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22.02.19 / Wie gewonnen, so zerklüngelt / Kölner Kulturprominenz verekelt designierten Leiter des Schauspielhauses – Der sagt dankend ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-19 vom 22. Februar 2019

Wie gewonnen, so zerklüngelt
Kölner Kulturprominenz verekelt designierten Leiter des Schauspielhauses – Der sagt dankend ab
Siegfried Schmidtke

Köln hat Kultur: tolle Museen, eine phantastische Philharmonie, eine wunderbare Oper und ein ausgezeichnetes Schauspielhaus. Dazu ein Stadtarchiv, das als größtes nördlich der Alpen ... Punkt. Ende der Stadtmarketing-Werbeeinblendung. Die Realität sieht so aus: Köln hat marode Museen, ein eingestürztes Stadtarchiv, Opern- und Schauspielhaus als Dauerbaustelle und nun auch noch eine vakante Schauspiel-Intendanz ab 2021.

„Dr. Carl Philip von Maldeghem wird Intendant des Schauspiels Köln.“ Das verkündeten voller Freude und Stolz die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und die Kulturdezernentin Susanne Laugwitz-Aulbach am 24. Januar auf einer Pressekonferenz. Der 49-jährige von Maldeghem, jetzt noch Intendant des Landestheaters Salzburg, solle im Sommer 2021 die Nachfolge des Kölner Schauspielchefs Stefan Bachmann antreten. Frohgemutet präsentierte der zukünftige Intendant dann der Öffentlichkeit seine Pläne und Vorstellungen für das Kölner Schauspielhaus.

Gut eine Woche später war die Berufung zur Makulatur geworden. Denn der designierte von Maldeghem zog die rote Karte und sagte der Stadt Köln ab. Er werde „nach reiflicher Überlegung und seiner Intuition folgend“ im Sommer 2021 nicht nach Köln wechseln, sondern beim Landestheater Salzburg bleiben und dort seine Arbeit fortsetzen.

Was war passiert, dass die gefundene Intendanz so schnell wieder passé war? Dass der designierte und der Öffentlichkeit bereits präsentierte Kandidat plötzlich reiflich überlegen, „seiner Intuition“ folgen und dann die Notbremse ziehen musste?

Nach von Maldeghems öffentlicher Berufung fand eine heftige, bisweilen auch deftige Diskussion statt. Deutlicher gesagt: ein Hauen und Stechen. Waren die Stellungnahmen aus der Politik noch zurückhaltend freundlich bis kritisch, so schlugen dem Intendanten in spe aus der Theaterszene kübelweise Unverständnis, Kopfschütteln, Ablehnung und Häme entgegen.

Die SPD-Fraktion im Rat be­grüßte das Konzept des designierten Schauspiel-Intendanten und bekundete „volle Unterstützung“. Von Maldeghems Plan sah vor, nach der Sanierung des Schauspielgebäudes die Bühne wieder zurück ins Zentrum der Stadt zu bringen. Doch wollte er auch die gegenwärtige Interims-Spielstätte im rechtsrheinischen Stadtteil Mülheim nicht vernachlässigen.

CDU, Grüne und FDP äußerten sich etwas zurückhaltender und reservierter, machten auch auf die „großen Fußstapfen“ aufmerksam, die von Maldeghems Vorgänger Bachmann (bis 2021) und die 2013 nach Hamburg abgewanderte Karin Beier hinterlassen haben.

In der Künstler- und Theaterwelt dagegen brodelte es. Gift und Galle versprühte etwa Martin Reinke, renommiertes Ensemble-Mitglied der Kölner Bühne, in einer Lokalzeitung über von Maldeghems künstlerische Kompetenz: „Ein solcher Mensch mag so vernetzt und so umtriebig sein, wie er will – macht man ihn zum Intendanten, dann wird dessen Theater über ein bestimmtes Niveau nie hinausgelangen. Es wird notwendig unter seinen Möglichkeiten bleiben. Es wird alles sein – nur kein wirklich großes, anspruchsvolles Theater.“

Das hat gesessen. Nicht weniger giftig fiel Reinkes Kommentar zur Person des Berufenen aus: „Ein Leichtgewicht und Sprücheklopfer.“

Immerhin schien Reinke den Kandidaten zu kennen. Den meisten seiner Ensemble-Kollegen, aber auch der ehemaligen Kölner Intendantin Beier, die heute das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg leitet, war von Maldeghem ein unbeschriebenes Blatt. Schauspielchef Bachmann enthielt sich eines Kommentars zu seinem designierten Nachfolger, weil er „schlicht nichts über sein Theater in Salzburg weiß“.

Als einer, der mehr weiß, mischte sich dann auch noch der in Köln lebende iranischstämmige Schriftsteller Navid Kermani in die Debatte um die Personalie ein. Der 2015 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels und zahlreichen anderen Preisen ausgezeichnete Autor ließ kein gutes Haar an der Berufung des neuen Theaterintendanten von Maldeghem: „Diese Entscheidung ist eine Demütigung für die Stadt. Sie macht sich damit kleiner, als sie ist. Natürlich möchte man jedem Künstler eine Chance geben... Aber in der Biografie dieses Kandidaten findet sich ja nichts, was aufregend und frisch für eine Großstadt sein könnte. Der hat längst gezeigt, was für ein Theater er will. Und was da von der Pressekonferenz zu hören war und auch die Namen, die er präsentiert hat, klingen genau nach eben diesem biederen, gefälligen Theater auf dem Niveau einer Landesbühne. Das klingt keinesfalls nach einem aufregenden Großstadttheater.“

Kermanis vernichtender Kommentar, als Gastbeitrag in der Lokalzeitung veröffentlicht, war wohl ausschlaggebend für den tags darauf erfolgten Rückzieher des Salzburger Intendanten. Von Maldeghem begründete seine Ab­sage mit dem „Mangel an Offenheit und Respekt“ gegenüber seiner Arbeit in Salzburg. Schockiert hätten ihn zudem „die ahnungslosen und neiderfüllten Angriffe und Vorverurteilungen aus der Branche von Kollegen“.

Kölns Bürgermeisterin Reker bedauerte die Absage, äußerte aber Verständnis für von Maldeghems Schritt. Sicher weiß sie, dass Köln sich bei dieser wichtigen Postenbesetzung nicht mit Ruhm bekleckert hat, und ahnt, dass es nun schwieriger wird, geeignete Kandidaten zu finden.

Das praktizierte Findungsverfahren rückte dann auch schnell nach der Absage des designierten Schauspieldirektors in den Mit­telpunkt der Kritik. Zwar hatten sich Viele schon nach der Vorstellung von Maldeghems gefragt, wie es zu dieser Wahl kommen konnte. Doch nun, nach der geplatzten Besetzung, wurden die Vorwürfe lauter, die Kulturdezernentin habe dilettantisch die Kandidatenfrage gelöst – quasi im Hinterzimmer geklüngelt, also ganz nach Kölner Art.

Tatsächlich kannte Kölns Dezernentin Laugwitz-Aulbach den Salzburger Intendanten aus früheren Tagen. Beide hatten in der Stuttgarter Kulturszene gearbeitet. Zusammen mit Rolf Bolwin, bis 2017 Direktor des Deutschen Bühnenvereins und Kenner der Theater-Szene, hatte sie Kandidaten für die Kölner Intendanz gesucht und dann eben von Maldeghem gefunden.

Um einsam getroffenen Entscheidungen und der damit größeren Gefahr von Fehlgriffen vorzubeugen, empfiehlt der  Bühnenvereinsdirektor Marc Grandmontagne eine breit aufgestellte Findungskommission. Wenn’s was bringt ...