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22.02.19 / Sportlich an die Spitze / Unter Triathlon geht nichts – Fitte Manager stehen für Willensstärke

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 08-19 vom 22. Februar 2019

Sportlich an die Spitze
Unter Triathlon geht nichts – Fitte Manager stehen für Willensstärke
Stephanie Sieckmann

Der Wohlstandsbauch der 50er Jahre hat längst ausgedient. Die neue Ge­neration der Manager in Deutschlands Chefetagen setzt auf einen Körper, der gut in Form und damit ein Zeichen für Selbstbeherrschung und Willensstärke ist. 

Dabei ist längst nicht alles Gold, was glänzt. Während eine Studie der Personalberatung Heidrick & Struggles zeigt, dass Deutschlands Manager Sportlichkeit und einen schlanken Körper als Zeichen für gesunde Lebensführung und Fähigkeit im Job extrem hoch bewerten, belegt eine andere Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, dass die Bereitschaft zu unethischem Verhalten (zum Beispiel Korruption) unter deutschen Führungskräften in den vergangenen Jahren enorm zugenommen hat – weit mehr als in anderen EU-Ländern. 

In Zeiten, als die arme Bevölkerung mager war, machte es für den Chef Sinn den gut gewölbten Bauch spazieren zu Tragen und damit zu demonstrieren: Ich gehöre zu der oberen Etage, ich weiß, wie es geht. Heute dagegen nimmt der Durchschnittsbürger Jahr für Jahr zu. So sehr, dass sogar die Crash-Test-Dummies der Autoindustrie schon dicker gestaltet werden, um bei den Härtetests noch aussagekräftige Er­gebnisse zu liefern. 

Der moderne Manager setzt jetzt mit dem sportlichen Körper daher ein Zeichen, dass er es besser weiß als seine Untergebenen. Er hat das Wissen, was gesund ist und den Ehrgeiz, das Richtige zu tun. Selbstbeherrschung und Willensstärke gehören zu seinen hervorragenden Eigenschaften. Er ist Vorbild, wenn er sich nicht nur am Wochenende, sondern auch früh morgens oder spät abends dem Sport widmet und schlank und rank im Büro erscheint. 

Der Sport, für den er sich interessiert, darf gerne ausgefallen sein. Marathon laufen inzwischen schon Senioren mit über 70. Da darf es gerne der Extrem-Marathon, der Triathlon oder das Bergsteigen sein. Ebenfalls hoch im Kurs stehen aber auch andere sportliche Extreme. 

Radtouren, am Wochenende gerne auch mal mit Kind und Kegel, führen Manager dann im Urlaub bis 2000 Kilometer weit nach Südeuropa. Damit kann man etwas beweisen. Nicht nur sich selbst, sondern auch den Kollegen und den Kunden. Und wenn das Geprotze mit den sportlichen Leistungen nicht reicht, um den Auftrag zu bekommen?

Dann ist die Bereitschaft zu unethischem Verhalten heute vergleichsweise hoch. Wusste der dickbäuchige Chef mit der Zigarre im Mundwinkel noch eine Niederlage mit einem Schulterzucken oder einem Lächeln lässig wegzustecken, verpassen die vom Ehrgeiz beseelten Manager der Moderne gerne einmal den Zeitpunkt, an dem es heißen sollte: Lass es gut sein, das Spiel ist aus. Die Mentalität ist, wie die verbissene Sportlichkeit auch zeigt, auf das Motto „Geht nicht, gibt’s nicht“ eingeschworen. 

Schmiergelder gelten überraschend oft vor allem bei der jungen Generation der Führungskräfte als akzeptable Lösung, um einen Auftrag zu gewinnen. Be­trachtet man beide Studien, kann der Verdacht aufkommen, das Unrechtsbewusstsein sei bei einigen wohl auf dem Weg zum sportlichen Extrem verloren gegangen. Die Bella Figura, die der Manager sich mit Askese und sportlicher Versklavung sichert, ist in einigen Fällen dann doch eher ein Ablenkungsmanöver als Beleg für die unfehlbaren Manager-Qualitäten.