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08.02.19 / Assad wird wieder hoffähig / Nach der Ankündigung der USA, Truppen aus Syrien abzuziehen, ringen viele Akteure um die Kontrolle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-19 vom 08. Februar 2019

Assad wird wieder hoffähig
Nach der Ankündigung der USA, Truppen aus Syrien abzuziehen, ringen viele Akteure um die Kontrolle
Manuela Rosenthal-Kappi

Russland, die Türkei und der Iran haben es sich auf die Fahnen geschrieben, sich für eine Beendigung des Bürgerkriegs in Syrien einzusetzen. Frieden ist noch nicht erreicht, denn der Global Player USA bleibt im Spiel. Assads Position scheint dennoch gesichert. 

 In der deutschen Öffentlichkeit ist es seit der Ankündigung der USA, ihre Truppen aus Syrien abzuziehen, um das Thema auffallend ruhig geworden. Nachdem der US-Senat sich gegen Trumps Pläne zu Truppenabzügen gestellt hat, ist das Thema wieder aktuell. 

Während Donald Trump angekündigt hatte, die US-Truppen aus Syrien abzuziehen, trafen sich die Staatspräsidenten Russlands, der Türkei und des Irans, um über die Machtverteilung im Nachkriegs-  Syrien zu beraten (siehe Seite 1). 

Russland feiert seine Erfolge, berichtet von der Rückkehr von 1000 Flüchtlingen aus dem benachbarten Ausland, Libanon und Jordanien, sowie von seiner humanitären Hilfe in den vom Islamischen Staat (IS) befreiten Städten und verspricht Wie-deraufbauhilfe. Im Internet sind Filme russischer Soldaten zu sehen, die Hilfspakete an die syrische Bevölkerung austeilen. Für den 14. Februar ist ein neues Gipfeltreffen Russlands mit seinen Partnern Iran und Türkei geplant. 

Seit Anfang Januar überwacht die russische Militärpolizei die Gebiete nordöstlich von Manbidsch, die im Dezember von kurdischen Selbstverteidigungskräften an die syrischen Regierungstruppen übertragen wurden. Die Kurdeneinheiten sollen freiwillig weiter nach Osten gezogen sein.

 Es geht also vordergründig nicht mehr darum, den IS zu bekämpfen, sondern um Geopolitik, bei dem auch Israel eine Rolle spielt. Immer wieder führt der jüdische Staat Raketenangriffe auf Stellungen der Hisbollah in Syrien durch, die von Teheran unterstützt werden. Bei der Machtverteilung in der Region mischen viele Akteure mit.

Trump musste für seine vorschnelle Ankündigung, 2000 Soldaten aus Syrien abzuziehen, eine Schlappe einstecken. Der US-Senat unterstützte mit 70 zu 26 Stimmen eine Resolution gegen Trumps Pläne, da der IS noch immer zu Offensiven in der Lage sei.  Der US-Präsident hatte aufgrund scharfer Kritik seitens der US-Geheimdienste seine Pläne zuvor bereits relativiert. Jüngst erklärte er, die abgezogenen Soldaten im Irak stationieren zu wollen, um bei Bedarf schnell wieder in Syrien eingreifen zu können. Von einem Machtvakuum östlich des Euphrat könnte der Erzfeind Iran profitieren. 

Dieses durch den Abzug der US-Truppen entstehende Vakuum würden sowohl Russland als auch der Iran und die Türkei ausfüllen wollen. Für Russland ist dabei primär nicht die militärische und finanzielle Unterstützung des syrischen Machthabers Baschar al-Assad wichtig, sondern die Absicherung seiner Militärbasen im Westen des Landes. Zudem könnte Wladimir Putin Russlands Stellung als Groß- und Schutzmacht untermauern. US-Pläne sehen die Errichtung einer 30 Kilometer breiten Pufferzone entlang der türkisch-syrischen Grenze vor, die über Hunderte von Kilometern vom Euphrat bis zur irakischen Grenze führen soll. Dadurch sollen türkische und kurdische Truppen auf Distanz gehalten werden. Der Türkei sind die USA als NATO-Partner verpflichtet, und die syrisch-kurdischen Partner haben sich im Antiterrorkampf als zuverlässige Alliierte erwiesen. 

Die Kontrolle über diese Pufferzone sollen nach Vorstellungen der Amerikaner Großbritannien, Frankreich und Australien übernehmen. Weiter verlangt die US-Regierung die Rücknahme gefangengenommener IS-Kämpfer in ihre Herkunftsländer. Gerade bei Europäern stößt diese Idee jedoch auf wenig Gegenliebe. Die Befürworter aus den USA verweisen die Europäer bei einer Absage auf eine drohende neue Flüchtlingswelle.

Dagegen will Erdogan, der die kurdische Volksmiliz YPG als verlängerten Arm der auch vom Wes-ten als terroristisch eingestuften PKK sieht, unter allen Umständen verhindern, dass die Kurden unter amerikanischem Schutz einen unabhängigen Kurdenstaat im Norden und Osten Syriens aufbauen. Vor einem Jahr marschierte die türkische Armee in der Stadt Afrin ein, die unter YPG-Herrschaft stand. Gerne wäre Erdogan noch weiter in den Nordosten einmarschiert, um eine eigene Pufferzone zu schaffen. doch daran hinderten ihn die USA, deren Verbündete die YPG im Kampf gegen den IS waren. 

Die türkische Regierung hat im Laufe des Syrienkriegs mehrere Kehrtwenden vollzogen: Mal un-terstützte Ankara die radikalislamische al-Nusra im Krieg gegen Assad, nun bekämpft es diese als Terroristen. Mal war Putin Erdogans Feind, heute ist er sein Freund. Im Blick auf Assad besinnt Erdogan sich neuerlich auf die einstige Männerfreundschaft zwischen beiden. Vor dem Syrienkrieg hatte es eine Annäherung zwischen Damaskus und Ankara gegeben, die beiden Staaten vor allem wirtschaftliche Vorteile gebracht hatte. Im Würgegriff zwischen den USA und Russland konzentriert Erdogan sich nun darauf, eine kurdische Autonomieregion unter Führung der YPG an der türkischen Grenze zu verhindern, anstatt Assad weiter zu bekämpfen. 

Putin erwies sich dabei als Wegbereiter, indem er auf das Adana-Abkommen von 2008 verwies, das der Türkei eine militärische Intervention in Syrien erlaubt, sollte sie bedroht werden. Dieses Abkommen, dem 2003 auch der Iran zugestimmt hatte, habe bis heute Gültigkeit. 

Im geopolitischen Gerangel dürfte die Zukunft der Kurden für den Ausgang des Syrienkonflikts eine zentrale Rolle spielen. Sie sind ein Volk ohne Staat, dessen Siedlungsgebiete sich auf Nordsyrien, die Osttürkei und den Irak erstrecken. Die Volksmiliz YPG, die im Stellvertreterkrieg für den Westen kämpfte, spürt, dass die USA sie fallen lassen wird. Aus Furcht vor türkischen Angriffen verhandelt sie mit Assad. Teile der YPG haben sich bereits der Regierungsarmee angeschlossen, andere laufen zu radikalislamischen Gruppen über. 

Für die Kurden geht es um die nackte Existenz. Im Gegenzug für den Anschluss der YPG an die syrische Armee dürften sie ein Stück Autonomie in der Region erwarten. Laut der Sprecherin der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Lilwa al-Abdallah sind die YPG/SDF-Einheiten zu einem Dialog mit der syrischen Regierung bereit. Die SDF werden von der Kurden-Miliz YPG angeführt. Die Zukunft der Kurden wird derzeit in Damaskus, Moskau und Teheran entschieden. Wohl deshalb wetteifern die Türkei und die YPG darum, mit Assad und Putin zu verhandeln. Frieden wird es in der Region wahrscheinlich erst dann geben, wenn die Kurdenfrage gelöst ist.