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08.02.19 / Lotte die Baumeisterin / Gleichberechtigung als TV-Sendungsbewusstsein – Die ARD erinnert an die ersten Bauhaus-Frauen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-19 vom 08. Februar 2019

Lotte die Baumeisterin
Gleichberechtigung als TV-Sendungsbewusstsein – Die ARD erinnert an die ersten Bauhaus-Frauen
Anne Martin

Zum 100. Jubiläum der berühmten Kunstschule „Das Bauhaus“ erinnert die ARD am Mittwoch an den Kampf weiblicher Studenten um künstlerische Gleichberechtigung.

Wer heute das Stichwort „Bauhaus“ hört, dem fallen womöglich Stühle aus Stahlrohr ein, die elegant geschwungenen Corbusier-Liegen, Häuser mit flachen Dächern und strengen Formen, Vorläufer heutiger Wolkenkratzer. 1919 wurde die avantgardistische Hochschule, die Kunst und Handwerk verbinden und Möbel für jedermann schaffen wollte, in Weimar gegründet. 

Woran wohl niemand mehr denkt, das ist die Leistung der Frauen am Bauhaus. Als der Architekt Walter Gropius die Schule eröffnete, immatrikulierten sich im­merhin 500 Künstlerinnen – die Hälfte aller Studenten. Der TV-Film „Lotte am Bauhaus“, den die ARD am 13. Februar um 20.15 Uhr sendet, erinnert an jene Kreativen, die dem Lockruf einer freien künstlerischen Gemeinschaft folgten und dann doch an den Begrenzungen ihrer Zeit scheiterten. Im Anschluss folgt die Dokumentation „Die Bauhaus-Frauen“.

Der Film „Lotte am Bauhaus“, dessen Titel dem Thomas-Mann-Roman „Lotte in Weimar“ angelehnt ist, startet mit einer Gruppe junger Menschen, die nackt durch ein Wäldchen stürmen – Symbol für die Freigeistigkeit, die die Bauhäusler in dem nach dem Ersten Weltkrieg geduckten Land vermissen. 

Hinter der Hauptfigur Lotte Brendel (Alicia von Rittberg), die zusammen mit ihrem Freund Paul Seligmann ein aufsehenerregendes Haus entwirft, verbirgt sich die Bauhaus-Schülerin Alma Buscher. Ihr Schicksal steht stellvertretend für die abgewürgten Karrieren der Bauhaus-Frauen. Denn so avantgardistisch kühn der Zugriff auf Architektur und Design der Schule auch sein mochte – den Mitstudentinnen wurde die freie Entfaltung ihrer Talente verweigert.

„Das weibliche Element soll nicht mehr als ein Drittel einnehmen“, verkündete Gropius 1920. Weil Frauen angeblich nicht dreidimensional sehen können, sollten sie „in der Fläche“ arbeiten und wurden in die Weberei abgeschoben. Kolportiert wird ein Bonmot des Malers und Bühnenbildners Oskar Schlemmer, dessen Bild von der „Bauhaus-Treppe“ heute im New Yorker Mu­seum of Modern Art hängt: „Wo Wolle ist, ist auch ein Weib, und sei es nur zum Zeitvertreib.“

Für Alma, die im Film Lotte heißt, ist das ein Affront. Die Tochter eines Tischlers will mit dem ihr vertrauten Material ar­beiten, kündigt den Job in der We­berei „aus Gesundheitsgründen“ und besteht darauf, in die Holzwerkstatt versetzt zu werden. Dort kreiert sie ein Kinderzimmer, das prompt Furore macht. 

Bisher wurden Kinderzimmer mit ausgedienten Wohnzimmer-Möbeln vollgestellt, Lotte entwirft kindgerechte Allzweck-Möbel, dazu ein Steckspiel in Form eines Schiffes und Wurfpuppen, die sich jedesmal neu formen, wenn sie auf dem Boden landen. „Kinder sollen frei sein!“, so ihr Wunsch.

Aber die Bauhaus-Frauen wurden kleingehalten – auch die Weberinnen, die mit ihren ungewöhnlichen Entwürfen höchst erfolgreich waren. Gunta Stölzl, die die Klasse immerhin als „Meisterin“ unterrichten durfte, kämpfte lange um das gleiche Gehalt und die gleichen Pensionsansprüche wie die männlichen Kollegen – vergebens. 

Die Lorbeeren heimsten die Männer ein. Der Konflikt wird im Fernsehfilm mit dem Bau eines Meisterhauses gezeigt, das von Lotte entworfen, aber letztlich vom Büro Gropius umgesetzt wird. Frauen traut man die Bauleitung nicht zu. 

Alicia von Rittberg gibt ihrer Lotte einen graziösen Charme, der im Widerspruch steht zu ihren burschikosen Mitstudentinnen wie etwa Friedl Dicker, die die wilden Feste der Bauhäusler in Männerkleidern feiert. Manchmal gerät das Bemühen, die Männergesellschaft jener Zeit in all ihrer Borniertheit zu zeigen, allzu holzschnittartig. Dann verhandelt etwa ein Interessent mit Lottes Freund Paul und ignoriert hartnäckig die eigentliche Architektin Lotte, die sich immer wieder vergeblich zu Wort melden will. 

Was die Männer am Bauhaus ihren Mitbewerberinnen genauso wenig zugestehen wollten wie Augenhöhe war die Rolle der Mutter. „Das widersprach dem damals herrschenden Geniekult“, analysiert die Kunsthistorikerin Anja Baumhoff in der anschließenden Dokumentation.

Das Bauhaus, dieser Hort von Aufbruch und Freigeistigkeit, zog 1925 nach Dessau um. Dort baute Gropius seine lichtdurchflutete Hochschule mit genau den Materialen Stahl und Beton, wie sie heute noch verwendet werden. Dort entstanden auch die sogenannten „Meisterhäuser“, die auf Vorgärten und Blumenrabatten verzichteten und sich in ein lichtes Kiefernwäldchen einfügten. In den Vorzeigehäusern lebte, wer am Bauhaus Rang und Namen hatte: Lyonel Feininger, Georg Muche, Wassily Kandinsky, Paul Klee und Ludwig Mies van der Rohe. 

1932 wurde das Bauhaus in Dessau von den Nationalsozialisten zerschlagen. Avantgarde und Freigeistigkeit waren tot, viele Werke von Bauhaus-Protagonisten wie Feininger wurden 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. 

Und die Bauhaus-Frauen? Lotte Brendel alias Alma Buscher, die den Schauspieler Siedhoff geheiratet hatte und Mutter zweier Kinder wurde, verließ das Bauhaus. 1944 starb sie in der Nähe von Frankfurt bei einem Bombenangriff.

Marianne Brandt, deren kühnes Lampen- und Geschirr-Design zu den Ikonen der Bewegung zählte, ging nach Chemnitz und arbeitete dort in einem VEW-Betrieb. Gunta Stölzl zog 1931 in die Schweiz, wo sie eine eigene Handweberei betrieb. 

Tragisch endete die vielseitig begabte Friedl Dicker, deren Arbeiten selbst Gropius einst als „die allerbesten des Instituts“ gelobt hatte. Zunächst nach Prag geflüchtet, folgte sie ihrem jüdischen Mann nach Theresienstadt. Dort gab sie Kindern Mal- und Zeichenunterricht. Als ihr Mann nach Auschwitz deportiert wurde, folgte sie ihm und wurde einen Tag nach ihrer Ankunft ermordet. Ihr Mann überlebte die Deportation. Die von Friedl Dicker versteckten Kinderzeichnungen wurden nach 1945 in einem Koffer zusammen mit ihren Skizzen und Zeichnungen gefunden und in den folgenden Jahren an vielen Orten der Welt gezeigt. 

Auch die Ideen des Bauhauses überlebten die NS-Herrschaft und wurden nicht zuletzt durch die internationalen Studenten nach Kriegsende in die Welt hinausgetragen. László Moholy-Nagy leitete später eine Designschule in Chicago, in Tel Aviv entstand frei nach den Vorgaben des Bauhauses ein ganzer Ortsteil, genannt die „Weiße Stadt“.

P.S.: Das ZDF feiert das Bauhaus-Jubiläum mit der sechsteiligen Serie „Die neue Zeit.“ August Diehl spielt Walter Gropius, Anna Maria Mühe eine seiner Studentinnen. Die Ausstrahlung ist für den Herbst geplant.