitz, die von der Erzdiözese von Johannes Paul II. abgespalten wurde. Letzterer erinnerte in seinem Grußwort an den in Liegnitz geborenen Bischof Bernhard Huhn, der die Grundlagen für eine Zusammenarbeit zwischen den Diözesen und Pfarrgemeinden auf beiden Neißeseiten legte. Huhn wurde mit der Errichtung der Apostolischen Administratur Görlitz am 28. Juni 1972 bis zu seiner Pensionierung im September 1994 deren Apostolischer Administrator. Er führte beispielsweise 1991 grenzüberschreitende Fronleichnamsprozessionen von Katholiken aus beiden Stadteilen ein.
Der aus Königshütte [Chorzow] in Oberschlesien stammende Breslauer Erzbischof Jozef Kupny betonte auf Deutsch, „die sehr guten Kontakte zwischen den Diözesen Breslau und Görlitz sind Ausdruck von Freundschaft und Einheit. Historisch gesehen haben beide Diözesen gemeinsame Wurzeln“. Letztlich ist das Bistum Görlitz das deutsche Restfragment des alten Erzbistums Breslau westlich der Lausitzer Neiße.
Erzbischof Kupny überreichte dem Görlitzer Bischof Ipolt einen Messkelch als Gastgeschenk. „Die Eucharistie ist nicht nur das Sakrament der Liebe, sondern auch das Sakrament der Einheit“, sagte er dazu. Zur Heiligen Hedwig von Schlesien, die auch Schutzpatronin der Diözese Görlitz ist sagte Kupny, er verehre diese Heilige sehr und nehme gerne an allen Feierlichkeiten ihr zur Ehre in Trebnitz [Trzebnica] teil. „Sie ist nicht nur Symbol für Völkerverbindung, sondern lehrt uns auch, uns armer Menschen und Schutzbedürftiger anzunehmen“.
Die Chemie zwischen den Bischöfen scheint zu stimmen, denn sie sehen sich relativ oft. So nahm der Erzbischof vergangenes Jahr an der Firmungsfeier für Jugendliche im deutschen Teil von Görlitz teil, Bischof Ipolt pilgerte am
15. August ins Niederschlesische Albendorf [Wambierzyce] zum 800. Jubiläum des Wallfahrtortes. Dem in Gotha geborenen Geistlichen sudetendeutscher Abstammung kann man oft im Zug nach Breslau begegnen, denn die schlesische Metropole hat es Ipolt besonders angetan. Ebenso wie dem Oberschlesier Kupny, der in Breslau sogar zum Fan des Fußballklubs Slask Breslau wurde. „Ich stamme aus der Königshütter Kirchengemeinde, in der der Klub Ruch Königshütte beheimatet ist. Es war bei uns zu Hause Tradition, dass wir für Ruch fieberten. Ich bin also etwas zerrissen, aber Schlesien ist Eins mit Breslau als Hauptstadt“, betonte Kupny. Auf diese Einheit der Region wies auch Gastgeber Ipolt hin, indem er Kupny im niederschlesischen Görlitz begrüßte.
Dass ein Gast aus Polen jedoch die Einheit Ober- und Niederschlesiens beschwört, ist für polnische Ohren gänzlich ungewöhnlich. Auch der Umstand, zu Ruch Königshütte zu halten, outet seine Fans im Grunde als alteingesessene Schlesier.