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22.02.19 / Abgesaugte Gebiete / Erinnerung an die Ausstellung der „Wiedergewonnen Gebiete“ von 1948

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-19 vom 22. Februar 2019

Abgesaugte Gebiete
Erinnerung an die Ausstellung der „Wiedergewonnen Gebiete“ von 1948
Chris W. Wagner

Was einst eine Riesenpropagandawirkung hatte, ist heute fast unbemerkt an der Öffentlichkeit vorbeigegangen. Das Städtische Museum zu Breslau erinnert derzeit im Rathaus an die Ausstellung „Wiedergewonnene Gebiete“, die 1948 auf dem Gelände um die Breslauer Jahrhunderthalle für den Anspruch auf die und die wirtschaftliche Bedeutung der ostdeutschen Gebiete für Polen warb.

Zwei Millionen Menschen haben damals die 100 Tage dauernde Ausstellung besucht. Der internationale Kongress der Intellektuellen wurde begleitend vom 25. bis 28. August 1948 nach Breslau berufen. Weltbekannte Kulturschaffende wie Pablo Picasso, Fernand Léger, der für seine Aufrufe zum Töten der Deutschen in die Geschichte eingegangene Ilja Erenburg, Bertold Brecht oder Max Frisch, der seinen Breslauer Besuch im „Tagebuch 1946–1949“ verewigte, bildeten das Spalier für die neuen Machthaber in der Stadt. Die Welt sollte erfahren, dass die wiedergewonnenen Gebiete in einem „Akt der historischen Gerechtigkeit“ an Polen gefallen seien. Propagandaslogans, wie „die Oder rauscht auf Polnisch“ waren Gang und Gäbe, im Vorfeld entfernte man sämtliche deutsche Aufschriften um die Jahrhunderthalle. Die Präsentation sollte die Zugehörigkeit der „wiedergewonnen Gebiete“ zum polnischen Mutterland begründen. Entsprechendes Informationsmaterial zur Geschichte Schlesiens und der Westgebiete sollte dies untermauern. Professor Kostrzewski vom „Wissenschaftlichen Rat für die Westgebiete“ kündigte an, dass groß angelegte Ausgrabungen den historischen Anspruch untermauern würden. Hämischer urteilte am 4. September 1948 der „Spiegel“ über den Eindruck, den die Stadt entgegen mancher repräsentativer Bauvorhaben wirklich vermittele: „Auf manchen Plätzen weideten Pferde, auch Kühe. Zigeuner ließen Bären tanzen. In kurzen drei Jahren, seit die ersten Siedler auf dem Tauentzienplatz ihre Pferde tränkten und staunend die Überreste westlicher Zivilisation erblickten, hat sich bereits der ganze Zauber einer ostpolnischen Bezirkshauptstadt entwickelt. Einige zerlumpte Gestalten, die scheuen Blickes an Häusern und Ruinen entlanghuschten, konnten das harmonische Bild nicht stören. Sie gehörten zu den wenigen Hundert aus der deutschen Zeit Übriggebliebenen.“

Zur Klärung des wahren Geschichtsbildes dieser Gebiete wurden hingegen Schüler, Jugendorganisationen, Mitglieder von Vereinen nach Breslau gekarrt. „Mein verstorbener Ehemann hat sich oft daran erinnert, dass er als 12-jähriger mit seiner Schulklasse die Ausstellung besuchte“, berichtet Maria Kandulla, die wie ihr Mann als Deutsche aus Oberschlesien nicht vertrieben wurden. Auch sie ist 1948 mit der Schulklasse in Breslau gewesen jedoch nicht zur Ausstellung, sondern im Zoo, der im gleichen Jahr, am 18. Juli quasi ebenso begleitend wiedereröffnet wurde. Für Kinder war es, so Kandulla, eher ein Abenteuer, denn die Stadt lag größtenteils noch in Schutt und Asche. „Meine Freundin und ich haben uns von der Gruppe gelöst und sind auf Abenteuersuche gegangen. Ich erinnere mich an Bratpfannen, die an fast zerstörten Küchenwänden hingen oder eine Wanduhr“. Den Begriff „wiedergewonnene Gebiete“ haben die wasserpolnisch sprechenden oberschlesischen Kinder damals schon verspottet. Aus dem polnischen „ziemie odzyskane“ (wiedergewonnene Gebiete) machten sie ziemie odcyckane (abgesaugte Gebiete).

Die Idee für diese Weltausstellung soll von Josef Stalin selbst stammen und wurde staatlich dirigiert. In der Nacht vom 21. auf den 22. Juli wurden so zehn Ausstellungsmitarbeiter verhaftet, darunter Künstler und Architekten. Nach einem nächtlichen Verhör wurden sie wieder entlassen. Einige Tage vor der Eröffnung wurde der jüdische Pavillon geschlossen. In diesem sollte über den Beitrag der vorwiegend aus der Sowjetunion nach Schlesien gekommenen Juden beim Wiederaufbau der Region informiert werden. Nun durfte sich in diesem Pavillon der Verband der Polen in Deutschland präsentieren, womit nicht etwa die Polen in Schlesien gemeint waren.

Für die Neu-Breslauer war die Weltausstellung, die als antideutsch und antiimperialistisch konzipiert war, ein Segen. Allein in die Organisation flossen 700 Millionen Zloty aus Warschau, die Infrastruktur wie zum Beispiel die Krankenhäuser konnten ihre Arbeit nun umfassend aufnehmen und die Wiederaufbauarbeiten wurden insgesamt beschleunigt. Eine erste Form des Lokalpatriotismus entwickelte sich unter den aus unterschiedlichen Regionen Polens zugezogenen Breslauern.

Für die Weltausstellung musste übrigens zunächst das Areal von Minen befreit werden, 48 Ausstellungspavillons wurden gebaut, 100000 Blumen und zwei Tonnen Rasensamen ausgesät. Als Symbol der Weltausstellung wurde die kürzlich sanierte „Nadelspitze“ (iglica) das erste polnische Wahrzeichen der Stadt.

Die Ausstellung im Breslauer Rathaus dokumentiert diese historischen Ereignisse vor allem durch exzellentes Bildmaterial zum Beispiel von Adam Czelny. Die Ausstellung „Aus der Breslauer Chronik. 1948“ (Z kroniki Wroclawia. Rok 1948) ist im Rathaus bis zum 28. Februar zu sehen.