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01.02.19 / Erfolg im zweiten Anlauf / Ursprünglich hatte der »Jumbo-Jet« ein Militärtransporter werden sollen, aber er verlor gegen die »Galaxy«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-19 vom 01. Februar 2019

Erfolg im zweiten Anlauf
Ursprünglich hatte der »Jumbo-Jet« ein Militärtransporter werden sollen, aber er verlor gegen die »Galaxy«
Manuel Ruoff

Vor einem halben Jahrhundert startete die Boeing 747 vom Flughafen Paine Field zu ihrem Jungfernflug. Der für den „Jumbo-Jet“ so typische „Höcker“ mit der Kanzel zeugt bis heute von der ursprünglich geplanten Verwendung als Militärtransporter.

„Der Krieg ist der Vater aller Dinge.“ Dieses bekannte Sprichwort trifft auch für die Boeing 747 zu. Im Jahre 1961 startete die United States Air Force (USAF) das Projekt „Forecast“, was soviel wie Voraussage heißt. Vorausgesagt werden sollte, wie der USAF-Bedarf an Flugzeugen ein Jahrzehnt später aussehen würde. Ein Ergebnis des Projektes war, dass ein Bedarf an zusätzlicher Lufttrans­portkapazität bestehe. Dieses zeigte sich bereits bei der „Operation Big Lift“, einem im Oktober 1963 durchgeführten transatlantischen Manöver. Über 15000 Soldaten wurden dabei mit Kolbenmotor- und Turbopropmaschinen der Typen Boeing C-97 „Stratofreighter“, Douglas C-118 „Liftmaster“ und Douglas C-124 „Globemaster“ über den Atlantik in die Bundesrepublik geflogen, doch Waffen und Gerät höheren Gewichtes und größeren Ausmaßes mussten sie zu Hause lassen, da die dafür nötigen Flugkapazitäten fehlten. In diesem Falle war das kein Problem, da man beim deutschen NATO-Partner auf in eigenen Stützpunkten eingelagerte Waffen zurückgreifen konnte, doch bei einem „out of area“-Einsatz hätte sich das zu einem Problem entwickeln können, denn der Seetransport war zu langsam. Zwei Jahre später stand zwar mit der Lockheed C-141 „Starlifter“ ein Transport-Jet zur Verfügung, doch war dessen Größe den Verantwortlichen nicht ausreichend. Ein großer Transport-Jet sollte her, und die USAF forderte die einheimische Industrie auf, Vorschläge für ein CX-HLS (Cargo Experimental Heavy Logistics System) einzureichen.

Neben den beiden anderen großen US-Flugzeugherstellern Lock­heed und Douglas nahm auch die 1916 in Seattle von William E. Boeing gegründete Boeing Company die Herausforderung an und reichte einen Entwurf ein, in dem ein M48-Panzer und ein Jeep, die beide zur damaligen Standardaus­rüstung der US-Streitkräfte gehörten, nebeneinander Platz fanden. Um nicht nur von hinten, sondern auch von vorne beladen werden zu können und den gesamten Rumpf als Stauraum zur Verfügung zu haben, sah dieser Entwurf den für den „Jumbo-Jet“ so prägnanten „Höcker“ mit der Kanzel vor.

Nichtsdestotrotz bekam nicht Boeing, sondern Lockheed am 30. September 1965 den Zuschlag. Das Ergebnis ist die auch heute noch sehr bekannte C-5A „Galaxy“, die lange Zeit das größte Düsenflugzeug der Welt war und heute noch der größte Militärtransporter der westlichen Welt ist.

Boeing schrieb jedoch die in die Wettbewerbsteilnahme investierte Arbeit nicht einfach ab, sondern versuchte, sie zivil zu nutzen. Wie im militärischen waren nämlich auch im zivilen Bereich die Planer zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Bedarf an größeren, leistungsfähigeren Maschinen besteht. Für die Entwicklung einer derartigen Maschine standen nun die Mitarbeiter des Militärtransportflugzeugprojektes und deren Arbeitsergebnisse zur Verfügung.

Vor dem Bau eines derartigen zivilen Flugzeuges wünschten die Manager jedoch analog zum Militärtransporter, dass ein Mindestabsatz garantiert ist. Hierfür bot sich die seinerzeit größte zivile Luftfahrtgesellschaft der westlichen Welt, die US-amerikanische Pan American World Airways, an, besser bekannt unter ihrem Kürzel Pan Am. Laut Boeing selber soll der Präsident von Pan Am, Juan Trippe, dem Boeing-Präsidenten William Allen angeboten haben: „Wenn Sie das Flugzeug bauen, kaufe ich es.“ Auf diese Worte Trippes habe Allen erwidert: „Wenn Sie es kaufen, baue ich es.“ Dieser Dialog mag Legende sein, doch ist Fakt, dass Pan Am am 13. April 1966 25 Exemplare der noch gar nicht existierenden Maschine zum Stückpreis von 20 Millionen US-Dollar kaufte. Andere Fluggesellschaften folgten mit Bestellungen. Im Juli des Jahres gab Boeing seine Entscheidung bekannt, eine Zivilmaschine zu entwickeln und zu bauen, die je nach Ausführung als Ein-Klasse-Maschine 500 oder als Zwei-Klassen-Maschine 350 Passagiere über den Atlantik transportieren kann. Nach der 707, der 727 und der 737 sollte diese Maschine jetzt offiziell die Nummer 747 tragen. In den Medien setzte sich jedoch der Kosename „Jumbo-Jet“ fest.

Für dieses neue, Rekorde brechende Flugzeug musste extra eine neue, ebenfalls Rekorde brechende Produktionsstätte geschaffen werden. So wurde eigens für die Boeing 747 vom August 1966 bis Mitte 1967 für 200 Millionen US-Dollar auf einer Fläche von 315 Hektar Größe bei Everett, rund 50 Kilometer nördlich vom Hauptfirmensitz Seattle und in unmittelbarer Nähe des Flughafens Paine Field, das größte industrielle Gebäude der Welt aus dem Boden gestampft.

Am 1. September 1968 und damit einen Tag vor der Planvorgabe verließ der Prototyp die 5,6 Millionen Kubikmeter Rauminhalt besitzende Werkshalle durch die 91 Meter langen und 26,5 Meter hohen Hangertüren. Am 65. Jahrestag des ersten Motorfluges von Orville Wright sollte sich laut Plan der neue Stolz der US-Luftfahrt, verziert mit den Logos der 27 Fluggesellschaften, die ihn bereits geordert hatten, nach einer Reihe von Hochgeschwindigkeitsrollversuchen eigentlich das erste Mal in die Luft erheben, doch die Bestückung mit Instrumenten erwies sich als langwieriger denn geplant.

Am 9. Februar 1969 war es dann soweit. Mit Boeing-Cheftestpilot Jack Waddell am Steuerknüppel und zwei Bordingenieuren an Bord hob der Elefant der Lüfte erstmals ab. Der Jungfernflug musste zwar nach einer Stunde abgebrochen werden, doch erwies sich die Ursache, eine geringfügige Fehlfunktion der Landeklappen, als ein weder schwerwiegendes noch langfristiges Problem. Auf dem Aérosalon jenes Jahres 1969 war der „Jumbo“ neben der „Concorde“ die Attraktion. Da standen sie, das schnellste und das größte Verkehrsflugzeug der westlichen Welt. Das schnellste ist inzwischen Geschichte, das größte, der „Jumbo“, bevölkert noch immer die Flughäfen dieser Welt.

Nachdem die Boeing 747 noch am vorletzten Tage des Jahres 1969 ihre Musterzulassung durch die US-amerikanische Bundesluftfahrtbehörde FAA (Federal Aviation Administration) bekommen hatte, erfolgte 1970 die Auslieferung der ersten Exemplare an die Fluggesellschaften, allen voran natürlich die Pan Am. Ein Vierteljahrhundert später sollten bereits mehr als 1000 Stück ausgeliefert worden sein. Inzwischen sind es etwa eineinhalb so viele. Ein Wermutstropfen für alle Pazifisten: Unter den ausgelieferten Varianten des Zivilflugzeuges, das ursprünglich ein Militärflugzeug werden sollte, befinden sich mittlerweile auch ein paar militärische. So schließt sich der Kreis zumindest halbwegs.