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01.03.19 / Unser Tierbild: Eine Revolution / Ratten lachen, Schweine buhlen um Freunde: Forscher machen epochale Entdeckungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-19 vom 01. März 2019

Unser Tierbild: Eine Revolution
Ratten lachen, Schweine buhlen um Freunde: Forscher machen epochale Entdeckungen
Dagmar Jestrzemski

Hunde- und Katzenhalter wussten es schon immer: Ihr Haustier zeigt viele Verhaltensweisen, die denen der Menschen erstaunlich ähneln. Daraus resultiert ihre Meinung, dass Tiere uns viel näher stehen als allgemein behauptet. Mittlerweile hat die Verhaltensbiologie, eine Disziplin der Biowissenschaften, diese Einschätzung voll und ganz bestätigt. 

Das gilt keineswegs nur für Tiere, die im Umfeld von Menschen sozialisiert wurden, sondern für alle mit den neuartigen Methoden untersuchten Säugetierarten und bis zu einem bestimmten Grad sogar für Fische. Nur zeigt sich das von uns als „schlau“ oder „friedfertig“ bewertete Verhalten unserer Haustiere bei Tieren in freier Natur, bei Meerschweinchen im Labor oder bei Schweinen auf dem Versuchsfeld eben auf andere Weise.

Lange hielt sich die schon von Aristoteles verkündete Annahme, dass Tiere keinerlei Vernunft besäßen und nur ihren Instinkten folgen. Die gängige Vorstellung vom triebgesteuerten Tier, das gleichsam zu einer Art von Automat abgestempelt wurde, kam erst im Laufe des 20. Jahrhunderts ins Wanken, als neue Methoden der Landwirtschaft wie die Massentierhaltung zu einer allzu leidvollen Behandlung durch den Menschen führten. 

Bereits der Verhaltensforscher Konrad Lorenz bewies durch seine Arbeiten, dass das Verhalten der Tiere ebenso mit wissenschaftlichen Methoden erforscht werden kann wie ihre Anatomie. Bei seiner vergleichenden Forschung sprach Lorenz von „Tierpsychologie“. Doch erst in den vergangenen zehn bis 15 Jahren wurden auch die Emotionen der Tiere zum zentralen Forschungsfeld der Verhaltensbiologie. 

Die moderne Wissenschaft vom Verhalten der Tiere ist darauf ausgerichtet, ein realistisches Bild vom Tier zu ermitteln. Untersucht werden die Einflüsse von Genen und Umwelt. Computergestützte Anwendungen sowie das Zusammenspiel unterschiedlicher Fachdisziplinen erbringen abgesicherte, reproduzierbare Aussagen über die Wesenseigenschaften der Tiere und ihr Verhalten. 

Angesichts der Fülle an bahnbrechenden Forschungsergebnissen spricht der renommierte Zoologe und Verhaltensforscher Norbert Sachser von der Universität Münster in seinem Bestseller „Der Mensch im Tier“ von einer Revolution des Tierbilds. Fest steht, dass Tiere ebenso wie Menschen eine individuelle Persönlichkeit haben. 

Dementsprechend können Säugetiere teilweise auf hohem Niveau miteinander  kommunizieren, sich freuen und ärgern. Sie sind eifersüchtig, eitel oder gelangweilt, sie tricksen, spielen, trauern und geben ihren Gefühlen durch verschiedene Laute Ausdruck. 

Nicht nur Krähen und Papageien, auch Tauben sind ungemein lernfähig und in der Lage, menschliche Gesichter zu erkennen. Ratten können lachen, Schweine arbeiten ebenso hart für einen Sozialkontakt wie für Futter. Dabei zeigen ihre Körper und Gehirne dieselben Reaktionen wie beim Menschen – etwa hinsichtlich der Hormonausschüttung. 

Tiere suchen sich Freunde, jedoch verhalte sich kein Tier zum Wohle seiner Art, versichert der Forscher. Schimpansen verabreden sich zum Töten von Artgenossen, was vermutlich auf eine Vergrößerung der eigenen Gebiete abzielt. Damit erhöht sich für jedes Individuum die Chance, die eigenen Gene weiterzugeben, denn überaus mächtig wirkt in allen Tieren ihr angeborener Fortpflanzungstrieb. 

Nach den jüngsten Enthüllungen über das geheime Leben der Bäume werden wir nun also auch durch den neuen Wissensstand über Tiere an Alexander von Humboldts Rede von der Natur als einem lebendigen System erinnert, in dem alles mit allem verbunden ist.