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01.02.19 / Spielzeuge ohne Provenienz / Museen östlich von Oder und Neiße zeigen historisches Spielzeug ohne Geschichte

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-19 vom 01. Februar 2019

Spielzeuge ohne Provenienz
Museen östlich von Oder und Neiße zeigen historisches Spielzeug ohne Geschichte
Chris W. Wagner

In der Republik Polen gibt es interessante museale Spielzeugsammlungen. Doch der gesellschaftliche und nationale Bezugsrahmen schwebt ausgerechnet im einstigen deutschen Osten im Dunklen. Der niederschlesische Urlaubsort Krummhübel [Karpacz] hatte eigentlich Glück. Der Pantomime, Tänzer, Schauspieler, Choreograf und Regisseur von Weltrang Henryk Tomaszewski schenkte der Stadt 1994 seine Spielzeugsammlung. 1995 wurde aus dieser Schenkung das Spielzeugmuseum Krummhübel gegründet.

Henryk Tomaszewski wurde 1914 als Sohn deutsch-polnischer Eltern in Posen geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm er Schauspielunterricht in Krakau, doch seine Bühnenlaufbahn begann er als Tänzer an der Breslauer Oper. Der schlesischen Metropole blieb er treu und gründete dort 1955 sein Pantomimentheater, dessen Direktor er bis kurz vor seinem Tod war. Er wirkte aber auch am Theater im niederschlesischen Hirschberg [Jelenia Gora]. Für sein kulturelles Engagement in Schlesien wurde ihm 1993 der Kulturpreis Schlesien des Landes Niedersachsen verliehen. 1968 zog Tomaszewski nach Krummhübel, wo er 2001 auf dem Kirchhof der berühmten Stabholzkirche Wang beigesetzt wurde.

Seine der Stadt Krummhübel geschenkte Spielzeugsammlung beinhaltet Exponate, die 300 Jahre Spielzeuggeschichte widerspiegeln. So kann man in Krummhübel neben deutschen Celluloid- und Porzellanpuppen oder Blechspielzeug auch Sammlerobjekte aus Japan, Australien, Mexiko oder Russland sehen, die Tomaszewski während seiner Weltauftritte erwarb. Und eben auf diese Spielzeuge aus aller Welt wird in Krummhübel der Fokus gelegt. Ebenso wird hier das Augenmerk des Betrachters auf das künstlerische Drumherum gelenkt.

Der Theatermensch Tomaszewski schuf für seine Exponate eine Bühne, indem er seinen Freund und Mitarbeiter, den Bühnenbildner Kazimierz Wislak nach Krummhübel holte. Dieser baute für die Sammlung künstlerische Kulissen. Die Vitrinen bekamen Formen von Hausfassaden. So schön dies alles auch wirkt – im Krummhübeler Spielzeugmuseum findet man, bis auf die Miniatur der Kirche Wang, nichts Regionales. Als das Museum 2012 in den stillgelegten Bahnhof Krummhübel umzog, wurde zwar ein „Saal der Bahntradition“ eingerichtet, doch liegt der Fokus allein auf der Geschichte der polnischen Staatsbahn PKP.

Aus Privatinitiative entstand im 80 Kilometer entfernten Bad Kudowa [Kudowa Zdroj] ebenfalls ein Spielzeugmuseum. 2002 präsentierte das Ehepaar Maria und Miroslaw Ozieranski ihre Sammlung der Öffentlichkeit, die heute rund 5000 Exponate umfasst und zu den polenweit größten Spielzeugausstellungen zählt. Ein Schwerpunkt auf Regionales ist nicht vorhanden, jedoch eine „Spielzeug-Rundumschau“ von der Antike bis in die 80er Jahre. 

So bleiben Präsentationen wie in Krummhübel oder Bad Kudowa, wenn auch liebevoll oder künstlerisch wertvoll gestaltet, inhaltlich eher beliebig. Der Wunsch zu erfahren, wie das Leben im Riesengebirge aussah oder womit Kinder im Glatzer Bergland spielten, bleibt unerfüllt. Selbst der naheliegende Blick in das großstädtische preußische Kinderleben von Tomaszewskis Eltern in Posen ist nur für kritische Museumsbesucher angesichts vieler typisch deutscher Fabrikate in Krummhübel nachvollziehbar. Für die Masse dürfte die Schau eher einen Blick in die Kinderstube reicher Europäer, ob nun in London oder Paris, darstellen.

Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick in das Spielzeugmuseum in Kielce. Das 1979 gegründete Museum setzt seinen Fokus auf die Tradition der Volkskunst. Erzeugnisse der regionalen Holzspielzeugwerkstätten finden hier ihren angemessenen Platz. Im Spielzeugmuseum Kielce wird unter anderem Spielzeug berühmter Polen präsentiert, wie den Filzelefanten des Schriftstellers und Nobelpreisträgers Henryk Sienkiewicz. 

Auch wenn solche Exponate einen besonderen emotionalen Wert besitzen, so wird ausgerechnet in Kielce, das bekanntlich nicht im einstigen deutschen Osten liegt, dennoch mit historischem Spielzeug aus Deutschland geworben. Zu den wertvollsten Exponaten des Museums gehören deutsche Wachs- oder Biskuitpuppen aus dem 19. Jahrhundert, historisches Blechspielzeug oder Zinnsoldaten sowie eine „Laterna magica“ der Gebrüder-Bing-Werke aus Nürnberg.