Auf den ersten Blick erscheint Andreas Försters „Zielobjekt Rechts“ als interessantes Buch, da es die Beobachtung rechtsextremistischer Gruppierungen in Westdeutschland durch die Abteilung XX II/1 des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) beschreibt. Dieses hatte offiziell Anschläge gegen die DDR-Grenze zu verhindern, besaß aber vermutlich ein starkes Interesse an deren Existenz, dienten sie doch gut der Diffamierung der Bundesrepublik. Die Stasi warf dem Bundesnachrichtendienst (BND) und der Behörde für Verfassungsschutz (BfV) vor, die Rechtsextremen selbst zu steuern.
Zweifellos ist eine Übersicht über westdeutsche Neonazi-Organisationen aufschlussreich, leider unterscheidet der Autor aber nicht immer zwischen diesen und nur DDR-feindlichen Kreisen wie dem Bund der Vertriebenen, dem Brüsewitz-Zentrum oder der Aktionsgemeinschaft 17. Juni. Im-merhin erfährt der Leser Näheres über Michael Kühnen, die einflussreichste Führungsperson der Szene mit einer militärischen Ausbildung. Meistgesuchter Rechts-Terrorist war Odfried Hepp, der schon früh Kontakt mit der Stasi hatte.
Rätselhaft ist das Leben Udo Albrechts. Bei dessen Flucht in den Osten öffneten die DDR-Grenzer bereitwillig das Tor. Für die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO sollte er in der „BRD kampfbereite Sympathisanten rekrutieren“, später wurde er aber zu einer Belastung für die PLO-Sicherheit. Ob diese ihn liquidierte, lässt der Verfasser offen, die Spur verlor sich jedenfalls in Nahost. Peter Weinmann diente der Stasi und wohl auch dem BfV sowie später dem italienischen Geheimdienst Sismi, mit dem er Südtiroler Nationalisten mit ihrem Ziel der Loslösung von Italien bekämpfte. Fast alle standen in Verbindung mit Gary Rex Lauck, der in den USA die „NSDAP/Auslandsorganisation“ gründete und im Westen Deutschlands viele Gruppen aufbaute. Dass sein Organ „NS-Kampfruf“ bald seine Leser durch eine gezielte Aktion des BfV einbüßte, verschweigt Förster leider.
Ziel all dieser Gruppierungen war die Wiederzulassung der NSDAP. Für ihren „Befreiungskampf gegen die USA“ entwarfen sie Mordanschläge gegen US-Soldaten, wollten Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß aus dem Gefängnis holen, legten Waffenlager an und führten in belgischen Wäldern militärische Übungen durch, um am Bürgerkrieg im Libanon teilzunehmen. Manche Grüppchen wollten sich mit der DDR verbrüdern. Ihr Versuch, Kontakte mit der Roten Armee Fraktion (RAF) aufzunehmen, scheiterte.
Das Buch hat den Nachteil, allein auf Stasi-Dokumenten zu basieren. Offen bleibt die Frage, weshalb zur Vervollständigung eines objektiven Bildes nicht die Unterlagen des BfV und BND verwendet wurden. Oft wird der Eindruck erweckt, das MfS sei besser informiert gewesen als das BfV. Es habe seine Tätigkeit nur zur Verteidigung der DDR ausgeübt, wie ohnehin indirekt das Märchen vom „antifaschistischen Schutzwall“ das ganze Buch durchzieht.
Es bleibt die Frage, weshalb das MfS mit seinem vermeintlichen Allwissen nicht über Dritte Hinweise an bundesdeutsche Stellen gab, was dem Autor zufolge nur „manchmal“ erfolgte. Dies wäre ein echtes Zeichen der Entspannung, der „friedlichen Koexistenz“ gewesen. Ost-Berlin betrieb generell Spionage gegen die Bundesrepublik, räumt Förster ein, nennt in typischem Stasi-Jargon jene Spione dann stolz „Kämpfer an der unsichtbaren Front“. Dass linksterroristische Gruppen wie die RAF und die PLO in der DDR „eine militärische Ausbildung durch MfS-Spezialisten erhielten sowie Waffen zwischenlagerten, sofern diese für Anschläge im Westen benutzt wurden“, wird vom Autor schamlos zugegeben. Er verschweigt seine Zugehörigkeit beim Wachregiment Dserschinskij, eine Diensteinheit der berüchtigten Stasi, dessen Weltbild er offensichtlich noch nicht überwunden hat.
Andreas Förster: „Zielobjekt Rechts“, Ch. Links-Verlag, Berlin 2018, broschiert, 264 Seiten, 18 Euro