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25.01.19 / Pendeldiplomatie im St.-James-Palast / Am Vorabend des Zweiten versuchte London – wie schon im Ersten Weltkrieg – neben den Juden auch die Araber auf seine Seite zu ziehen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-19 vom 25. Januar 2019

Pendeldiplomatie im St.-James-Palast
Am Vorabend des Zweiten versuchte London – wie schon im Ersten Weltkrieg – neben den Juden auch die Araber auf seine Seite zu ziehen
Dirk Pelster

Für den 7. Februar 1939 lud der britische Kolonialminister Malcolm MacDonald in London zur Konferenz in den altehrwürdigen und einst von Heinrich VIII. erbauten St.-James-Palast ein, welcher der Veranstaltung auch ihren Namen geben sollte. Andere Bezeichnungen sind „Londoner Konferenz“ oder „Round-Table-Conference“. Verhandelt wurde über die Zukunft des damaligen britischen Mandatsgebiets Palästina und dessen künftige Selbstverwaltung.

Es war ein milder Winter und die Sonne schien über Südengland, als die Delegationen aus dem vormals unter osmanischer Herrschaft stehenden Nahen Osten in ihren Wagen vor der einstigen Londoner Königsresidenz vorfuhren: Ägypter in schwarzem Anzug und rotem Fes, Saudis mit ihrem Qamis, dem traditionellen Gewand der Wüstenstämme, Jemeniten mit weißen Turbanen und Juden, deren Garderobe sich in nichts von der ihrer britischen Gastgeber unterschied. Doch zusammenkommen sollten sie weder in gemeinsamen Räumlichkeiten noch in der Sache, um die es bei den Verhandlungen ging.

Vorangegangen waren der St.- James-Konferenz verschiedene Ereignisse, die zunehmend Druck auf die Briten ausübten. Im November 1917 hatten sie sich veranlasst gesehen, den Juden in aller Welt nach einem Sieg über das mit Deutschland verbündete Osmanische Reich eine Heimstatt auf dem zu diesem Zeitpunkt unter osmanischer Kontrolle stehenden Palästina zuzusichern. Die Briten versprachen sich von den in Form der sogenannten Balfour-Deklaration erklärten Garantien die Unterstützung zionistischer Kreise in aller Welt bei ihrem Kampf gegen die Mittelmächte, denn viele Juden sympathisierten aufgrund der zahlreichen antijüdischen Repressionen im Zarenreich mit dem von Deutschland angeführten Machtblock. Allerdings hatten die Briten nicht nur den Zionisten, sondern auch den unter osmanischer Herrschaft stehenden Arabern großzügige Versprechungen im Hinblick auf eine selbstbestimmte politische Zukunft nach dem Krieg gemacht. Enttäuscht wurden beide Seiten, da die größte Kolonialmacht der Erde das von den Osmanen erbeutete Palästina weder den Palästinensern noch den Juden überließ, sondern sich selber dort mit einem Mandat des Völkerbundes festsetzte. 

Allerdings gewährte die britische Mandatsmacht entsprechend den in der Balfour-Deklaration gegebenen Zusagen großzügige Einwanderungsmöglichkeiten für Juden aus der gesamten Welt. Lebten 1918 nur rund 66000 Juden in Palästina, denen 573000 arabische Palästinenser gegenüberstanden, so waren es 1936 schon 370000 Juden bei 955000 Arabern. 

Dies führte zu einem immer größeren Widerstand auf Seiten der arabischstämmigen autochthonen Bevölkerung. 1936 riefen die Palästinenser einen Generalstreik aus, der das Mandatsgebiet lähmte. Als Interessenvertretung gründeten palästinensische Führer das Arabische Hohe Komitee, das nur ein Jahr später durch die Briten verboten wurde, nachdem ein hoher britischer Beamter einem Attentat durch Palästinenser zum Opfer gefallen war. Viele Araber sympathisierten mit dem „Dritten Reich“, mit dem das Empire zunehmend rivalisierte. Mohammed Amin al-Husseini, der islamische Großmufti von Jerusalem und einer der wichtigsten palästinensischen Führer, kooperierte ab 1937 mit den Deutschen. 

Im Angesicht des bevorstehenden Zweiten Weltkrieges waren die Briten jedoch nicht willens, die arabischen Sympathien widerstandslos den Deutschen zu überlassen. So luden sie zur St.-James-Konferenz in ihre Hauptstadt. Al-Husseini einzuladen, weigerte sich der britische Kolonialminister MacDonald jedoch. Überhaupt standen die Gastgeber vor der Frage, mit wem man eigentlich verhandeln sollte, denn viele arabische Führer lebten im Untergrund oder im Exil, während ihre Organisationen von den Briten verboten worden waren. MacDonald entschied, fünf hohe Funktionäre des Arabischen Hohen Komitees, die nur zwei Jahre zuvor von den Briten selbst auf die Seychellen verbannt worden waren, zur Konferenz zu laden. Neben diesen Angehörigen des palästinensischen Widerstandes wurden noch einige probritische arabische Organisationen, die es immerhin auch noch gab, und Vertreter der unter britischer Kuratel stehenden Regime von Ägypten, dem Irak, Jemen und Transjordanien nach London beordert. Zusätzlich wurden Vertreter des unabhängigen Königreichs Saudi-Arabien zur Teilnahme aufgefordert. Ähnlich wie heute bei der Lösung des Bürgerkrieges in Afghanistan wollten auch damals die westlichen Staatenführer nicht mit den eigentlichen Konfliktparteien verhandeln, sondern lieber mit einer handverlesenen Auswahl von unbeteiligten oder nur mittelbar betroffenen Kräften. 

Die Durchführung der Konferenz gestaltete sich schwierig. Die palästinensische Delegation lehnte es ab, unter Beteiligung jüdischer Vertreter zu verhandeln. Die Briten waren daher zur Pendeldiplomtie innerhalb des St.-James-Palastes gezwungen. Auch inhaltlich kam man sich nicht näher. Die Araber lehnten neben einer Teilung Palästinas vor allem eine weitere jüdische Zuwanderung ab. Während die jüdische Delegation sowohl eine Teilung Palästinas als auch einen gemeinsamen Staat mit den Arabern akzeptiert hätte, bestand sie aber auf einer Fortsetzung der Einwanderung von Juden, da ihre Vertreter wussten, dass sich damit dauerhaft die demographische Situation zu ihren Gunsten entwickelte. Alle britischen Kompromissvorschläge wurden von beiden Seiten zurückgewiesen. Die Konferenz endete am 17. März 1939 ergebnislos.

Das bedeutete jedoch nicht das Ende des britischen Versuchs, am Vorabend des Zweiten Weltkrieges erneut wie im Ersten Weltkrieg um die Sympathien der Araber zu werben. Ohne vorausgegangene Einigung mit Juden oder Arabern veröffentlichten die Briten am 17. Mai 1939  ein Weißbuch, dem zufolge Palästina binnen zehn Jahren zu einem unabhängigen Staat werden sollte. Für die jüdische Bevölkerung war zwar innerhalb seines Gebietes eine eigene Heimstatt vorgesehen. Über die weitere Zuwanderung von Juden sollte aber der neue Staat nach seiner Unabhängigkeit selbst entscheiden. Bis dahin sollte die Einwanderung verringert und streng kontingentiert werden. 

Der für die Durchführung verantwortliche Völkerbund lehnte die Vorschläge des Weißbuches jedoch ab. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und der Auflösung dieser ersten Staatengemeinschaft verschwand die Lösung der Palästinafrage dann fürs erste von der politischen Agenda.