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15.02.19 / Milliardengrab unter der Ostsee? / Kiel gibt grünes Licht für umstrittenen Fehmarnbelt-Tunnel – Gegner stellen Wirtschaftlichkeit infrage

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-19 vom 15. Februar 2019

Milliardengrab unter der Ostsee?
Kiel gibt grünes Licht für umstrittenen Fehmarnbelt-Tunnel – Gegner stellen Wirtschaftlichkeit infrage
D. Jestrzemski

In der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt sind die Planungen für die Hinterlandanbindung des geplanten Fehmarnbelttunnels unter der Ostsee abgeschlossen. Kiel erteilte dem Milliardenprojekt am 28. Dezember 2018 nach wiederholten Verzögerungen die Baugenehmigung. 

Durch die Feste Fehmarnbelt-Querung (FFBQ) soll der Fehmarnbelt zwischen den Inseln Fehmarn auf deutscher und Lolland auf dänischer Seite untertunnelt werden. Die Wasserstraße mit Fährverkehr bildet das einzige Nadelöhr auf dem TEN-T-Streckennetz von Skandinavien durch Deutschland bis Süditalien. Mit den TEN-Strecken (Trans-European Networks/Transeuropäische Netze) hat die Europäische Union einen „Beitrag zur Ent­wick­lung des Binnenmarktes und zur Verbesserung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhaltes der Union“ geschaffen. 

Die EU-Kommission will das Tunnelprojekt als Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes mit 1,4 Milliarden Euro fördern, immerhin mehr als 20 Prozent der Gesamtsumme. Durch den Festlandanschluss Skandinaviens nach dem Tunnelbau wären die deutschen Autobahnen und Bundesstraßen vollends für den europäischen Transitverkehr erschlossen.

Der Baubeginn des 18,6 Kilometer langen, mautpflichtigen Absenktunnels unter dem Fehmarnbelt verzögert sich seit Jahren durch das aufwendige Planungsverfahren in Deutschland für die verkehrstechnische Anbindung des Hinterlands (zweigleisige elektrifizierte Schienenanbindung Puttgarden–Lübeck, Ausbau der B 207 zwischen Puttgarden und Heiligenhafen). Die Finanzierung der Infrastrukturmaßnahme auf deutscher Seite leistet Deutschland laut Staatsvertrag von 2008 durch Steuermittel. 

Anfang Dezember gab der Bundesrechnungshof eine Kostensteigerung von ursprünglich 840 Millionen auf über vier Milliarden Euro bekannt. Mit einem weiteren Anstieg der Kosten ist zu rechnen. Hinzu kommen mehrere Millionen Euro für eine neue Fehmarnsund-Querung. Dänemark obliegen der mit 7,4 Milliarden Euro veranschlagte Bau und die Finanzierung des Ostseetunnels. 

Für Aufsehen hatte am 13. Dezember zudem ein Urteil des Gerichts der Europäischen Union (EuG) in Luxemburg gesorgt. Das EuG hatte den Klagen der Reedereien Scandlines und Stena Line stattgegeben. Diese hatten aufgrund des dänischen Finanzierungsmodells für das Tunnelprojekt mit Staatsbeihilfen wegen Wettbewerbsverzerrung geklagt. Innerhalb von zwei Monaten kann die EU-Kommission Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen. 

Die schleswig-holsteinische Industrie- und Handelskammer (IHK) sieht im Tunnelbau und dem Ausbau der Verkehrswege ein großes Potenzial. Europa werde durch eine feste Fehmarnbelt-Querung „zusammenwachsen“. Vor allem große Unternehmen in Deutschland und Dänemark erhoffen sich Vorteile durch eine Verkürzung der Transportzeiten zwischen Hamburg und Kopenhagen.

Dass sich auch für Pendler bessere Bedingungen durch verkürzte Fahrzeiten nach dem Tunnelbau ergeben, erscheint allerdings fraglich. Wegen der Zunahme des Straßenverkehrs auch auf den Autobahnen ist ein Szenario von Staus und Stockungen während des Berufsverkehrs durchaus realistisch. 

Indessen argumentieren die Gegner der FFBQ, der Belttunnel habe keinen volkswirtschaftlichen Nutzen. Er werde auf der sogenannten Vogelfluglinie nicht gebraucht, da es eine voll funktionsfähige und emissionsreduzierte Fährverbindung zwischen Rødby und Puttgarden gebe, die im 30-Minuten-Takt den Fehmarnbelt in 45 Minuten quert. Das heutige Verkehrsvolumen werde dadurch völlig abgedeckt. 

Mit Umweltschäden und wirtschaftlichen Nachteilen für die Region Ostholstein rechnen die selbsternannten „Beltretter“. We­gen des Bahnlärms durch die pro Tag prognostizierten 120 Züge, davon 78 Güterzüge, befürchtet das Aktionsbündnis einen dramatischen Rück­gang des Tourismus in Ostholstein. 

Die Verkehrsprognosen zur Rechtfertigung des Milliardenprojektes sind nicht schlüssig. Die IHK Lübeck sagt für die „Wachstumsregion“ eine Zunahme des Verkehrs über den Fehmarnbelt von 4220 (im Jahr 2015) auf 7900 Pkw täglich bei der avisierten Betriebsöffnung des Tunnels im Jahr 2028 voraus, bei Lkw von 1070 auf 1520 und bei Bussen von 

79 auf 93. Später werde der „zunehmende Verkehr über Fehmarn eher über Züge“ erfolgen. Auch die Dänen rechnen mit 9500 Fahrzeugen täglich nach Eröffnung des Tunnels. Erst nach 25 Jahren werde diese Zahl auf 15000 wachsen.

Bei den Zahlen zum erwarteten Zugverkehr ruderte der Vorhabenträger Femern A/S hingegen stark zurück. Banedanmark, die dänische Gesellschaft für Eisenbahninfrastruktur, geht von nur 17 Güterzügen und 24 Personenzügen täglich ab Betriebsöffnung aus. Aus diesem Grund wurde der Amortisierungszeitraum auf 36 Jahre verlängert. 

Intern rechnen die dänischen Planer aber schon für einen früheren Zeitpunkt als verlautbart mit einer deutlichen Verdreifachung des derzeitigen Fahrzeugtransports auf der Fährroute Rødby-Puttgarden. In einem Interview mit dem Radiosender Deutschlandfunk Kultur im Juli 2017 verglich der Vorsitzende der dänischen Organisation Femern Belt Development, Holger Rasmussen, die kontroverse Diskussion in Dänemark vor dem Bau der Storebælt-Brücke über den Großen Belt (zwischen Fünen und Seeland) mit mautpflichtiger Autobahn und Eisenbahnverbindung mit der in Deutschland über die seit Jahren umstrittene FFBQ. Die Storebælt-Brücke wurde 1998 eröffnet.

„Zuvor war der Transportkorridor (mit Fähren) über den Großen Belt nur 8000 Fahrzeuge jeden Tag. Jetzt sind es über 34000 Autos jeden Tag, die diese Querung machen. (2010 waren es bereits 30000.) Und das wird auch hier (gemeint ist der Fehmarnbelt) passieren“, erklärte Rasmussen dem Sender. Für den Verkehr über die FFBQ ergäbe sich damit eine Frequenz von 17000 Fahrzeugen vielleicht schon wenige Jahre nach Inbetriebnahme des Tunnels. Tendenz steigend. 

Bei der EU-Kommission dürfte dennoch die Wirtschaftlichkeit des Mega-Bauprojekts und damit die Milliardenförderung erneut auf den Prüfstand kommen. Geprüft werden müsste auch ein möglicher Verstoß gegen den EU-Grundsatz „From road to rail“, also die angestrebte Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Das EU-Geld für die TEN-Strecken ist ausdrück­lich für eine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene vorgesehen.