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08.02.19 / Gegenwind / Die EU bedroht die Gewaltenteilung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-19 vom 08. Februar 2019

Gegenwind
Die EU bedroht die Gewaltenteilung
Florian Stumfall

Zu den negativ besetzten Begriffen gehört in der allgemeinen politischen Sprachübung neben „Rassismus“ und „Sexismus“ auch „Nationalismus“.  Das Wort wird unbekümmert und ohne eine Gewichtung vorzunehmen verwendet für Erscheinungen wie eine rechtsextreme Staatsideologie bis hin zum Nationalstaatsprinzip. Dieses Prinzip hat die europäische Aufklärung hervorgebracht und bestimmt seither die politische Wirklichkeit weit über Europa hinaus. Doch der Internationalismus hat sich aufgemacht, dem ein Ende zu setzen. 

Das Instrument dafür ist in Europa die Europäische Union. Ihr Weg von der frühen Gründung als eine Wirtschaftsgemeinschaft geht unbeirrt in die Richtung eines transnationalen Zentralstaates mit umfassender Machtfülle. Wäre ein Aufnahmekandidat der EU in seinem Inneren so organisiert wie die Gemeinschaft selbst, so erfüllte er bei Weitem nicht die offiziellen Aufnahmekriterien in Sachen Demokratie und Rechtstaatlichkeit.

Dessen ungeachtet wird der Weg weiter beschritten. Dies geschieht im Wesentlichen dadurch, dass von den Einzelstaaten immer mehr Zuständigkeiten an die Zentrale abgegeben werden. Ganz offen ist dabei die Rede von einem Transfer von Souveränität. Diese wird auf der Ebene der Nationalstaaten immer mehr als deplatziert und nur dann als gerechtfertigt betrachtet, wenn sie in der Zentrale angesiedelt ist.

An diesem Punkt aber stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung staatlicher Souveränität. Als deren Träger wird in den parlamentarischen und präsidialen Demokratien des europäischen Typus das Volk verstanden, das Staatsvolk und nicht etwa die Summe der Bewohner eines Landes. Der Souverän sind also die Staatsbürger in ihrer Gesamtheit, niemand anders. Sie verkörpern den Staat ebenso wie das Staatsgebiet und die Staatsgewalt. Während aber Staatsvolk und Staatsgebiet vorgeordnet, das heißt: ursprünglich vorhanden, sind, geht die Staatsgewalt von einem dieser beiden aus, nämlich dem Staatsvolk.

Die Gesamtheit der Bürger delegiert in einem festgelegten Prozess die Gewalt, die sie verkörpert, an dazu bestallte Organe, die dadurch legitimiert werden, die Staatsgewalt im Auftrage des Staatsvolkes zu exekutieren. Da aber das Staatsvolk der Souverän ist, die Organe ihre Gewalt nur verborgt haben, sind sie nicht berechtigt, diese nach Belieben zu handhaben. Der Souverän bleibt immer der oberste Herr, auch wenn sich das nur in den zyklisch abgehaltenen Wahlen ausdrückt. 

Wenn aber das Staatsvolk der Souverän ist und die Organe, das heißt: Parlament, Regierung und Justiz, diese Souveränität nur im Auftrag verwalten, kann es nicht rechtens sein, wenn eines von ihnen oder alle drei gemeinsam diese entliehene Souveränität weggeben. Man kann nichts verschenken, was einem nicht gehört. Der Verzicht auf die Souveränität durch irgendjemanden anders als das Staatsvolk in seiner Gesamtheit kommt einem Staatsstreich gleich. 

Was sich im Zuge des seit vielen Jahren anhaltenden „mehr Europa“ abspielt, ist rechtswidrig. Niemand hat die Staatsorgane dazu ermächtigt, den Souverän zu entmündigen und sein erstes Recht, das seiner politischen, rechtlichen und kulturellen Existenz, in fremde Hände zu geben. Dass dies dennoch nahezu ohne Widerspruch geschehen kann, liegt darin begründet, dass alle drei, Parlament, Regierung und Justiz, dabei zusammenarbeiten. Sollte in 100 Jahren ein Staatsphilosoph die Analyse der Ära Merkel vornehmen, so wird er zu dem Ergebnis kommen, dass die Kanzlerin sich neben der Regierung, der sie ohnehin vorsteht, auch das Parlament und schließlich die Justiz in ihrer verfassungsrechtlichen Dimension Untertan gemacht hat. Diese Aufhebung der Gewaltenteilung hat die Entmachtung des Souveräns ermöglicht, ja sie war dafür die Voraussetzung. 

Ergänzend hierzu und quasi als Einschub: In der EU-euphorischen Argumentation ist immer nur die Rede davon, dass Zuständigkeiten von Berlin sowie den anderen europäischen Kapitalen aus diesen oder jenen Gründen nach Brüssel verlagert werden müssten. Doch niemand wirft einen genaueren Blick auf diesen Vorgang. Dieser ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass den jeweiligen nationalen Parlamenten Rechte entzogen, diese aber nicht etwa dem Europäischen Parlament zugeschlagen werden, sondern der Kommission. Die Macht verlagert sich also nicht nur in die Zentrale, sondern auch dort an nur eine Stelle, sodass die Konzentration eine doppelte ist. Auch in diesem Zusammenhang erfolgt also eine im nationalen Bereich vorangegangene Auflösung der Gewaltenteilung. Hier aber tritt Lord Acton in Erinnerung mit seinem Wort „Freiheit hängt von der Teilung der Macht ab.“

Vom Bürger wird die Einschränkung der Freiheit indes nicht in ihrer verfassungsrechtlichen Erscheinungsform, sondern erst dann empfunden, wenn es um die ureigenen Belange geht. Gegenwärtig aber geschieht ihre Abschaffung in der Art des steten Tropfens, der den Stein aushöhlt. Die Listen von Eingriffen der EU ins tägliche Leben füllen Bände, von der Quecksilberbirne bis hin zum Verbot des Begriffes „Marmelade“. Doch all diese Beispiele sind jedes für sich zu gering, um eine Bewegung auszulösen, und ihre Gesamtheit hat noch nicht den Status einer kritischen Masse erreicht, jedenfalls nicht in Deutschland.

Anders im europäischen Süden, wo die Völker darüber erbittert sind, mit welcher Rücksichtlosigkeit aus ihrer Sicht Brüssel im Verein mit Berlin den einst souveränen Ländern ihre Finanzpolitik aufgedrängt hat. Die Folgen waren durchaus so, dass sie im täglichen Leben nicht nur spürbar, sondern schmerzlich sind, und seit dem Zweiten Weltkrieg hat Deutschland in weiten Teilen des europäischen Südens keinen so schlechten Namen gehabt wie derzeit. Zentrale Ursache dabei ist neben den materiellen Verlusten auch das Empfinden der Ohnmacht, des Ausgeliefertseins durch den Verlust der Souveränität, des Rechts, über Eigenes eigene Entscheidungen zu treffen. 

Hier wird neben dem staatsrechtlichen ein weiterer Aspekt des Verlusts von Souveränität angesprochen, nämlich der kulturelle. Die NATO-Länder, um es kursorisch zu umreißen, handeln nach der Maxime, dass staatliches Handeln von anderen, das nicht dem des Westens entspricht, unter dessen Vorbehalt steht und gegebenenfalls auch mit Waffengewalt korrigiert werden muss. Diese Art einer kulturellen Diktatur gibt es auch innerhalb der EU, wie die Kluft zwischen Nord und Süd unmissverständlich ausweist. Sie aber zeigt, dass kulturelle Zerwürfnisse noch gefährlicher für eine Gesamtheit sind als noch so schwere Belastungen materieller Art. 

Mag sein, es führe jemand ins Feld, dass der Verzicht auf Souveränität zu Jahrzehnten des Friedens in Europa geführt habe. Gut – auch die USA hatten lange keinen Bürgerkrieg mehr. Doch beide, EU wie USA, tragen ihr aggressives Potenzial nach außen – an Friedlichkeit ist nichts gewonnen. Und was den Einfluss der EU in der Welt angeht, so wird dieser mit jedem Schritt der Zentralisierung kleiner. Mehrere Kraftzentren verschmelzen in der globalen Wahrnehmung zu einem. Dieses aber vergibt seinen geringen Wert zugunsten einer kritiklosen Bindung an die USA.