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01.03.19 / Steinreiche Hungerleider / Sozialistische Experimente haben das Erdölland Venezuela ruiniert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-19 vom 01. März 2019

Steinreiche Hungerleider
Sozialistische Experimente haben das Erdölland Venezuela ruiniert
Markus Matthes

Die venezolanische Wirtschaft liegt am Boden und die Bevölkerung leidet unter Hungersnöten. Dabei verfügt das Land über die größten nachgewiesenen Erdölvorkommen der Welt. Die derzeitige Krise steht am Ende einer jahrzehntelangen Fehlentwicklung. Kurioserweise war es der preußische Forscher Alexander von Humboldt, der im heutigen venezolanischen Bundesstaat Sucre 1799 als erster „schwarzes Gold“ entdeckte. Durch das Erdbeben von 1875 trat in Táchira Erdöl zu Tage, worauf man dort bis 1909 in kleinem Rahmen Kerosin und Benzin herstellte. Seit 1904 ließ der Präsident unter Umgehung des Parlaments über seine Günstlinge Konzessionen an Ausländer verkaufen, die über die nötige Fördertechnologie verfügten. 1914 stieß ein Tochterunternehmen der Royal Dutch Shell am Ufer des Maracaibo-Sees auf das erste nennenswerte Erdölfeld. Obwohl der Ausbruch des Ersten Weltkrieges den Prozess verlangsamte, verschiffte man ab 1917 Öl.

Bereits 1929 war Venezuela hinter den USA der weltweit zweitgrößte Erzeuger, aber schon in den 30er Jahren zeichnete sich eine zunehmend problematische Entwicklung ab: Eine Konzentration auf den Erdölsektor und die Vernachlässigung der Lebensmittelherstellung und insbesondere der Landwirtschaft, deren Anteil an der Wirtschaftsleistung in weniger als 30 Jahren von einem Drittel auf unter zehn Prozent sank. Obwohl 1943 ein neues Gesetz in Kraft trat, das die Hälfte der Firmengewinne der Regierung zusicherte, wurde nicht genug in Bildung, Erziehung und Gesundheit sowie die allgemeine Infrastruktur investiert. Durch den Zweiten Weltkrieg und die zunehmende Verbreitung des Automobils bedingt, exportierte Venezuela 1945 bereits fast eine Million Barrel pro Tag. Der Bedarf wuchs weiter, bis in den 50er Jahren durch die zunehmende Konkurrenz aus dem Nahen Osten und die strengen Einfuhrbeschränkungen der USA der Preis erheblich fiel. Anfang der 60er Jahre entstand als erste staatliche Ölgesellschaft die Corporación Venezolana del Petróleo (CVP).

Der schleichende Prozess der Enteignung der Privatfirmen begann dabei 1971: Nun sollten nach Erlöschen der Bohrgenehmigungen Grundbesitz, Anlagen und Ausrüstungen der Lizenznehmer inner- und außerhalb der Konzessionen ohne Kompensation an den Staat fallen sowie alle Maßnahmen und Verkaufsziele vom zuständigen Ministerium abgesegnet werden. 1976 verstaatlichte der Sozialdemokrat Carlos Andrés Pérez Rodríguez dann die gesamte Erdölindustrie: Petróleos de Venezuela S.A. (PDVSA) war aber zunächst eher ein Konglomerat verschiedener ausländischer Firmen, in denen überwiegend einheimische Angestellte bei guten Löhnen und nach strengen Auswahlkriterien weiterarbeiteten. Man erstand günstig Raffinerien in Deutschland, Großbritannien, Schweden, Belgien und den USA. Die 1980 erworbene US-Firma Citgo mit über 15000 Tankstellen befindet sich immer noch in venezolanischem Besitz. Der steuerbereinigte Nettogewinn und zehn Prozent des jährlichen Bruttoeinkommens standen nach wie vor für Investitionen und Kostendeckung bereit.

Dieser als Privileg empfundene hybride Status führte immer wieder zu Spannungen zwischen der Regierung und der Unternehmensführung. So kam es 2002 zum offenen Konflikt mit dem linken Präsidenten Hugo Chávez, der entlassene Manager durch nicht qualifizierte Gefolgsleute zu ersetzen versuchte. Arbeiter von PDVSA organisierten mehrere Streiks, die ihn im April sogar für 48 Stunden das Amt kosteten. Nach neuen Arbeitsniederlegungen Anfang 2003 entließ Chávez 20000 der 35000 Angestellten, worauf man nie wieder die tägliche Erzeugung von drei Millionen Barrel erreichte.

Dieser Verlust konnte zunächst durch mit ausländischer Hilfe ausgebeutete Vorkommen am Orinoco kompensiert werden. Aber die Verstaatlichung der Zulieferer und Dienstleister, ein dramatischer Produktionsabfall, ruinöse Großprojekte, ausufernde Vetternwirtschaft, die Politisierung des Konzerns, welche die PDVSA in ein Instrument der Regierungspolitik mit karitativen Zwecken verwandelte, der als „Öldiplomatie“ bekannte Verkauf zu Vorzugsbedingungen an Brüder im Geiste und der Tausch von Rohstoffen gegen Dienstleistungen haben ein über viele Jahre erstaunlich erfolgreiches Staatsunternehmen ruiniert. Die ab 2014 stark gefallenen Preise sowie die fast völlige Abhängigkeit des Landes von dieser Einnahmequelle und den drei Hauptabnehmern USA, China und Indien verschärften dabei noch die negativen Effekte.