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08.02.19 / »Blitzer« haben ein einnehmendes Wesen / Seit 60 Jahren machen Radarfallen Jagd auf Temposünder

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-19 vom 08. Februar 2019

»Blitzer« haben ein einnehmendes Wesen
Seit 60 Jahren machen Radarfallen Jagd auf Temposünder
Klaus J. Groth

Der „neue Kollege“, den die Polizeidirektion Düsseldorf vor 60 Jahren einem staunenden Publikum vorstellte, sah gewöhnungsbedürftig aus. Er hatte drei Beine und ein großes rundes Auge, das stur geradeaus blickte. Das Radargerät VRG 2 von Telefunken sollte Raser das Fürchten lehren und Deutschlands Straßen sicherer machen. Am 15. Februar 1959 wurde zum ersten Mal geblitzt. 

Arglose Autofahrer wunderten sich über das seltsame Ding, das da am Rand der Straße von Düsseldorf nach Ratingen stand. Der Blitzer hatte seinen Spitznamen schnell weg: „Starenkasten“, weil er der Nisthilfe für den schwarzen Zugvogel ähnlich sah. Das VGR 2 kostete 20000 D-Mark und erwies sich als Goldesel für die Kommunen. Geblitzt wurde in den ersten Jahren die Rückfront mit dem Nummernschild. Die Fahrer merkten oft nichts von der Attacke und sprachen von Heimtücke. Das Magazin „Der Spiegel“ schrieb unter dem Titel „Heimlich von hinten“: „Die Rolle der Wegelagerer und Raubritter vergangener Zeiten als Bürgerschreck auf deutschen Straßen wird heute von der Polizei wahrgenommen.“ Die „Rheinische Post“ zeigte sich dagegen von der Technik schwer beeindruckt: „Unabhängig von den Beleuchtungsverhältnissen werden Wagen, Kennzeichen, Geschwindigkeitsanzeige und Verkehrssituation unter Ausschaltung aller menschlichen Fehlerquellen festgehalten.“

Geschwindigkeitskontrollen waren bis zur Entwicklung der Radargeräte ein mühevolles und personalintensives Unterfangen. Zwei Polizisten maßen das Tempo des Autos mit Hilfe von Stoppuhren. Der in den Wirtschaftswunderjahren rasant zunehmende Verkehr mit zahlreichen Unfällen und Verletzten – Ursache war vor allem zu schnelles Fahren – erforderte eine effektivere Methode. Schon 1951 stellte der damalige Verkehrsminister Hans Christoph Seebohm hinsichtlich Rasern fest: „Wir müssen in der Lage sein, derartige Schädlinge, die ständig Unfallgefahr für sauber fahrende Menschen heraufbeschwören, aus dem Verkehr auszumerzen.“ Der ADAC-Verkehrsexperte Professor Ernst Fauner hielt dagegen: „... aber es ist eben praktisch doch sehr schwer, einen Mann, der als Verkehrssünder betrachtet werden muss, rechtzeitig zur Strecke zu bringen. Wie sollte man das machen? Das könnte doch wohl nur mit einem ungeheuren finanziellen Aufwand, mit Einsatz von Kameras und Filmapparaten und dergleichen geschehen.“

Was der Experte für unmöglich hielt, wurde bald Realität. Die Presse druckte alarmierende Zahlen. 1955 starben fast 12000 Menschen bei Verkehrsunfällen. Zum Vergleich: 2015 waren es 3475. Mit Hochdruck wurde bei Telefunken am Prototyp VGR 1 gearbeitet. 1957 hatte er alle Tests bestanden, genau rechtzeitig, um als VGR 2 in Serie zu gehen, denn im September desselben Jahres wurde Tempo 50 in Ortschaften eingeführt. Noch schlimmer kam es am 1. Januar 1958 für alle Freunde des zu schnellen Fahrens. Das Verkehrszentralregister in Flensburg, im Volksmund „Verkehrssünderkartei“ genannt, nahm seinen Dienst auf. Die Anschaffung von Blitzern machte sich meist schon nach kurzer Zeit bezahlt. Sie füllten die Stadt- und Gemeindekassen mit Millionen Mark aus Bußgeldern. Zusätzlich vergaben die Mitarbeiter des Flensburger Amtes gleich im ersten Jahr Strafpunkte für 800000 Verstöße.

Der Starenkasten war von Anfang an verhasst. Er wurde beschmiert, mit Folie geblendet oder umgehauen. Uneinsichtige bezweifelten die Richtigkeit der Messungen. Tatsächlich war die Technik noch nicht ausgereift. In den Anfangsjahren traf der Blitzer auch mal Unschuldige wie ein galoppierendes Pony, eine Taube im Tiefflug und eine Kutsche mit dem Weihnachtsmann. Gemeinte Zielobjekte waren dahinter oder auf der Überholspur fahrende Autos. Foppen ließ sich die Polizei aber nicht. In der Sammlung Kurioses findet sich das Foto eines Hamburger Mofafahrers, der dem Radargerät die Zunge herausstreckte, er stand dabei auf dem Sitz. Der Spaß kostete ihn 175 Euro, drei Punkte in Flensburg und zwei Monate Führerscheinentzug. Selfies vom nackten Popo des Beifahrers nahmen die auswertenden Beamten mit Humor, bestraft wurde nur der Fahrer. 

Das VGR 2 ist längst vom Fortschritt überholt. Hochtechnologie-Blitzer arbeiten mit Lidar (light detection and ranging). Laserstrahlen nehmen die vorbeifahrenden Autos ins Visier. Die Lidar-Technologie steckt in dem Poliscan Speed Tower, das sind die schwarzgrauen Säulen, die arglose Autofahrer zunächst für Kunstobjekte zur Verschönerung des öden Straßenbilds hielten. Eine auf dem Mittelstreifen platzierte Säule – Anschaffungskosten 100000 Euro – kann den Verkehr auf drei Fahrbahnen im Auge behalten und Geschwindigkeiten von zehn bis 250 Kilometern pro Stunde messen. „Blitzeralleen“ aus mehreren Geräten erwischen Fahrer, die nicht ahnen, dass hinter der Säule vor der Säule ist. Der Poliscan Speed Tower der Firma Vitronic ist ein Erfolgsmodell, das in aller Welt Abnehmer findet. Heimlich von vorn sendet der Traffi Star Blitze im Infrarotbereich aus, die das menschliche Auge nicht wahrnehmen kann. Der Gerätehersteller Robot Vision preist ihn als „sanften Blitzer“ an. Die hübschen Fotos gibt es trotzdem.

Auch die Superblitzer sind nicht unfehlbar. Falsche Messergebnisse zu beweisen ist aber schwer. Anwaltskanzleien bieten im Internet ihre Hilfe an. Verkehrsrechtsexperten raten, nur dann vor Gericht zu ziehen, wenn ein Führerscheinentzug droht und der Verlust des „Lappens“ schwerwiegende Folgen hätte. 

Die sicherste Möglichkeit, nicht vom Blitz getroffen zu werden, ist das Tempolimit einzuhalten. Und die einzig legale. Radarwarner sind laut Straßenverkehrsordnung verboten. In Paragraph 23 Absatz 1b heißt es: „Wer ein Fahrzeug führt, darf ein technisches Gerät nicht betreiben oder betriebsbereit mitführen, das dafür bestimmt ist, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen anzuzeigen oder zu stören.“ Das gilt nicht nur für eigens installierte Pieper, sondern auch für Navis mit Warnfunktion und Mobiltelefone mit entsprechender App. Verboten ist nicht die Nutzung der Geräte selbst, aber die der installierten Software.