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25.01.19 / Brandenburg verschenkt Potenzial / Grüne Woche: Der Landwirtschaft in der Mark fehlen Betriebe zur Weiterverarbeitung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-19 vom 25. Januar 2019

Brandenburg verschenkt Potenzial
Grüne Woche: Der Landwirtschaft in der Mark fehlen Betriebe zur Weiterverarbeitung
Norman Hanert

Auch in diesem Jahr spielen Landwirte und Betriebe aus Brandenburg wieder eine wichtige Rolle auf der Grünen Woche in Berlin. Das märkische Großaufgebot auf der weltgrößten Agrarmesse verdeckt allerdings einen Schwachpunkt der brandenburgischen Agrarwirtschaft. 

Schon routinemäßig gingen Verbandsvertreter wenige Tage vor der Eröffnung der Grünen Woche an die Öffentlichkeit, um auf Schwerpunkte der Ernährungsmesse aufmerksam zu machen oder um Bilanz zu ziehen. Henrik Wendorff, der Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, sorgte in diesem Jahr mit einer sehr konkreten Forderung für Aufsehen: „Berlin muss einen Schlachthof bauen, damit die Nachfrage der Hauptstädter nach regionalen Fleischprodukten befriedigt werden kann.“ 

Der Aufruf an den Berliner Senat kann auch als versteckte Kritik an der amtierenden rot-roten Landesregierung Brandenburgs verstanden werden. Aus guten Gründen werden gerade Schlachthöfe längst nicht mehr in dicht besiedelten Städten errichtet. Eigentlich naheliegend ist der Gedanke, einen derartigen Betrieb außerhalb der Millionenmetropole Berlin im ländlichen Raum Brandenburgs anzusiedeln. 

Genau hier scheint aber das Problem zu liegen: Das Bild Brandenburgs auf der Grünen Woche wird vor allem von Landfleischereien, regionalen Brauereien und kleinen Familienbetreiben geprägt. Handwerklich liefern diese oft sehr gute Qualität. Im Vergleich zu anderen Bundesländern mangelt es dem Agrarland Brandenburg aber noch immer an mittelständischen Verarbeitungsbetrieben. Wendorff beklagt: „Brandenburgs Fleisch, Mehl und Milch werden nach Niedersachsen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern transportiert, weil es bei uns keine Schlachthöfe, Mühlen und Großmolkereien gibt.“ 

Was möglich wäre, wird am Beispiel des Spreewalds deutlich. Spezialitäten aus dieser Region im Süden Brandenburgs sind mittlerweile bundesweit bekannt und in vielen Supermarktregalen zu finden. Die Basis dieser Erfolgsgeschichte bildeten aber meist Unternehmen, die bereits vorhanden waren. Schwer tut sich das Land dagegen damit, mehr mittelständische Verarbeitungsbetriebe neu anzusiedeln. 

Bislang vergebens fordern Landwirte von der rot-roten Regierung in Potsdam eine gezielte Förderungs- und Ansiedlungspolitik für Verarbeitungsbetriebe. Vor diesem Hintergrund kann die Aufforderung an Berlin, dort einen Schlachthof zu bauen, auch als Signal der Verärgerung über die brandenburgische Landesregierung gesehen werden. 

Tatsächlich lässt Brandenburg bislang viel Potenzial, das in seiner Landwirtschaft steckt, ungenutzt und verschenkt durch die auswärtige Weiterverarbeitung sehr viel Wertschöpfung. Die Lebensmittelbranche ist mittlerweile die viertgrößte Industrie in Deutschland. Die deutsche Ernährungsindustrie hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von 180 Milliarden Euro erzielt. Das bisherige Rekordjahr 2017 wurde damit noch einmal leicht übertroffen.

Im Fall Brandenburgs käme noch ein ganz besonderer Heimvorteil hinzu: Mit Berlin liegt ein Markt mit mehreren Millionen Verbrauchern vor der Haustür. Obendrein weist der Berliner Markt noch eine Besonderheit auf. Die Verbraucher fragen nicht nur immer stärker nach regional erzeugten Lebensmitteln. Sie zahlen auch immer öfter höhere Preise für sogenannte Bio-Ware. Nirgendwo sonst in Deutschland ist die Nachfrage nach ökologisch erzeugten Produkten so hoch wie in der Spree-Metropole. Mehr noch: Die Stadt gilt selbst in Europa als der wichtigste Absatzmarkt für Bio-Produkte. Ablesbar ist dies an der wachsenden Zahl von Bio-Supermärkten in Berlin-Brandenburg.

Speziell in der ökologischen Landwirtschaft hat sich gezeigt, dass der Aufbau von Schlachthöfen oder Molkereien auch eine Signalwirkung auf die Erzeuger hat: Macht eine Molkerei für Bio-Milch auf, dann erzeugt dies auch eine regionale Nachfrage und ermuntert Landwirte, ihre Produktion umzustellen.

Der Trend zu regional erzeugten Bio-Produkten ist auch auf der diesjährigen Grünen Woche erkennbar: Neben der Digitalisierung der Landwirtschaft ist das Tierwohl ein Schwerpunkt der Agrarmesse. Anlässlich der Grünen Woche protestierten Tausende Menschen unter dem Motto, „Wir haben Agrarindustrie satt!“ in Berlin. Auch nach der weltgrößten Agrarschau wird die Kennzeichnung von Lebensmitteln weiterhin ein wichtiges Thema bleiben. Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) will bis zum Sommer Vorschläge für eine Nährwertkennzeichnung vorlegen. Eine sogenannte Lebensmittelampel auf Verpackungen lehnt die Ministerin jedoch ab.