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22.02.19 / Die Schule zum Film / Nach einem rollenden Donner über Laos und Vietnam wurde vor 50 Jahren Top Gun gegründet

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-19 vom 22. Februar 2019

Die Schule zum Film
Nach einem rollenden Donner über Laos und Vietnam wurde vor 50 Jahren Top Gun gegründet
Manuel Ruoff

Verwöhnt durch die Erfolge mit ihren Hochtechnologiewaffen im vorausgegangenen Koreakrieg, waren die Luftstreitkräfte der Vereinigten Staaten im Vietnamkrieg unangenehm berührt durch die Erfolge der kleinen, wendigen, robusten, billigen Flugzeuge der Nordvietnamesen. Goliath war auf den Kampf mit David schlecht vorbereitet, oder um es weniger bildhaft zu formulieren: Die Luftstreitkräfte der westlichen Supermacht waren auf einen Kampf mit der anderen Supermacht auf Augenhöhe vorbereitet, aber nicht auf einen asymmetrischen Kampf.

Die Operation Rolling Thunder (rollender Donner), die vom 2. März 1965 bis zum 1. November 1968 dauernde erste große Luftoffensive der US-amerikanischen und südvietnamesischen Luftwaffe gegen Ziele in Nordvietnam und Laos, führte nicht zu den erhofften Erfolgen. Eine vom US-Verteidigungsminister Robert McNamara angeordnete Effizienzanalyse ergab, dass der betriebene Aufwand 9,6-mal so hoch war wie der beim nordvietnamesischem Gegner angerichtete Schaden. Bei rund einer Million Einsätzen verloren die USA 938 Flugzeuge im Wert von sechs Milliarden US-Dollar. 835 Piloten verloren die USA durch Tod oder Gefangennahme.

Bei der Suche nach den Ursachen kamen die Luftwaffe und die Marine der USA zu gegensätzlichen Ergebnissen. Die Luftwaffe ermittelte technische Ursachen und nahm entsprechende Änderung am Kriegsmaterial vor. Kapitän Frank Ault, der von Admiralstabschef Thomas H. Moorer mit der Ursachenforschung beauftragt worden war, kam hingegen zu dem Ergebnis, dass weniger das Material als das Personal das Problem sei. Die Ausbildung sei unzureichend. Zur Behebung des Mangels schlug Ault eine Fortbildungseinrichtung vor, eine Advanced Fighter Weapons School. 

Entsprechend Aults Vorschlag wurde am 3. März 1969 auf der Naval Air Station Miramar in Kalifornien die United States Navy Fighter Weapons School gegründet, besser bekannt als Top Gun. Die Elitejagdflugschule der US-Marine dürfte spätestens durch den Kassenschlager des Jahres 1986 mit Tom Cruise und Kelly McGillis „Top Gun – Sie fürchten weder Tod noch Teufel“ auch nicht an Militär Interessierten ein Begriff sein. 

Der elitäre Charakter von Top Gun entstand nicht nur dadurch, dass es eine Fortbildungseinrichtung für bereits ausgebildete Marinepiloten war, sondern auch dadurch, dass die Absolventen nach der Fortbildung und der Vermittlung der neuesten Taktiken des Luftkampfes unter ihren Kameraden als Multiplikatoren wirken sollten.

Typisch für die Ausbildung an der neu eingerichteten Einrichtung war das Dissimilar Air Combat Training (DACT), eine Ausbildung von Flugzeugbesatzungen für den asymmetrischen Luftkampf. Goliath sollte den Kampf mit einem mit Steinschleudern ausgerüsteten Gegner üben und erlernen, um es bildlich zu formulieren. Das ging darüber hinaus, dass Kameraden mit ihren baugleichen Maschinen übungsweise gegeneinander antraten. Vielmehr gab und gibt es bei Top Gun speziell ausgebildete Piloten, die sich bei Übungen taktisch nicht wie GI, sondern wie Soldaten aktueller oder potenzieller Kriegsgegner verhalten. 

Zu diesem Rollenspiel gehört auch, dass die den Gegner mimenden Piloten mit entsprechendem Material ausgestattet sind. Nun besaß und besitzt die US-Marine nicht genügend Beutemaschinen zur Ausrüstung dieser speziellen Ausbildungspiloten. Deshalb wird auf US-Maschinen zurückgegriffen, die den gegnerischen möglichst ähnlich sind. Das Rollenspiel geht soweit, dass die entsprechenden US-Maschinen teilweise auch den entsprechenden Tarnanstrich und die Hoheitszeichen der Luftstreitkräfte bekommen, gegen welche die Lehrgangsteilnehmer später eventuell oder sogar garantiert kämpfen werden. 

Im Vietnamkrieg hatten es die US-amerikanischen Piloten mit ihren McDonnell Douglas F-4 „Phantom“ vor allem mit dem Unterschalljäger MiG-17 und dem Überschalljäger MiG-21 des sowjetischen Herstellers Mikojan-Gurjewitsch zu tun. Bei Top Gun übernahmen die Rolle der MiG-17 die Douglas A-4 „Skyhawk“ und die von der US-Luftwaffe ausgeliehene Northrop 

T-38 „Talon“ mimte die MiG-21. Später wurde die Leihgabe der Air Force durch die ebenfalls von Northrop stammende F-5 ersetzt. Ansonsten sind bei Top Gun auch Grumman A-6 „Intruder“ und Convair F-106 „Delta Dart“ zum Einsatz gekommen. 

Der Wechsel in der Ausrüstung realer oder potenzieller Gegner wurde auch in der Ausstattung von Top Gun nachvollzogen. Nun kamen auf Seiten der Übungsgegner die „Hawk“ des britischen Herstellers BAE Systems, die F-16 „Fighting Falcon“ von General Dynamics und die Grumman F-14 „Tomcat“ zum Einsatz. Letztere hat für die Rolle des Übungsgegners die Vorteile, dass die iranische Luftwaffe seit den Zeiten des Schah mit ihr fliegt und dass sie mit ihrem doppelten Seitenleitwerk der Suchoj Su-27 ähnelt.

Der weitere Verlauf des Vietnamkriegs scheint das Konzept von Top Gun bestätigt zu haben. Während sich für die Luftstreitkräfte der US-Marine das Verhältnis zwischen den eigenen und den der nordvietnamesischen Luftwaffe beigebrachten Verlusten nach der Top-Gun-Gründung spürbar verbesserte, verschlechterte es sich für die US-Luftwaffe, die keine entsprechende Fortbildungseinrichtung hatte, noch. Da bei den heutigen Strafexpeditionen der USA gegen Schwellen- oder Länder der Dritten Welt neben der Erringung und Verteidigung der Lufthoheit gezielte Zerstörungen zu Lande wachsende Bedeutung gewinnen, ist der Lehrplan von Top Gun in den 90er Jahren auf Bodenangriffe erweitert worden. 

Als 1996 die Naval Air Station Miramar von der Marineinfanterie übernommen wurde, wurde die Navy Fighter Weapons School mit dem Naval Strike Warfare Center und der Carrier Airborne Early Warning Weapons School zum 

Naval Strike and Air Warfare Center auf der Naval Air Station Fallon in Nevada zusammengelegt. Die Tradition der Navy Fighter Weapons School wird dort vom Navy Strike Fighter Tactics Instructor program fortgesetzt.