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01.03.19 / Windjammer »Seute Deern« in »schwerer See« / Wird das maritime Wahrzeichen Bremerhavens nach Brand an Bord gerettet?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-19 vom 01. März 2019

Windjammer »Seute Deern« in »schwerer See«
Wird das maritime Wahrzeichen Bremerhavens nach Brand an Bord gerettet?
Michael Buschow

In seinem langen und sehr bewegten Leben hat der alte hölzerne Windjammer, die „Seute Deern“, bereits viele der härtesten Herausforderungen abwettern müssen. Einen Hurrikan vor Westindien, die Weltwirtschaftskrise von 1931, die Kollision mit einem Tanker, Schiffsbohrwurmfraß, eine Meuterei an Bord, den Zweiten Weltkrieg, bedrohliche Leckagen und sogar den eigenen Untergang im Emder Hafen hat sie überlebt. Ein trotz allem wohl glückliches Schiff, wie der Seemann sagt.

Doch jetzt, ausgerechnet im 100. Geburtstagsjahr 2019, folgte ein harter Schlag für das Deutsche Schifffahrtsmuseum und den Pächter des bekannten Bordrestaurants, vor allem aber für die Bevölkerung der Seestadt Bremerhaven, denen die schmucke Bark mit den aufgemalten Geschützpforten und der markanten Galionsfigur des „süßen Mädchens“ („Seute Deern“) seit mehr als 50 Jahren zum maritimen Wahrzeichen geworden ist. In der Nacht vom 15. auf den 16. Februar hat ein Schwelbrand, möglicherweise im Küchenbereich ausgebrochen, große Teile der Innenräume und der Außenhaut zerstört. Gott sei Dank gab es keine Verletzten unter den Gästen und Mitarbeitern des Restaurants, aber obwohl die Bremerhavener Feuerwehr äußerst umsichtig bei den Löscharbeiten vorgegangen war, konnten starke Beschädigungen nicht verhindert werden. 

Die wechselvolle Geschichte des heute weltweit letzten hölzernen Frachtsegelschiffes begann in den USA im Jahre 1919 mit dem Taufnamen „Elisabeth Bandi“ auf der Werft Gulfport Shipbulding Co. Allerdings noch als Viermastgaffelschoner getakelt, ohne Querrahen wie bei Barken oder Vollschiffen, etwa der „Passat“. Ein echter Yankee-Sailor also! Und natürlich ohne Antriebsmaschine.

In der Folgezeit machte das Segelschiff unter US-amerikanischer Flagge zwar schwierige, aber gute Reisen, bis es dann mehrfach seinen Besitzer wechselte. 1931 wurde es nach Finnland an die Reederei Uskanen verkauft, in „Bandi“ umbenannt und danach noch einmal unter der weißen Flagge mit dem blauen Kreuz weiterveräußert. Gegen Ende der 30er Jahre lohnte sich schließlich der Transport mit reinen Segelschiffen nicht mehr und der Schoner sollte zu Kleinholz verarbeitet werden.

Stattdessen gelangte es jedoch 1938 in den Besitz John T. Essbergers. Der Hamburger Reeder ließ das Schiff vom viermastigen US-Schoner zur Bark umtakeln. Der neue Name des Dreimasters: „Seute Deern“. Optisch wurde der Anstrich verändert und ein weißes Portenband, wie es heute noch zu sehen ist, eine Imitation der Kanonenpforten der alten bestückten Segelschiffe des 17. und 18. Jahrhunderts auf den schwarzen Rumpf gemalt. Passend zum neuen Namen bekam die „Seute Deern“, die heute noch als Gallionsfigur den Bug ziert.

Im Jahre 1964 kaufte die Emder Wirtin Erna Hardisty, eine außerordentlich resolute und schillernde Frau, den Segler für 

30000 D-Mark, um ein Hotel und Restaurantschiff im alten Ratsdelft von Emden daraus zu machen. Dieser Plan konnte von ihr allerdings nicht realisiert werden, da man seitens der Verwaltung tatsächlich befürchtete, solch ein alter Kahn könnte das Stadtbild verschandeln. In einer dunklen Hafenecke weit vor den Toren lag die „Seute Deern“ dann unbewacht und gammelte vor sich hin. Eines Tages im Juni sank sie, wenn auch nicht tief, bis zum Hauptdeck weg. 

Totgesagte leben jedoch länger! 1965 gründeten Enthusiasten in Bremerhaven eine Gesellschaft mit dem Ziel, den Oldtimer zu erhalten. Aber noch jemand, der Helgoländer Kaufmann und Antiquitätensammler Hans Richartz, interessierte sich für das Schiff. Und er machte mit einer Nasenlänge das Rennen gegenüber den Bremerhavenern. Vorläufig jedenfalls. Für 61000 D-Mark erwarb er den gesunkenen Oldtimer, ließ ihn heben, in einer Emder Werft mit hochwertiger maritimer Gastronomie ausbauen und 1966 nach Bremerhaven in den Alten Hafen schleppen. 1972 schließlich ging die „Seute Deern“ als Gründungsgeschenk an das Deutsche Schifffahrtsmuseum und wurde mit seinen himmelhohen Masten eines der Wahrzeichen der Seehafenstadt. Tausende von Gästen haben im Laufe der Jahrzehnte dort im Restaurant gespeist, viele Besucher im gemütlichen Salon unter Deck den Seemannsgeschichten der alten Seebären wie Peter Gording oder der letzten Cap Horniers gelauscht. Und kaum zählbar sind die Ehen, die im Standesamt an Bord geschlossen wurden. 

Aber der Zahn der Zeit sowie Wind und Wetter haben seit 1972 erheblich an dem Oldtimer genagt, das Deck wurde undicht und durch defekte Kalfatnähte (Dichtung zwischen den einzelnen Holzplanken) eingedrungenes Wasser musste ständig außenbords gepumpt werden. Holz ist als Schiffbaumaterial niemals so langlebig wie Stahl, und möglicherweise hätte man seitens des Deutschen Schifffahrtsmuseums weitaus früher etwas zur Gesamt­sanierung unternehmen müssen. So aber wurde leider immer nur kleinteilig repariert und gestückelt. Immerhin gab es 2018 einen Beschluss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages, die veranschlagten Gesamtrestaurierungskosten von 32 Millionen Euro mit 17 Millionen Euro zu bezuschussen. 

Das aber ist heute bereits Schnee von gestern. Zumindest ist nach Aussage des Pressesprechers des Deutschen Schifffahrtsmuseum Thomas Joppig die „Seute Deern“ gegen Brandschaden versichert. Das Schiff steht zwar unter Denkmalschutz, doch ist seine Reparatur aus Kostengründen fraglich. Aber kann man bei einem Kulturgut betriebswirtschaftlich rechnen? Fragt man die nach dem Brand initiierte Facebookgruppe „Wir lieben die Seute Deern“ oder den Bürger auf der Straße in Bremerhaven, fällt die emotionale Antwort eindeutig für den Oldtimer aus.