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15.02.19 / Gestörtes Gedenken / In Glatz wurde von Unbekannten eine Gedenktafel entfernt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 07-19 vom 15. Februar 2019

Gestörtes Gedenken
In Glatz wurde von Unbekannten eine Gedenktafel entfernt
Chris W. Wagner

In der Nacht vom 26. auf den 27. Januar ist von einem Obelisk zum Gedenken an die Glatzer Synagoge die Informationstafel demontiert worden. War dies nun eine Provokation oder ein gewöhnlicher Diebstahl, fragt das Portal „Nasze Miasto“ (Unsere Stadt), denn die Tafel ist in der Nacht vor dem Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts verschwunden.

Einwohner vermuten, dass die Tafel längst im Alteisenhandel verschwunden sei. Die Schrauben, die die Tafel befestigten, seien sauber abgefeilt worden, so als ob man die Tafel nicht hätte beschädigen wollen, zitiert das Portal. Bei einer Provokation würde man wohl anders vorgehen, so die überwiegende Meinung.

Auch eine Begutachtung durch die Polizei, Staatsanwaltschaft und eines hinzugezogenen Steinmetz hat eine professionelle Entfernung der Tafel offenbart. Die Zeitung Gazeta Wyborcza zitiert Jan Salacki, den Leiter der Glatzer Kreisstaatsanwaltschaft (Prokuratura Rejonowa): „Im Moment wissen wir noch nicht, was der Grund des Diebstahls ist. Erst wenn wir die Täter gefasst haben, werden wir die Motive ihrer Tat feststellen“.

Horst Ulbrich, Chef des Deutschen Freundschaftskreises in Glatz, bekundet in seinem Internetblog, er würde sich in deutsch-polnischer Kooperation für eine neue Tafel einsetzten und kündigte einen baldigen Spendenaufruf an. 

Der Gedenkstein in der Grünen Straße (ul. Wojska Polskiego) wurde an der Stelle angebracht, wo die 1884–85 erbaute Synagoge stand. Den Bau der Synagoge veranlasste die jüdische Gemeinschaft, die sich um 1825 in Glatz gründete. Im September 1885 wurde dann die nach den Plänen des in Breslau wirkenden Architekten Albert Grau erbaute Back-steinsynagoge eingeweiht. Diese wurde am 9. November 1938 wie viele andere im Reich durch einen nationalsozialistischen Brandanschlag zerstört.

In den Nachkriegsjahren entstand in Glatz wieder eine etwa 2000 Menschen zählende Gemeinde. In den Folgejahrzehnten verließen aber die allermeisten wieder ihre neuen Wohnsitze, sodass um 1960 nur noch knapp 200 Juden in Glatz lebten, berichtet das Portal Jüdische Gemeinden im deutschsprachigen Raum. Zehn Jahre später hatte die gesamte neue jüdische Bevölkerung Glatz wieder verlassen.

1995 ist aus Initiative des ehemaligen Glatzers Reinhard Schindler dort, wo einst die Sy-nagoge stand, ein Gedenkstein gesetzt worden. Eine Bronzetafel erinnerte in Polnisch, Hebräisch und Deutsch an das zerstörte Gebetshaus. Die Inschrift lautet: „Hier stand die Glatzer Synagoge, entweiht und verbrannt durch die Nationalsozialisten in der Pogromnacht des 9. November 1938. Ehemalige deutsche und heutige polnische Bürger 1995 – 50 Jahre nach Kriegsende“. 

An die zerstörte Glatzer Sy-

nagoge erinnert derzeit eine Ausstellung, die bis zum 10. März im Dokumentationszentrum Topographie des Terrors, Niederkirchnerstraße 8 in Berlin-Kreuzberg gezeigt wird. Sie heißt „Kristallnacht – Antijüdischer Terror 1938. Ereignisse und Erinnerung“. Im Katalog zur Ausstellung ist über Glatz zu lesen: „Der genaue Verlauf des Novemberterrors im schlesischen Glatz lässt sich nur in Umrissen nachzeichnen. Die Stadt gehört seit 1945 zu Polen. Ihre deutsche Bevölkerung verstreut sich nach der Vertreibung auf viele Orte auf dem Gebiet der späteren Bundesrepublik und der DDR. Nationalsozialistische Täter werden offenbar nicht angezeigt. Deutsche Justizverfahren sind nicht nachzuweisen. Zeitzeugenberichte und eine Fotoserie zeigen jedoch auf, dass die Synagoge am Vormittag des 10. November 1938 unter den Augen Schaulustiger angezündet wird und niederbrennt. Möglicherweise war bereits in der Nacht ein erstes Feuer gelegt worden. Vom Brand der Synagoge Grüne/Ecke Wallstraße existieren zahlreiche Fotos, die der damalige Drogerielehrling Günter Veit (1920–74), dessen Ausbildungsbetrieb in der Grünen Straße 12 schräg gegenüber der Synagoge lag, aufgenommen hat“. 

Das Glatzer Stadtmuseum ist seit Jahren bemüht, zusammen mit Schülern und Glatzer Hobbyhistorikern die Geschichte der Stadt aufzuarbeiten. So hat das Museum am Vorabend der Pogromnacht, am 8. November in einer Gedenkveranstaltung an die Ereignisse in Glatz vor 80 Jahren erinnert. Im Anschluss an diesen Gedenkabend, an dem auch der Bildhauer, Kunsthistoriker und Architekt Gerhard Roese aus Darmstadt teilnahm und sein Aluminiumguss der Glatzer Synagoge präsentierte, versammelten sich die Teilnehmer am Gedenkstein. 

Ob bis zur nächsten Novembergedenkstunde eine neue Tafel an die Synagoge erinnern wird, ist fraglich. Für den Aktivisten und Lokalhistoriker Henryk Grzybowski ist das Verschwinden der Tafel „eine Schande, denn es

 geht hierbei nicht um nationale Fragen, sondern um das Erbe des Glatzer Landes. Und wenn jemand dies zerstört, zerstört er die Erinnerung an unser gemeinsames Erbe“, sagte er gegenüber Gazeta Wyborcza.