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22.02.19 / Im freien Fall vom hohen Ross / Zu ihrem Jubiläum steht es katastrophal um das Image der »Tagesschau«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-19 vom 22. Februar 2019

Im freien Fall vom hohen Ross
Zu ihrem Jubiläum steht es katastrophal um das Image der »Tagesschau«
Klaus J. Groth

Der 2. März 1959 veränderte den Tageslauf in der Bundesrepublik. An jenem Tag startete der Norddeutsche Rundfunk die „Tagesschau“ in ihrer heutigen Form. Sie ist damit die älteste bestehende Sendung im deutschen Fernsehen. Von da an war der Sendetermin um 20 Uhr für viele eine feste Größe im Tagesablauf. 

Die Nachrichtensendung hat bis zu zehn Millionen Zuschauer. Bereits nach zehn Jahren Sendebetrieb konnte der ARD-Intendant Hans Bausch feststellen: „Für Millionen deutscher Staatsbürger ist die ,Tagesschau‘ des Deutschen Fernsehens zu einer selbstverständlichen Gewohnheit geworden.“ Bis zu 20 Nachrichtensendungen liefert die „Tagesschau“ pro Tag.

Die „Tagesschau“ gab es schon vor der „Tagesschau“. Allerdings waren die ersten Sendungen anders konzipiert. Versuche startete der Nordwestdeutsche Rundfunk (NWDR) im Herbst 1951. Dazu schloss er einen Kooperationsvertrag mit der Wochenschau, die damals im Vorprogramm der Kinos lief. Aus deren Beiträgen stellte ein Redakteur mit Hilfe von zwei Schneidemeisterinnen die Nachrichtensendung zusammen. Da die Wochenschau für das Kinopublikum produziert wurde, überwogen die „bunten“ Themen, also Katastrophen, Sport und Klatsch. Politik spielte kaum eine Rolle. Vom Januar 1952 an wurde ein Versuchsprogramm unter der Bezeichnung „Fernseh-Filmbericht“ ausgestrahlt, das ab dem 1. November in „Tagesschau“ umbenannt war. Der erste offizielle Starttermin war der 26. Dezember 1952. Fünf Tage zuvor hatte die DDR mit der „Aktuellen Kamera“ den Sendebetrieb aufgenommen. Die Themen der ersten „Tagesschau“: Die Reise des US-amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower nach Korea, die bereits einige Wochen zuvor stattgefunden hatte, das Richtfest für die Fernsehstudios in Hamburg-Lokstedt, eine Eisrevue und ein Fußballspiel.

Die Zahl der Zuschauer war bescheiden. Anfangs schalteten nur 1000 Interessierte ihre Fernseher an. Es gab drei Ausgaben der „Tagesschau“ pro Woche. Produziert wurden die Beiträge in einem Keller, die fertigen Filmrollen brachte der Redakteur mit der 

U-Bahn zum Heiligengeistfeld in Hamburg. Vom dortigen Weltkriegsbunker strahlte der NWDR sein Programm aus. Anfangs erinnerten die Beiträge stark an „Fox’ Tönende Wochenschau“. Zwar waren die Beiträge der „Tagesschau“ aktueller, kamen jedoch ohne ins Bild gesetzten Nachrichtensprecher aus. Bis 1953 wurde die „Tagesschau“ ausschließlich mit Material der 

Wochenschau produziert. Damit begann deren Ende. Die zunehmende Verbreitung der Fernsehgeräte machte sie uninteressant. „Fox’ Tönende Wochenschau“ wurde 1978 eingestellt. 

Erste grundlegende Veränderung der „Tagesschau“ war die Aufnahme eines Wortblocks von fünf Minuten, erstmals trat Karl-Heinz Köpke am 2. März 1952 in der Rolle als Nachrichtensprecher auf. Eines ist seither unverändert geblieben: Die Sprecherinnen und Sprecher der „Tagesschau“ sind freie Mitarbeiter. Und ihr Honorar steht in keinem Verhältnis zu ihrem Promistatus. Das Honorar richtet sich nach Zahl, Dauer und Art der Einsätze. Die Hauptnachrichtensendung um 20 Uhr wird mit 238,01 Euro entlohnt, für eine kurze Nachrichtensendung bis zu vier Minuten gibt es 142,62 Euro. Trotzdem stellte Dagmar Berghoff, erste Sprecherin der „Tagesschau“, fest: „Wenn man fleißig ist, verdient man gut, sehr gut sogar. Aber verglichen mit dem Promistatus, den man hat, sind das keine Wahnsinnshonorare.“ 

Auch wenn der Eindruck entsteht, an dem durch und durch seriös wirkenden Programmschema habe sich nichts geändert, die Abfolge der Nachrichtenblöcke sei geradezu in Stein gemeißelt, das täuscht. Waren zum Anfang noch Unterhaltung und Sport vorherrschende Themen, wurden diese Bereiche auf die hinteren Ränge verwiesen. Die „Tagesschau“ wurde zur politischen Sendung. Was auch immer die Welt bewegt, erst kommt die Politik, dann mit Abstand der Rest der Welt. Die Veränderungen vollzogen sich Stück für Stück, vor allem beharrlich. 

Spätestens seit Beginn der Asylkrise 2015 hat die „Tagesschau“ ein erhebliches Glaubwürdigkeitsproblem. Bereits im Dezember 2015 kam eine Studie des Instituts für Demoskopie in Allensbach zu dem Ergebnis, die Mehrheit der Bevölkerung fühle sich einseitig informiert. Immer in der Kritik dabei: die „Tagesschau“. Die beanstandeten Medien reagierten beleidigt, schoben ihre Kritiker in die rechtspopulistische Ecke. Jüngst legte der Medienwissenschaftler Michael Haller mit Erhebungen der Hamburg Media School und der Universität Leipzig nach. Sein Fazit: Die Medien machten sich zum Sprachrohr der politischen Eliten, gingen an den Sorgen der Bevölkerung vorbei. Die Probleme, die mit der Aufnahme der Asylsucher entstehen könnten, wurden ignoriert. Das gilt für nahezu alle Medien, aber insbesondere für die „Tagesschau“. Sie berichtete nur abstrakt, immer als Wiedergabe der theoretischen Debatte im politischen Berlin. Dafür aber waren 20 Prozent der „Tagesschau“-Berichte nicht an den Fakten orientiert, sondern wertend. 

Das Schema setzte sich fort bis zu den sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht 2015/2016 in Köln durch junge Männer vornehmlich aus nordafrikanischen Ländern. Während lokale Medien nahezu umgehend berichteten, dauerte es ganze vier Tage, bis das ZDF am 4. Januar erstmals in der „Heute“-Sendung das Thema aufgriff. Die „Tagesschau“ hinkte mit einer weiteren Stunde selbst dieser Verspätung hinterher. Kein Wunder, wenn nach einer Untersuchung der Gesellschaft für Trend- und Wahlforschung Infratest dimap 37 Prozent der Bürger meinen, die Glaubwürdigkeit der Medien sei gesunken, 42 Prozent sie nicht für glaubwürdig halten. Und bei der Frage, ob in den Medien gelogen werde, stellen die Bürger nur den Boulevardzeitungen ein schlechteres Zeugnis als dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen aus. Es steht katastrophal um das Image im Jubiläumsjahr der „Tagesschau“.