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22.02.19 / Verhör in Havanna

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-19 vom 22. Februar 2019

Verhör in Havanna
Michael Leh

Eineinhalb Stunden dauert das erste Verhör. Am Vor-abend hatte ich mich mit kubanischen Regimegegnern getroffen. Darunter war René Gomez, ein sehr bekannter Dissident, der bereits zweimal im Gefängnis gewesen ist. Man hat ihn aus der Rechtsanwaltskammer geworfen. Mit Ariel Ruiz traf ich mich ebenfalls, einem Molekularbiologen und Naturschützer. Wegen Kritik am Regime verlor er seine Stelle als Professor an der Universität Havanna. Als ich mich auch noch mit Jacqueline Heredias Morales traf, eine der „Damen in Weiß“, die sich für die Freilassung politischer Häftlinge einsetzen, tauchten zwei Leute der kubanischen Stasi in Zivil direkt unter dem Balkon der kleinen Ferienwohnung auf. Sie waren ihr gefolgt und unterbrachen unser Gespräch. Beim Frühstück am nächsten Morgen überbrachte mir Vermieter Felipe die offizielle Vorladung der Polizei, eine „Citacion oficial“, unterzeichnet von einem Hauptmann. 

Das Verhör war hart und penibel. Es waren drei Vernehmer am Tisch in der Amtsstube. Das Wort führte vor allem ein etwa 30-Jähriger mit Vornamen Oscar. An der Wand hing ein großes gerahmtes Bild von Fidel Castro – wie in einem Film, schoss es mir durch den Kopf. Was machen Sie in Kuba? Wieso treffen Sie sich mit Oppositionellen? Diese werden alle von den Amerikanern bezahlt! Sie verstoßen gegen kubanisches Recht! Wir wissen, dass Sie Interviews geführt haben. Haben Sie das Aufnahmegerät und ihre Kamera dabei? Woher haben Sie die Adressen und den Kontakt zu Gomez? Zu Ruiz? Zu Here-dias?

Das vor allem wollten sie genau wissen. Ich dachte jedoch nicht daran, dies preiszugeben. Mal erfand ich rasch etwas, mal machte ich wahre Angaben, mal halb wahre. „Wir sind keine Deppen“, herrschte mich Vernehmer Oscar einmal scharf an. 

Alles, was ich sagte, wurde genauestens notiert. Als ich sagte, meine Cousine hätte einmal Urlaub auf Kuba gemacht und gesagt, ich solle doch unbedingt einmal die schöne Insel besuchen, wollte Oscar doch tatsächlich auch noch den Namen meiner Cousine wissen und notierte ihn. 

Auf jede Frage musste ich ja etwas antworten. Vor allem sorgte ich mich um meine Aufzeichnungen, die ich retten wollte. Als der Vernehmer auch noch wahrheitswidrig behauptete, ich hätte Jaqueline Heredias ein Notebook übergeben, fragte ich mich, was wohl noch käme. Bei dieser Frage wollten sie vielleicht nur auf den Busch klopfen. Auf kubanischem Boden war ich aber ganz in der Hand des Regimes. Noch kurz vor dem Abflug in Havanna wurde ich am Flughafen erneut verhört, auch als mein Koffer schon aufgegeben war, und muss-te den Reisepass und die Bordkarte noch einmal abgeben.