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25.01.19 / Im Pantheon der Geschichte / Pawel Adamowicz wurde neben Hunderten Deutschen in der Marienkirche beigesetzt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 04-19 vom 25. Januar 2019

Im Pantheon der Geschichte
Pawel Adamowicz wurde neben Hunderten Deutschen in der Marienkirche beigesetzt
Chris W. Wagner

Am 19. Januar um 12 Uhr wurde die Urne mit den sterblichen Überresten des ermordeten Stadtpräsidenten (Oberbürgermeister) Pawel Adamowicz in der Danziger Marienkirche beigesetzt. Die letzte Ruhe fand der 53-jährige in der dortigen St.-Martin-Kapelle.

An jenem Wochenende wurde polenweit Staatstrauer ausgerufen und in den Medien an den 20 Jahre amtierenden Kommunalpolitiker erinnert. Zu Wort kamen unter anderen die Präsidenten von Gdingen [Gdynia] Wojciech Szczurek (56) und Zoppot [Sopot] Jacek Kornacki (55), die mit Adamowicz auch privat befreundet waren. Das Dreigespann „regierte“ zwei Jahrzehnte die drei Kommunen, die gemeinsam auch polnisch Trojmiasto, was so viel wie Dreistadt bedeutet, genannt werden. 

„Ich bin Pawel zum ersten Mal während des Danziger Streiks 1988 begegnet, das zweite Mal trafen wir im Bürgerkomitee vor der Kommunalwahl aufeinander und von da an verlief unser Lebenslauf ähnlich. Wir wurden die jüngsten Ratsherren in unseren Städten und im selben Jahr wurden wir zum Stadtpräsidenten gewählt“, so Szczurek gegenüber der „Gazeta Wyborcza“. Auch Kornacki ist am selben Tag zum Präsidenten von Zoppot gewählt worden. 

Pawel Adamowicz ist nun im Danziger Pantheon, wie die Marienkathedrale genannt wird, beerdigt worden. Das Gotteshaus wird als Pantheon bezeichnet, weil der Boden aus etwa 

400 Grabplatten besteht. Unter diesen Grabplatten fanden bedeutende Danziger Bürger ihre letzte Ruhe. Die älteste der Grabplatten wird auf das Jahr 1411 datiert und erinnert an Conrad Letzkau, der von 1406 bis 1411 Bürgermeister der Rechtstadt Danzig. In diesem Teil der Stadt befinden sich auch das Hohe Tor und die Langgasse. Letzkau wurde vom Ordenskomtur Heinrich von Plauen ermordet. Für die Polen, die ihn Konrad Leczow nennen, wurde er zum Symbol des Widerstandes gegen die Kreuzritter, die für diesen Mord einmal mehr als rücksichtslose Bösewichte abgestempelt wurden.

Die wohl imposanteste Grabplatte, so Professor Emund Kizik gegenüber dem Internetportal trojmiasto.pl, hatte Bürgermeister Johann Speymann seinen Schwiegereltern Judith und Simon Bahr gestiftet. Bürgermeister Speymann ist der Erbauer des berühmten Speymannhauses, das im Polnischen Zlota Kamienica, übersetzt Goldenes Haus, genannt wird, auf dem Langenmarkt. Erst ab 1819 wurde die Beisetzung in Kirchen aus bestattungshygienischen Gründen untersagt. Ausnahmen bildeten Beisetzungen von Geistlichen. 

Seit 1945 gab es nur sechs Beerdigungen in der Marienkirche. 1978 fand der langjährige Pfarrer dieses Gotteshauses, Jozef Zator-Przytocki in der Marienkirche seine letzte Ruhe. 2005 wurde hier der Initiator des Wiederaufbaus der Barockorgel in der Marienkirche, Otto Klucke, beigesetzt. Der gebürtige Danziger Klucke verließ seine Heimatstadt im Zweiten Weltkrieg, als er in die Wehrmacht eingezogen wurde. 1945 geriet er in russische Gefangenschaft, fünf Jahre später wurde er entlassen und folgte seiner vertriebenen Familie nach Westdeutschland. Nach Danzig kehrte der Mediziner nach dem Krieg zum ersten Mal 1971 zurück. Als er die Marienkirche betrat, in der er als Jugendlicher konfirmiert worden war, und sah, dass diese keine Orgel mehr besaß, wollte er helfen. Einfach war es für den deutschen Protestanten im kommunistischen Polen nicht. 15 Jahre nach seinem ersten Besuch in Danzig konnte die Orgel erst im Mai 1985 eingeweiht werden.

2017 wurden in der Marienkirche die Geistlichen Albin Potracki und Stanislaw Bogdanowicz beerdigt. Als einziger Nachkriegspolitiker fand bislang der Mitbegründer der Bürgerplattform, Maciej Plazynski, seine letzte Ruhe. Er kam 2010 bei der Flugkatastrophe in Smolensk ums Leben. Nun folgt ihm Pawel Adamowicz, der zu dieser Basilika eine besondere Beziehung hatte. Laut TV24 soll Adamowicz, der einen goldenen Stern an der Decke der Basilika gestiftet hat, Prälat Ireneusz Bradtke, Pfarrer der Marienkirche, gefragt haben, was man tun müsse, um in dieser Kirche beerdigt zu werden.

Nach dem Mordanschlag erachtete Prälat Bradtke die Verdienste des langjährigen Stadtpräsidenten als ausreichend und gab damit posthum eine Antwort. Der Danziger Metropolit, Slawoj Leszek Kardinal Glodz, war damit einverstanden und hielt die Trauermesse für den Stadtpräsidenten 

Pawel Adamowicz.

Auch in vielen anderen Städten des Landes hat man zur gleichen Zeit wie in Danzig an den Kommunalpolitiker gedacht. Im niederschlesischen Waldenburg [Walbrzych] sagte Präsident Roman Szelemej: „So wie Adamowicz Danzig veränderte, so sollten auch wir unsere Heimat freundlicher, offener, toleranter und wärmer gestalten”, sagte er bei Radio Breslau. In Liegnitz [Legnica] und Breslau versammelten sich am Tag der Beisetzung Hunderte zum Gedenken auf dem Ring. In Kattowitz wurde ein Lichterherz gebildet. Als liberaler Patriot vergas Adamowicz seine Landsleute im ehemaligen polnischen Osten nicht. So wurde in der Lemberger Mariä-Himmelfahrt-Kathedrale ein Gedenkgottesdienst für Adamowicz abgehalten. Ebenso wurde ihm im weißrussischen Grodno gedacht, besuchte er doch immer wieder die dort lebende und von der weißrussischen Regierung nicht anerkannte polnische Minderheit. Und darin begründet sich auch der große politische Unterschied zu den meist linksliberalen Deutschen, die Adamowicz derzeit medial vereinnahmen und entsprechendes patriotisches Bewusstsein für ihre eigene Nation vermissen lassen.