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01.03.19 / Ein Mittel zum Export der Oktoberrevolution / Vor 100 Jahren gründete sich in Moskau auf Initiative Lenins als Dritte Internationale die kommunistische

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-19 vom 01. März 2019

Ein Mittel zum Export der Oktoberrevolution
Vor 100 Jahren gründete sich in Moskau auf Initiative Lenins als Dritte Internationale die kommunistische
Dirk Pelster

Noch immer tobte ein brutaler Bürgerkrieg im Land, als sich am 2. März des Jahres 1919 Vertreter kommunistischer Parteien und Gruppen aus fast 30 Staaten in Moskau zu einer Konferenz zusammenfanden, um in diesen späten Wintertagen eine der bedeutendsten Organisationen des frühen 20. Jahrhunderts aus der Taufe zu heben. Die Kommunistische Internationale – oder kurz: Komintern – sollte nach dem Willen der neuen Machthaber in Russland einer Idee den Weg ebnen, deren Zeit sie für gekommen hielten, und der gesamte Globus sollte vom Feuer der sozialistischen Oktoberrevolution des Jahres 1917 erfasst werden. 

Die Vorzeichen zu dieser ersten Komintern-Konferenz waren dabei keineswegs günstig. Nur ein Jahr zuvor hatte Wladimir Iljitsch Lenin die Hauptstadt des jungen Sowjetstaats nach Moskau verlegt, da sich die Bolschewiki in der ehemaligen Zarenresidenz an der Newa nicht sicher genug vor den deutschen Truppen fühlten. Nach der Niederlage Deutschlands wich diese Sorge der Angst vor ausländischen Interventionen durch die Entente-Mächte an der Peripherie des kommunistisch kontrollierten Kerngebietes Russlands und vor zahllosen Aufständen im Inneren. Noch während der Konferenz holten die Weißgardisten am 4. März 1919 zum Schlag gegen die westlich des Urals gelegene Stadt Ufa, einem zentralen Eisenbahnknotenpunkt, aus. 

Trotz der argen Bedrängnis, in der sich die rote Diktatur befand, arbeiteten die Bolschewiki bereits an großen Plänen und unternahmen nun verstärkt außenpolitische Initiativen. Die angesichts der prekären Lage mehr als überdimensioniert wirkenden Ambitionen gründeten sich einerseits in der kommunistischen Ideologie und andererseits im strategischen Kalkül Lenins. Während das russische Zarenreich ein agrarisch geprägter und von wenigen Aristokraten bestimmter Ständestaat war, setzte der Übergang zum Sozialismus gemäß der marxistischen Doktrin jedoch eine voll entwickelte bürgerliche Gesellschaft voraus. Nach Lenins Auffassung bot daher vor allem Deutschland die besten Voraussetzungen für den Aufbau eines sozialistischen Gemeinwesens. Die von seinen deutschen Genossen seit einigen Monaten initiierten Umsturzversuche bestärkten ihn dabei in seiner Ansicht. 

Um der gemeinsamen Sache zum Sieg zu verhelfen, versuchten die Bolschewiki, die anderen in Europa schon existierenden kommunistischen Parteien zu unterstützen. Moskau konnte dabei auf lang zurückreichende Traditionen innerhalb der sozialistischen Bewegung zurückgreifen. 

Schon 1864 war in Paris unter Beteiligung von Karl Marx die Internationale Arbeiterassoziation gegründet worden. Innerhalb dieser Ersten Internationale kam es jedoch schnell zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Kommunisten und Anarchisten. Letztere spalteten sich schließlich von der gemeinsamen Organisation ab. Die verbliebenen Marxisten muss­ten die Gesellschaft schließlich 1876 aufgrund fehlenden Engagements auflösen. 

Die Gründung der Zweiten Internationale im Jahre 1889 hielt deutlich länger. Sie zerfiel de facto im Jahre 1916, da der Erste Weltkrieg zu erheblichen Spannungen zwischen den nationalen Mitgliedsorganisationen geführt hatte. Weil sich die Zweite Internationale zu keiner klaren Antikriegshaltung durchringen konnte, galt sie schließlich als diskreditiert. 

Um die neu zu gründende Komintern von solchen Reibereien künftig freizuhalten, war man im Kreml bemüht, von vornherein nur Delegierte solcher Parteien einzuladen, die sich leicht auf den Moskauer Kurs einschwören ließen. Vor allem sollte die Organisation von moderaten und eher sozialdemokratisch orientierten Kräften frei gehalten werden. Aus diesem Grund waren die geladenen Gäste handverlesen und wenig repräsentativ für die weltweite sozialistische Bewegung. Viele Delegierte repräsentierten nur Splittergruppen. Neben den russischen Kommunisten war lediglich die Kommunistische Partei Deutschlands von politischer Relevanz. Sie zeigte sich auf der Gründungskonferenz vergleichsweise souverän. Ihr Vertreter, der aus Saalfeld stammende Hugo Eberlein, enthielt sich denn auch bei der Beschlussfassung zur Gründung der Komintern, da das Berliner Hauptquartier der Partei diese Entscheidung für übereilt hielt. Dennoch traten die deutschen Genossen der Organisation schließlich bei.

Anders als ihre Vorgänger war die Komintern straff gegliedert und kein Debattierclub. Ihre Leitung, das sogenannte Exekutivkomitee, behielt seinen Sitz in Mos­kau und wurde von den russischen Kommunisten kontrolliert. Die Mitgliedsorganisationen in aller Welt waren weitgehend an die Weisungen des Komitees gebunden. Faktisch war die Komintern eine Marionette des Kreml und somit der verlängerte Arm sowjetischer Außenpolitik. Nachdem sich die anfänglichen Hoffnungen auf eine rasche Weltrevolution zerschlagen und Josef Stalin, der das Konzept vom Aufbau des Sozialismus in einem Land entwickelt hatte, die Macht in Moskau übernommen hatte, war die Komintern im Wesentlichen zu einem kleinen Spiegelbild der innersowjetischen politischen Auseinandersetzungen verkommen. 

Der nach dem Tode Lenins aus Russland verbannte Leo Trotzki gründete 1938 gar eine Vierte Internationale, die in Opposition zu Stalin und dem Moskauer Einfluss auf die Komintern stand. Letztere verlor immer mehr an Bedeutung. 

Mit dem deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt von 1939 verzichtete der Kreml darauf, seine deutschen Genossen in der Opposition gegen Adolf Hitler weiter zu unterstützen. Als die Wehrmacht nur ein Jahr später große Teile Kontinentaleuropas kontrollierte, konnten sich auch andere Kommunisten in den zwischenzeitlich besetzten Gebieten nicht mehr an den bisherigen Hilfen aus Moskau erfreuen. Als am Morgen des 22. Juni 1941 die deutschen Streitkräfte mit ihren Verbündeten zum Angriff auf die Sowjetunion ansetzten, war der Einfluss des Kreml auf die in der Illegalität operierenden kommunistischen Widerstandsgruppen massiv geschwunden. Eine erneute Kurskorrektur von einer pro-deutschen Ausrichtung wieder hin zu einer antifaschistischen und antinationalsozialistischen Volksfrontpolitik war vielen zur Komintern gehörenden Gruppen nicht mehr vermittelbar. Wegen ihrer Bedeutungslosigkeit und auch aus Rücksicht auf seine westlichen Verbündeten ließ Stalin die Dritte Internationale schließlich im Juni 1943 auflösen.