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15.02.19 / Der Trend hat sich gedreht / Erstmals seit 1990 zeigen neue Bundesländer einen positiven Wanderungssaldo zum Westen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-19 vom 15. Februar 2019

Der Trend hat sich gedreht
Erstmals seit 1990 zeigen neue Bundesländer einen positiven Wanderungssaldo zum Westen
Norman Hanert

Vor zehn Jahren sprachen Bevölkerungswissenschaftler von der Gefahr, dass die östlichen Bundesländer zu einer demografischen Notstandsregion  Europas würden. In Teilen Brandenburgs, aber auch anderswo, zeichnet sich stattdessen seit einigen Jahren eine positive Entwicklung ab.

Laut dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) sind im Jahr 2017 erstmalig seit der Vereinigung mehr Menschen vom Westen der Republik in die östlichen Bundesländer umgezogen, als von dort weggegangen sind. Lässt man die deutsche Hauptstadt weg, lag der positive Wanderungssaldo bei etwa 4000 Personen.

Auf den ersten Blick scheint die Zahl nicht sonderlich beeindruckend. Sie steht allerdings für eine erstaunliche Trendumkehr: Über Jahrzehnte sind Menschen aus den Regionen östlich der Werra weggegangen. Mit der zunehmenden wirtschaftlichen Stabilisierung der neuen Bundesländer ist die Zahl der Wegzüge in Richtung Westen aber Schritt für Schritt zurückgegangen. 

Allein zwischen 1991 und 2013 sind rund 1,8 Millionen Menschen aus den östlichen Bundesländern weggezogen. Anfang der 90er Jahre und um das Jahr 2000 mussten besonders starke Abwanderungswellen verzeichnet werden. In der Altersgruppe zwischen 18 und 29 Jahren haben die östlichen Bundesländer weiterhin große Wanderungsverluste. Dabei spielen die besseren Berufseinstiegschancen und Ausbildungsmöglichkeiten eine wichtige Rolle. Auf der anderen Seite werden die Regionen zwischen Rügen und Vogtland gerade für Familien zunehmend attraktiver. Sie bleiben in ihrer Heimat, oder aber sie ziehen in den Osten. 

Einen positiven Wanderungssaldo melden Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und besonders deutlich  Brandenburg. Das Land nimmt unter den östlichen Flächenländern ohnehin eine Sonderstellung ein, weil hier die Bevölkerungszahl seit der friedlichen Revolution unterm Strich annähernd gehalten werden konnte. Ein wesentlicher Grund: Viele Berliner haben den Fall der Mauer für den Bau eines Eigenheims im Umland genutzt. 

Mittlerweile lässt die Explosion der Berliner Mietpreise viele weitere Hauptstädter über einen Umzug in die Mark Brandenburg nachdenken. Vielerorts liegen die Mieten in den neuen Bundesländern noch immer unter dem bundesweiten Durchschnitt. Verstärkt entdecken aber auch sogenannte 

Rückkehrer ihre alte Heimatregion neu. Gemeint sind damit jene Menschen, die wegen besserer Arbeitsmöglichkeiten nach Westdeutschland oder Berlin gezogen waren. Mittlerweile ist in Brandenburg die Arbeitslosigkeit auf den niedrigsten Stand seit 1991 gefallen. 

Fachkräfte werden inzwischen sogar händeringend gesucht. Regionalforscher beobachten mittlerweile, dass die Bevölkerungszahl auch außerhalb des direkten Berliner Umlands wieder zunimmt. Vor allem Familien zieht es in märkische Städte „in der zweiten Reihe“ wie Eberswalde, Jüterbog und Neuruppin. Damit wachsen auch dort wieder die Bevölkerungszahlen sowie die Steuerkraft und beleben sich die Innenstädte neu.  

Die Entwicklung zeigt, wie begrenzt die Aussagekraft von Vorhersagen sein kann. Das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung hatte vor einigen Jahren gewarnt, dass der Osten der Bundesrepublik zu einer „demografischen Krisenregion Europas“ werde. Auch die Landespolitik hatte sich in der Vergangenheit sehr stark mit Themen wie Entvölkerung und Rück-bau von Infrastruktur beschäftigt. 

Forscher und Politiker hatten seinerzeit nicht auf dem Radar, wie stark die Mieten in vielen deutschen Großstädten steigen und welche Dynamik sich in Berlin entfaltet. Unbekannt waren ebenso der Immigrationsschub der vergangenen Jahre und die inzwischen  wieder steigende Geburtenrate. 

Brandenburgs SPD-geführte Landesregierungen haben seit dem Bestehen des Bundeslandes Entwicklungen immer wieder zu spät erkannt: Leitbild der 90er Jahre war die Idee der dezentralen Konzentration. Damit sollten berlinferne Regionen gefördert werden. Die eingesetzten Mittel für Großprojekte in der Peripherie wären bei der Entwicklung des Berliner Umlands vermutlich wesentlich effektiver zur Geltung gekommen. 

Die Landesregierung erkannte zu spät, welche Chancen im Speckgürtel rund um die deutsche Hauptstadt stecken. Inzwischen wächst der prosperierende Umlandgürtel immer tiefer in die Fläche Brandenburgs hinein. Paradoxerweise könnte nun die Zeit reif sein für das lange Zeit erfolglos betriebene Konzept der dezentralen Konzentration.

Berlin und Brandenburg haben vor Kurzem ein gemeinsames Konzept zur Landesentwicklung auf den Weg gebracht. Grundgedanke ist die Weiterentwicklung des historisch entstandenen Siedlungssterns. Ein Blick aus der Vogelperspektive zeigt, dass Berlin wie ein Stern aussieht, dessen Spitzen tief nach Brandenburg hineinreichen. Beide Länder wollen diese Siedlungsstruktur beibehalten und ausbauen, um einen Siedlungsbrei zu vermeiden. Nachdem der Speckgürtel um Berlin immer dichter besiedelt ist, soll Brandenburg vor allem entlang der sternförmig von Berlin ausgehenden Bahnstrecken wachsen (siehe auch Beitrag unten).