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22.02.19 / Gegenwind / »Regime Change« in Venezuela

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-19 vom 22. Februar 2019

Gegenwind
»Regime Change« in Venezuela
Florian Stumfall

Politiker wie der venezolanische Präsident Nicolas Maduro machen es ihren Kritikern mehr als leicht. Sie präsentieren eine Fülle an Eigenschaften, die zu leidenschaftlichem Widerspruch anregen. Korrupt, inkompetent, kleptokratisch, brutal und sozialistisch, wie sie sind, lassen sie auch einen emotional nicht beteiligten Beobachter den Reiz erahnen, der darin liegen müsste, so jemandem das Handwerk zu legen. Doch davor schützt ein Staatsoberhaupt das Völkerrecht, die sogenannte Staatenimmunität.

Allerdings ist dieser Schutz in der Wirklichkeit des internationalen Rechts mehr und mehr brüchig geworden. Wer die Staatenimmunität bemüht, täte gut daran zu formulieren: „Einst schützte …“ Tatsächlich hat sich der Rechtsbrauch eingebürgert, dass bei sogenannten Kernverbrechen wie Völkermord, das Führen von Angriffskriegen oder aber Verbrechen gegen die Menschlichkeit Strafverfahren vor internationalen Gremien als rechtens erachtet werden. 

Die aktuelle Entwicklung in Richtung einer Einschränkung der Staatenimmunität kommt den USA gleich in zweierlei Hinsicht entgegen und wird daher von Wa-shington stark befördert. Zum einen entspricht sie der Neigung der Weltmacht, die Welt nach eigenem Gutdünken zu richten und abzuurteilen. Zum anderen bleiben die USA selbst von jeder Strafverfolgung ausgenommen. Keiner der acht Kriege, die sie derzeit offiziell führen, gibt Anlass zur Klageerhebung, auch nicht die Vernichtung von Zivilisten in großem Umfang durch die Drohnen-Bombardements oder aber die Verwendung von Uran-Munition.

Allerdings trifft auch keiner der genannten Tatbestände der sogenannten Kernverbrechen auf Maduro zu, den die USA gerne aus dem Amt jagen möchten. Hier zeigt sich die Vereinnahmung des Völkerrechts durch die USA als untauglich. Deshalb greift man hier zu einem anderen altbewährten Mittel. Es ist das, welches man vorübergehend als die Farbrevolutionen bezeichnet hat und das mit dem Putsch in der Ukraine im Jahre 2014 einen blutigen Höhepunkt gefunden hat. 

Mittlerweile hat sich die Methodik der Farbrevolutionen sehr verfeinert. Jefferson Morley, investigativer Journalist, der sich seit über 15 Jahren mit der CIA anlegt, langjähriger Redakteur der „Washington Post“ sowie Chefkorrespondent des „Deep State“, einem Projekt des Independent Media Institute in Washington, hat sieben Punkte aufgeführt, die sich stets und zum Teil vollzählig in der Agenda eines von außen inszenierten Staatsstreiches wiederfinden.

Als erstes nennt er die Zusammenarbeit mit örtlichen Nachrichtendiensten, eine Aufgabe, die im Regelfall der CIA zukommt. Der frühere Präsident Hugo Chavez hatte zwar die Dienste des Landes von US-infiltrierten Offizieren gesäubert, doch war die Infiltration damit nicht zu Ende. Die CIA rekrutierte immer wieder neue Leute. 

Eine zweite Aufgabe im Rahmen eines Regierungssturzes ist es, „Demokratie-Bewegungen“ und Aktionen zum „Schutz der Menschenrechte“ in Gang zu setzen. Vor allem in diesem Bereich kommt das „National Endowment for Democracy“ (NED) zum Einsatz. Dabei handelt es sich angeblich um eine Nichtregierungsorganisation, die sich um die Verbreitung der Demokratie müht. Tatsächlich ist sie eine  teils vom Weißen Haus, teils aus CIA-Drogen-Geldern finanzierte CIA-Untergliederung, die in enger Verbindung mit George Soros’ „Open Society“ steht, die ähnliche Vorhaben vorschützt und dieselben Ziele verfolgt, nämlich Umsturz, wo es im Sinne der USA ist. In der Ukraine waren beide Organisationen maßgeblich am Putsch beteiligt.

Dazu gehört drittens die Gründung von neuen örtlichen Gruppierungen, die gegen die Regierung arbeiten. So wurde in Venezuela die Partei „Volkswille“ (Voluntad Popular) gegründet, die sich die Destabilisierung des Landes zum Ziel gesetzt hat. Die Finanzierung solcher Gruppen geschieht durch die CIA, soll aber geheim bleiben. Von 2010 an haben die „United States Agency for International Development“ (USAID) und das NED jährlich 40 bis 50 Millionen US-Dollar an die Opposition in Venezuela gegeben, dies berichtet jedenfalls die spanische Denkfabrik FRIDE. 

Genauso verfährt man mit bereits bestehenden politischen Parteien aus dem oppositionellen Lager. Auch sie werden mit Geld geködert und der Bewegung angegliedert. Hilfe erhalten diese Gruppierungen auch von US-Denkfabriken. Im Fall Venezuela sind es derzeit vor allem der „Atlantic Council“ und das „Center for Strategic and International Studies“, die den Umsturz vorantreiben. 

Ein Bekenntnis zur Gewalt und  die Mahnung, niemals die Niederlage in der kubanischen Schweinebucht zu vergessen, schließen den Katalog ab, der in Venezuela ebenso umfänglich Anwendung findet, wie er das vorher schon anderswo getan hat, vor allem in Lateinamerika.

Morley zitiert den früheren CIA-Ana-lysten und Fachmann für Lateinamerika Mel Goodman. Dieser sagt zum aktuellen Fall Venezuela: „Anders als in Syrien und Afghanistan haben wir hier eine klare Führerschaft des Präsidenten. CIA-Chefin Gina Haspel weiß, was von ihr erwartet wird. Ihre ganze Karriere war Angriff und Sie können sicher sein: Hier wird das nicht anders.“ 

Selbstverständlich tut es bei einem von außen durchgeführten Regime Change (Regime-Wechsel) not zu wissen, wen man anstelle des bisherigen Machthabers installieren will. Die CIA hält ganze Legionen von Aspiranten in Reserve, weltweit, und meist sind es Leute, die man seit ihren Studienzeiten begleitet und am langen Faden geführt hat. So auch beim venezolanischen Beispiel Juan Guaido. Er studierte an der George-Washington-Universität in Washington D.C. Sein Fach: „Governance and Political Management Program“ (Programm für Kontrolle und politisches Management). Sein Tutor war der neoliberale Ökonom Luis Enrique Berritzbeitia, früher Executiv-Direktor des Internationalen Währungsfonds.

Personelle Vorbereitungen solcher Art bleiben zunächst geheim. So war auch Guaido bis vor Kurzem in seiner Heimat kaum bekannt. Der venezolanische Journalist Diego Sequera des investigativen Organs „Mision Verdad“ schreibt: „Guaido ist außerhalb Venezuelas mehr bekannt als innerhalb, speziell in der elitären Ivy League und den Washingtoner Zirkeln.“ Die Ivy League ist eine Sport-Vereinigung von acht US-Elite-Universitäten. 

Gestern noch so gut wie unbekannt, wurde Guaido durch einen Anruf des US-Vize-Präsidenten Mike Pence über Nacht zu einem Begriff für die ganze Welt. Die Folge ist, dass es bald gegen 100 Staaten sind, die Guaido als Präsidenten von Venezuela anerkennen. Auf purem Glück beruhen Karrieren solch auffälliger Art in nur ganz seltenen Fällen. Der unblutige Umsturz scheint gelungen, so der bisherig Eindruck. Doch die USA überlassen nichts dem blinden Zufall. Schon ist geplant, in das Venezuela benachbarte und den USA ergebene Kolumbien 5000 GI zu entsenden, die im Bedarfsfall sofort eingreifen könnten. 

Es wäre nicht das erste Mal in Lateinamerika. Nur stichwortartig die wich-

tigsten militärischen Überfälle der USA: Guatemala 1953 bis 1990; Britisch-Gua-yana 1953 bis 1964; Brasilien 1964 bis 1984; Dominikanische Republik 1963 bis 1966; Kuba seit 1961; Chile 1964 bis 1973; Nicaragua 1979; Grenada 1983; Panama 1989; El Salvador 1980 bis 1992.

Jede dieser Kombinationen aus Orts- und Zeitangaben steht für Gewalt, Tod und Verwüstung. Wäre es den USA tatsächlich, wie vorgeschützt, um die Verbreitung von Freiheit und Demokratie gegangen, so wäre Lateinamerika längst ein Muster-Kontinent.