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01.02.19 / Königsberg darf nicht genannt werden / Grüne Woche Berlin: Eine Torte mit dem Schloss der Vorkriegszeit wurde vom Stand der Region entfernt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-19 vom 01. Februar 2019

Königsberg darf nicht genannt werden
Grüne Woche Berlin: Eine Torte mit dem Schloss der Vorkriegszeit wurde vom Stand der Region entfernt
J.Tschernyschew

Die internationale Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ ist eine der größten weltweit. In diesem Jahr wr auch die westlichste Region der Russischen Föderation, das Königsberger Gebiet, als eine von vier Regionen mit einem eigenen Stand im russischen Pavillon vertreten, jedoch nicht ohne Probleme. 

Zum ersten Mal seit einigen Jahren war Russland wieder auf der Grünen Woche vertreten. Für die Vorbereitung, wie auch für Reisen der Regionalbeamten in die deutsche Hauptstadt wurden aus dem russischen Staatshaushalt umgerechnet rund 15000 Euro bereitgestellt.

Da der russische Pavillon traditionell aan dem dem Haupteingang gegenüberliegenden Ende des Messegeländes liegt, müssen Besucher notgedrungen alle anderen Säle der Ausstellung auf dem Weg dorthin durchlaufen. Auf dem Weg zum Stand des Königsberger Gebiets hat der Besucher deshalb die Möglichkeit, Theateraufführungen, Orchesterauftritte und Musiker zu sehen, exotische Gerichte zu probieren und in viele zufriedene und freundliche Gesichter zu blicken.

Die Produktpalette am Stand der Region Königsberg umfasste verschiedene Käsesorten, Milch, Sahne, Butter, Joghurt, Quark, verschiedene Brot-sorten, Lebkuchen, Brötchen, Kuchen und Konserven. Am Stand konnte man die Gerichte der regionalen Küche probieren. Dutzende Gerichte, die aus heimischen Produkten hergestellt werden, wurden angeboten, darunter Canapés mit Ostsee-Sprotten, Eier mit Zitronenbutter auf „Borodino“-Brot, Fischsuppe sowie Pfannkuchen.

Neben drei Köchen, die die Butterbrote vorbereiteten und sich mit den Besuchern unterhielten, fiel eine seltsam wirkende Dame auf.  Sie saß die ganze Zeit auf einem Stuhl neben dem Stand und betrachtete intensiv etwas auf ihrem Smartphone. Als unser PAZ-Mitarbeiter sich dem Stand näherte und versuchte, ein paar Broschüren über regionale landwirtschaftliche Errungenschaften anzusehen, die in den Regalen des Pavillons aufgestellt waren, verhielt sie sich unerwartet seltsam: Sie sprang auf und sagte, sie erwarte wichtige Gäste zu Verhandlungen. Freundlich bat der Journalist sie, sich vorzustellen. Sie entgegnete, sie vertrete das regionale Landwirtschaftsministerium. Als sie jedoch die Akkreditierung des Journalisten sah, weigerte sie sich, ihren Namen zu nennen. Sie verwies darauf, dass sie nicht bevollmächtigt sei, mit einem Pressevertreter zu sprechen, und jegliche Informationen, auch ihr Name, nur über den Pressedienst der Regionalregierung zu erfahren seien.

Daraufhin setzte sich der PAZ-Mitarbeiter mit Lidia Balaban vom Pressedienst der Königsberger Regionalregierung in Verbindung. Sie gab bereitwillig einige Informationen über den Stand  und erklärte, dass die Dame am Stand eine einfache Mitarbeiterin des Landwirtschaftsministeriums und deshalb nicht befugt sei, mit Besuchern der Ausstellung zu reden. Zunächst hatte unser PAZ-Mitarbeiter den Eindruck, dass sie nur die Ausstellung bewachte, aber das tat sie offenbar nicht, denn sie verschwand einfach aus seinem Blickfeld und ließ ihn allein am Stand stehen. Irgendwelche wichtigen Verhandlungen haben an diesem Tag am Stand der Königsberger Region nicht stattgefunden, was nicht verwundert, da es ein Sonntag war. 

Es ist schwer zu sagen, wodurch solch eine inadäquate Reaktion einer „geheimen“ Beamtin des regionalen Landwirtschaftsministeriums hervorgerufen wurde, doch kann ein weiterer kurioser Vorfall, der sich zu Beginn der Ausstellung zugetragen hat, möglicherweise Aufschluss geben.

Einer der Hersteller hatte für den Königsberger Stand eine Torte vorbereitet, auf der das Königsberger Schloss der Vorkriegszeit mit Turm dargestellt und das Konditorenkunstwerk mit der Aufschrift „Königsberg“ darunter versehen war. Am Eröffnungstag der Ausstellung, an dem Vertreter des russischen Landwirtschaftsministeriums teilnahmen, wurde die Aufschrift auf der Torte mit weißer Creme übertüncht, aber darunter schien dennoch der Schriftzug durch. In diesem seltsamen Zustand wurde die Torte den offiziellen Gästen der Ausstellung, neben Gouverneur Anton Alichanow dem russischen Landwirtschaftsminister Dmitrij Patruschew, vorgestellt. Kurze Zeit später verschwand die Torte ganz aus der Vitrine des Königsberger Stands.

Sehr wahrscheinlich hatte einer der regionalen Beamten die Aufschrift gesehen und aus Furcht, den Zorn der Regierung auf sich zu ziehen, in vorauseilendem Gehorsam darum gebeten, den Schriftzug zu entfernen. 

Das erinnert an die Praxis der Sowjetzeit, als Bilder von Königsberg und Hinweise auf die Vorkriegsgeschichte sorgfältig von der Zensur verfolgt und beschlagnahmt wurden. Anscheinend entschied einer der Regionalbeamten, zu dieser Praxis zurückzukehren.