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25.01.19 / Die Geister der Ertrunkenen / Thema Flucht und Kunst in Allenstein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-19 vom 25. Januar 2019

Die Geister der Ertrunkenen
Thema Flucht und Kunst in Allenstein
Uwe Hahnkamp

In der Buchhandlung „Ksiaznica Polska“ gegenüber dem Rathaus in Allenstein wurde am 11. Januar eine bemerkenswerte Ausstellung eröffnet. Ihr Titel lautet auf Deutsch „Wassergeister II. Die Flucht der Deutschen aus Allenstein im Januar 1945“. Drei Künstler unterschiedlichen Alters versuchen eine Annäherung an die damaligen Ereignisse in Bildern, Skulpturen und mit Fotos ergänzten Texten. 

Eines der düstersten Kapitel der Geschichte Ostpreußens ist die Zeit am Ende des Zweiten Weltkriegs, als die deutsche Bevölkerung vor der heranrückenden Roten Armee auf die Flucht ging. Es ist ein Kapitel, über dessen Ablauf und Ausmaß im polnischen Alltag sehr selten gesprochen wird, von dem ein durchschnittlicher Pole wenig weiß, selbst wenn er schon lange im südlichen Ostpreußen lebt. Inzwischen gab es zumindest den erfolgreichen polnischen Film „Róza“, der die Gewalttaten der sowjetischen Soldaten in Masuren zum Thema hatte und die Aufmerksamkeit auf das Jahr 1945 lenkte.

Feliks Walichnowski kam bereits im Frühling 1945 als Delegierter der Direktion der Polnischen Staatsbahnen aus Warschau ins südliche Ostpreußen. Er hat noch selber einiges von dem miterlebt, was den fliehenden und vertriebenen Menschen damals geschah und angetan wurde. Er ist Verfasser der Texte und Gedichte in der Ausstellung „Wassergeister II“, zu denen seine Frau Elzbieta Fotografien beigesteuert hat. Feliks Walichnowski ist auch der Initiator der Ausstellung, mit der er, wie er bei der Vernissage sagte, die neuen Generationen daran erinnern wollte, was sich damals hier ereignete. Schwerpunkt seiner Betrachtungen war dabei die Flucht nach Pommern und in Richtung Frisches Haff, auf der Tausende Menschen im Haff und in den Wellen der Ostsee ums Leben kamen. Daher auch der polnische Titel der Ausstellung „utopce II“. Utopce sind nämlich zum einen Wassergeister aus der lokalen und regionalen Tradition wie Dämonen in Seen, von denen es ja auch in ostpreußischen Geschichten einige gibt. Zum anderen sind utopce aber auch die Geister der ertrunkenen oder im Wasser umgekommenen Menschen, an die in dieser Ausstellung erinnert wird.

Die Ölbilder in der Ausstellung hat Dorota Czapliczka beigesteuert, die sich bis jetzt zwar mit Geschichte, aber wenig mit diesem Zeitraum beschäftigt hat. Für die Inspiration zu ihren Bildern, die den Weg der Flüchtlinge nachzeichnen, hat sie sich in großem Umfang mit Dokumenten und Berichten aus dem Jahr 1945 befasst. Die Stimmung aus ihrer Lektüre hat sie so in ihre Werke übertragen, dass der Betrachter bei einigen davon den eiskalten stürmischen Wind zu spüren meint, der den Flüchtenden zusetzt. 

Die dritte und jüngste Künstlerin aus der Gruppe „Künstlerische schöpferische Reserve“ an der Ermländisch-Masurischen Universität in Allenstein ist Marta Bulik. Ihre Familie kommt aus Warschau, aber sie wurde bereits in Allenstein geboren. Für sie ist die Auseinandersetzung mit den Ereignissen von 1945 eine Selbstverständlichkeit: „Ich lebe hier, also ist das dadurch auch irgendwie meine Geschichte.“ Ihr einer Beitrag zur Ausstellung „Wassergeister II“ stehen Skulpturen aus Holz und dickem Aluminiumdraht, die das Zusammenwirken von Natur und Zivilisation zeigen sollen, an einigen Stellen jedoch deutlich an Zäune und Gitter erinnern, die Menschen auf der Flucht im Wege waren. Der zweite Teil ihres Werks sind Malereien auf Holz. Das zentrale Kunstwerk der Ausstellung zeigt die Gesichter von Dämonen und anderen Sagenfiguren, die Bulik schwarz-weiß oder farbig auf die Bretter eines Schuppens geworfen hat. Mit dem Untergrund für die Darstellung der utopce hat es eine besondere Bewandtnis. Der erwähnte Schuppen steht in Sausgörken [Suchawa] fast an der polnisch-russischen Grenze. Die heutigen Besitzer haben sich zur Freude der ehemaligen Eigentümer unter anderem vorbildlich um den dortigen Familienfriedhof gekümmert. Aus diesem positiven Eindruck bei einem ersten Besuch der Nachfahren ist inzwischen laut Bulik ein freundschaftlicher Kontakt geworden. Und ihre Wasserdämonen wachen auf diese Weise symbolisch über die alten und die neuen Bewohner der Region.

Die Ausstellung „Wassergei­ster II. Die Flucht der Deutschen aus Allenstein im Januar 1945“ ist in der Buchhandlung „Ksiazniczka Polska“ noch bis zum 15. Februar zu sehen. Die Ausstellung soll danach in den Bibliotheken der Ermländisch-Masurischen Universität und später in verschiedenen öffentlichen Bibliotheken der Region das Publikum erreichen.