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01.03.19 / Wirren um das Lebuser Land / Eine neue Publikation erklärt die einzelnen Etappen vom Bistum hin zur Woiwodschaft

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-19 vom 01. März 2019

Wirren um das Lebuser Land
Eine neue Publikation erklärt die einzelnen Etappen vom Bistum hin zur Woiwodschaft
Edmund Pander

Elzbieta Anna Polak, die Marschallin (entspricht annähernd einem Ministerpräsidenten) der Woiwodschaft Lebus betonte zu dessen 20-jähriger Existenz „Vor 20 Jahren war ich Bürgermeisterin der kleinen Gemeinde Mallmitz [Malomice]. Ich erinnere mich kaum noch an die Antagonismen zwischen Grünberg [Zielona Gora] und Landsberg [Gorzow]. Wir bauen nun gemeinsam eine grüne, technologisch moderne Landschaft“, umriss sie in Gedenken an die Bildung der neuen Woiwodschaften Polens zum 1. Januar 1999 20 Jahre später den Neuanfang und kaschiert damit das schwammige Profil der Kunstregion. Die 16 damals gebildeten Woiwodschaften lehnen sich meist an historische Regionen an, auch wenn es deutlich mehr funktionale Abweichungen gegenüber den deutschen Ländern gibt. Im Falle des Lebuser Landes [Ziemia Lubuska], das mittelalterliche Wurzeln hat, aber exorbitant über seinen historischen Kern hinaus neu konstruiert wurde, geht es um mehr als Abweichungen. Hier fand eine völlige Neukonstruktion eines Raumbegriffs auf Grundlage eines eigentlich längst verlorenen Geschichtsstrangs statt.

Als im Mittelalter das römisch-deutsche Reich nach Osten und der frühe Piastenstaat von Gnesen kommend nach Westen drängte, bildete sich an der Oder ein Konfliktraum. Zur Festigung seiner Macht gründete Boleslaus III. Schiefmund um 1125 das Bistum Lebus als Suffragan und kleinstes Bistum im Erzbistum Gnesen, womit er Kaiser Heinrich V. zuvorkam und diesen Bereich somit dem Einflussbereich des Erzbistums Magdeburg entzog.

Dieses Bistum blieb jedoch 

an neuralgischer Schnittstelle eingeengt und ohne territoriale Entwick-lungsmöglichkeiten. Der Ort Lebus konnte sich zudem nicht zu einem Handelszentrum entwickeln, nachdem das nahe Frankfurt an der Oder im Zuge der deutschen Ostkolonisation diese Funktion besser übernehmen konnte. Aus der polnischen Geschichte war das Lebuser Land bereits Mitte des 13. Jahrhunderts ausgeschieden, als das Gebiet durch Verkauf im Zuge der Teilung des Herzogtums Schlesien zum Kondominium des Erzbistums Magdeburg und Brandenburg wurde und 1252 letztlich brandenburgischer Pfandbesitz. 1276 wurde der Bischofssitz aus Lebus nach Göritz [Gorzyca] östlich der Oder verlegt, die dortige Kathedrale wurde 1325 in einer Vergeltungsaktion zerstört, nachdem polnische Einheiten in die Region eingefallen waren. 1424 erfolgte noch der Wechsel des Bistums mit wiederum neuem Sitz in Fürstenwalde/Spree (ab 1373) vom Erzbistum Gnesen an Magdeburg.

Ab 1313 wurde in Dokumenten für den östlich der Oder gelegenen Teil des kleinen „Lebuser Landes“ der Name „Sternberger Land“ verwendet, womit bis 1945 das Lebuser Land nur noch westlich der Oder bekannt war. Und obwohl das kleine Städtchen Lebus westlich der Oder nach dem Zweiten Weltkrieg nun in der DDR lag, propagierte Polen ab 1945 den Namen nun wieder östlich der Oder. Und zwar nicht etwa nur für den alten östlichen Teil des Lebuser Landes, dem „Sternberger Land“, sondern auch für Gebiete, die niemals in der Geschichte zum Lebuser Land gehört hatten. Mit der Findung von topografischen Bezeichnungen für die neuen Gebiete wurde das Posener Westinstitut beauftragt, das im Falle des Lebuser Landes den Namen als regionalen Begriff für dieses Gebiet geradezu ausufernd definierte, da es Teile Schlesiens, Pommern, des Posener Landes und der Niederlausitz mit einbezog. 

Schon 1946 hatten der Geologe Bogumil Krygowski und der Geograf Stanislawa Zajchowska die neue Funktion des Namens „Lebuser Land“ als Verbindungselement zwischen Pommern und Schlesien bestimmt. Jedoch wurde dieses Land zugleich als westlicher Teil Großpolens verstanden. Konkrete Konturen gewann der Begriff nämlich durch die neuen, bis 1950 gültigen Woiwodschaftsgrenzen, indem alle ehemals deutschen Gebiete innerhalb der Woiwodschaft Posen nun als „Lebuser Land“ galten. Das kuriose dabei: Angesichts des Woiwodschaftszuschnitts wurde nun auf einmal gar Landsberg/Warte [Gorzwo Wielkopolski] und sogar das bislang immer niederschlesische Grünberg [Zielona Gora] in den Raum hineinkatapultiert. Die „Gazeta Lubuska“ bildete das regionale Pressorgan und mit der Woiwodschaftsreform 1999 wurde für die zusammengeschlossenen, seit 1975 bestehenden, Klein-Woiwodschaften Landsberg und Grünberg der Name „Lebuser Woiwodschaft“ auch ganz offiziell als Raumbegriff eingeführt.

Die Etappen, wie diese Aneignung in neuer Raumdimension konstruiert wurde und in welchem Maße, sie von den neuen Bewohnern als identitätsstiftend angenommen wurde, beschreibt eine neue wissenschaftliche Arbeit von Kerstin Hinrichsen. „Die Erfindung der Ziemia Lubuska“ (V&R unipress), die auf ihrer Dissertation von 2015 fußt und das kurioseste Raumgebilde der ehemaligen deutschen Ostgebiete dem deutschen Leser ausführlich verständlich macht. Denn die Begriffsverwirrung bleibt schwierig. Der deutsche Name Ostbrandenburg greift als Übersetzung räumlich nicht mehr, der polnische hat in der deutschen Sprache in dieser Dimension keine Wurzel, zumal vor allem weite Teile Schlesiens seiner eigentlichen Heimatregion entfremdet wurden. Immerhin ist Grünberg in Schlesien ja sogar Sitz des Lebuser Landtages. Die Hauptstadtfunktion teilt man jedoch mit Landsberg, wo der Woiwode seinen Sitz hat.