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15.02.19 / Wenn die Wörter kopfstehen / Durch die absichtliche Verwirrung der Begriffe soll Kritik erstickt und Freiheit zerstört werden

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-19 vom 15. Februar 2019

Wenn die Wörter kopfstehen
Durch die absichtliche Verwirrung der Begriffe soll Kritik erstickt und Freiheit zerstört werden
Erik Lommatzsch

Toleranz, Weltoffenheit, Hass, Hetze, Haltung: Viele einst eindeutige Begriffe scheinen ihren Sinn verloren zu haben. Sie werden missbraucht von ideologischen Grabenkriegern, die ihre Bedeutungen gezielt auf den Kopf stellen.

„Sie sind intolerant!“ Mit dieser Anschuldigung stand man auch früher schon vor einem klassischen Dilemma. Das Ganze auf sich sitzen zu lassen hieße, die Intoleranz direkt zuzugeben. Bei einem Widerspruch erwiese man sich ebenfalls als intolerant, indem man dem Gegenüber nicht seine Meinung belasse. Andererseits konnte man derartig provokante Spitzen von Besserwissern auch mit einem genervten Schulterzucken abtun – „dann bin ich eben intolerant“.

Heutzutage wäre das nicht mehr so leicht möglich. Der Vorwurf der „Intoleranz“ ist politisch und gesellschaftlich äußerst aufgeladen. Mit der ursprünglichen Bedeutung des Wortes – ob und inwieweit man bereit ist, andere Überzeugungen gelten zu lassen, auch wenn man sie für sich selbst nicht annimmt – hat der gegenwärtige Toleranzbegriff kaum noch etwas gemein. 

Viele okkupieren das Wort zum einen, um sich politisch selbst ins rechte Licht zu rücken. Wer die Toleranz auf seiner Seite hat, und sei es nur als folgenfreie Worthülse, ist der „Gute“. Da schreckt beispielsweise die FDP auch vor logisch unsinnigen Sätzen wie „Toleranz gegenüber der Intoleranz darf es nicht geben“ im Rahmen ihrer Forderungen „Respekt vor Grundrechten und Rechtsstaat“ nicht zurück. 

Zum anderen gibt es neuerdings als Variante der „Guten“, also derjenigen, die sich moralisch auf der richtigen Seite sehen, zusätzlich den Begriff der „Null-Toleranz“. Dadurch grenzt man sich mit Nachdruck von Dingen ab, denen nun wirklich niemand zuzustimmen vermag, und wertet sich selbst noch stärker auf. Wenn man es zu Ende denkt, handelt es sich eigentlich um eine Vermessenheit. Denn wie genau soll die „Null-Grenze“ zum Ausdruck kommen? Etwa durch Waffengewalt? Glücklicherweise braucht man darüber nicht weiter zu sinnieren, der Begriff erweist sich als Kampf-Rhetorik und mithin als leere Phrase.

So etwa, wenn Angela Merkel sich das Ganze zu eigen macht. Zum diesjährigen „Gedenktag der Opfer des Nationalsozialismus“ wurde verkündet: „Kanzlerin fordert null Toleranz für Antisemitismus und Hass.“ Warum sie eben diese Dinge quasi direkt vor ihrer Kanzleramtshaustür, am Brandenburger Tor, im klassischen Sinne seit Jahren toleriert, bleibt ein Rätsel. Selbst der „Spiegel“ weiß immer wieder zu berichten, dass es genau dort zu massiven antisemitischen Demonstrationen kommt. 

Als es seinerzeit gegen die Anerkennung Jerusalems als israelische Hauptstadt ging, wurde unweit von Merkels Amtssitz gerufen, dass die Juden sich in Acht nehmen sollten, „die Armee Mohammeds wird zurückkehren“. Bereits 2014 waren Parolen wie „Hamas, Hamas, Juden ins Gas“ zu vernehmen. 

Spricht die Polizei von einer „Nulltoleranz-Linie“ bei ihrem Vorgehen gegen Clan-Kriminalität in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Januar, so soll das äußerste Entschlossenheit signalisieren. Aber wie konnte es dazu kommen, dass derartige Parallelstrukturen über Jahrzehnte überhaupt entstanden, die nun mit einer markig überschriebenen Aktion eher symbolisch bekämpft werden? War etwa die Toleranz zu groß? 

Ähnlich unreflektiert verhält es sich mit dem Begriff „Weltoffenheit“. Es sind unter anderem immer wieder Universitäten, die sich mit dieser Zuschreibung schmücken. An sich eine peinliche Banalität, sollte es doch selbstverständlich sein, dass eine Einrichtung der akademischen Lehre und Forschung kaum nach irgendeiner Seite hin von vornherein „verschlossen“ ist. Andererseits gemahnt ein pauschales Gerede von „Weltoffenheit“ an die simple Weisheit: „Wer für alles offen ist, kann nicht ganz dicht sein.“ 

Insofern wäre der Begriff der „Weltzugewandtheit“ wesentlich passender – alles anschauen, sich mit allem auseinandersetzen, aber eben nicht unbedingt alles einströmen lassen und dauerhaft aufnehmen.

Bei „Hass“ handelt es sich ursprünglich um eine besonders starke Form der Abneigung, die auch zu Handlungen bis hin zum physischen Angriff führen kann. „Hetze“ beinhaltet sachlich falsche und herabsetzende, auf Emotion abzielende Attacken. 

Heute aber gilt wie auch immer geartete Kritik gegenüber der von der Bundesregierung und den „überzeugten Europäern“ als moralisch einzig richtig vorgegebenen Linie als „Hass“ oder „Hetze“. Dagegen gibt es dann auch belehrende Kompendien in Buchform, wie etwa „Gegen den Hass“ von Carolin Emcke. Die Autorin hat 2016 den „Friedenspreis des deutschen Buchhandels“ erhalten. Dutzende von Internetseiten bieten Informationen, wie man gegen „Hassbotschaften“ in der Welt der sogenannten sozialen Medien vorgehen könne. 

Die Bundesregierung hat mit dem seit Anfang 2018 geltenden „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ eine juristische Handhabe geschaffen, um Unliebsames zu unterbinden. Die tschechische EU-Kommissarin Vera Jourovà erklärt da auch schon mal: „Illegale Hetze im Internet ist nicht nur eine Straftat, sie stellt auch eine Bedrohung der freien Meinungsäußerung und der demokratischen Gesellschaft dar.“ Ob „legale Hetze“ folglich keine Straftat ist, mag das Geheimnis von Frau Jourovà bleiben. 

Wichtiger als dieser Unsinn ist die immer mehr in den Hintergrund gedrängte Tatsache, dass Freiheit und Demokratie davon leben, dass auch Unerwünschtes, ja sogar Unanständiges und selbst Unwahres geäußert werden darf – ohne dass dies Sanktionen seitens des Staates zur Folge hat.

Aber „Demokratie“ gehört – ebenso wie „Toleranz“ und „Weltoffenheit“ – seit einiger Zeit zu den vereinnahmten Begriffen. „Demokratie“ ist, was den derzeit Regierenden und den sie stützenden Medien lieb ist und nützt. Die SPD-Zeitung „Vorwärts“ zitiert den Politologen Christoph Butterwegge in einem Bilanzinterview anlässlich des ein Jahr zuvor stattgefundenen Einzugs der AfD in den Bundestag mit den Worten, dass deren Präsenz im Parlament „keine Bereicherung, sondern eine Belastung des parlamentarischen Systems und letztlich eine Bedrohung der Demokratie“ sei. 

Nicht nur der dezidiert linke Professor betont immer wieder, dass es sich bei der AfD um eine „undemokratische“ Partei handle. Wieso eine Partei, die klar auf dem Boden des Grundgesetzes steht und im demokratischen Wettbewerb mittels Wahlen Parlamentssitze errungen hat, im Unterschied zu allen anderen gewählten Parteien „undemokratisch“ sein soll, erschließt sich wohl am ehesten, wenn man hinter derartigen Zuschreibungen Stigmatisierungsabsichten und Angst um die eigenen Mehrheiten erkennt.

Ein ähnliches Schicksal hat der Begriff „Haltung“ (früher auch „Rückgrat“, aber dieses Wort ist anscheinend weitgehend außer Gebrauch) durchlaufen. Eigentlich beschreibt es die aufrechte Verteidigung eines Standpunktes. Neuerdings umschreibt die politisch richtige „Haltung“ für viele Journalisten, dass ihnen Ideologie wichtiger zu sein hat als Tatsachen. Da ist der über seine erfundenen Reportagen gestürzte, vorher jedoch mit Preisen überschüttete „Spiegel“-Journalist Claas Relotius nur die Spitze des Eisbergs. 

Doch man muss nicht unbedingt auf ein großes deutsches Nachrichtenmagazin verweisen, wenn es um den Begriff „Haltung“ geht. Gerade eben warb die „Pforzheimer Zeitung“ für ein Konzert mehrerer Musiker: „Let’s get loud.“ Natürlich ist der Titel englisch, und ebenso natürlich für unsere Zeit ist die Ankündigung: „Künstler wollen Haltung gegen Rechts zeigen.“

Der Bedeutungswandel der Begriffe im Fahrwasser der Ideologen nimmt immer absurdere Formen an. In der „Zeit“ lässt die Zwischenüberschrift „Die Klimaleugner haben einen Keil zwischen Wissenschaft und Medien getrieben“ aufmerken. Worauf soll man noch hoffen, wenn nicht einmal der einst altehrwürdigen Hamburger Wochenzeitung auffällt, dass das Wort „Klimaleugner“ unglaublicher Blödsinn ist?