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01.03.19 / Wie Macht und Geld miteinander verwoben sind

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 09-19 vom 01. März 2019

Wie Macht und Geld miteinander verwoben sind
Lars Keiser

Paul Schreyer fasst in seinen Büchern immer wieder heiße Eisen an. Jetzt ist seine 2016 erschienene Studie „Wer regiert das Geld? Banken, Demokratie und Täuschung“ als überarbeitete Taschenbuchausgabe neu erschienen. Schreyer hat das brisante Thema aktualisiert mit einem 

Rückblick auf die Vollgeldinitiative in der Schweiz, die im Juni 2018 bei einer Volksabstimmung scheiterte. Eine grün-liberale Nationalrätin verlautbarte, dass Banken nur das Geld verleihen könnten, das sie als Einlagen erhalten hätten. 

Die studierte Ökonomin Kathrin Bertschy hat offenbar zu tief in die neoliberalen Lehrbücher geschaut. Denn dem Unterrichtsmaterial der Deutschen Bundesbank könnte sie unmissverständlich entnehmen: „Geschäftsbanken schaffen Geld durch Kreditvergabe.“ Diese Praxis wurde den Banken zwar nie erlaubt, aber auch nicht verboten. Wenig bekannt ist die Tatsache, dass Geschäftsbanken das Geld auf unseren Girokonten buchhalterisch behandeln dürfen, als sei es Eigenkapital. So stopfte etwa die klamme Barclays Bank 2008 in der Finanzkrise das gähnende Kapitalloch mit dem Verkauf von Aktien an die Herrscherhäuser von Katar und Abu Dhabi. 

Ihren optimalen Gestaltungsspielraum stört aus Sicht der Banken eigentlich nur das Bargeld. Als staatlich geschöpftes Zentralbankgeld ist es nämlich nicht durch Knopfdruck aufs Konto zu zaubern und birgt stets die Gefahr des „bankrun“, wenn bei einer Finanz- und Vertrauenskrise die Kontoinhaber alle gleichzeitig ihre Geldansprüche in Bargeld realisieren wollen. Davon ist aber bei Banken ohne Vollgeldordnung nie genug für alle da. 

Soweit die Ausgangslage. Doch wie ist es dahin gekommen, wer profitiert davon, und hat das alles noch mit Demokratie zu tun? Diesen Fragen widmet sich Schreyer und wirft dafür einen Blick hinter die Kulissen. So erfahren wir, dass Karrieren mit Drehtüreffekt dafür sorgen, dass scheinbar neutrale Institutionen lobbyistisch tätig sind und etwa die Verzahnung von staatlicher Verschuldung und privaten Banken diskret organisieren. Aufschlussreich ist auch die Gründung der „Bank of England“ 1694 als erste private Zentralbank. Das englische Unterhaus schuf sie als Aktiengesellschaft, die für die Kredite der Gläubiger, meist an die Krone, garantierte und dafür das Recht erhielt, so viel Geld in Umlauf zu bringen, wie sie Kredit gewährt hatte. Da die reichsten Abgeordneten des Unterhauses auch die Hauptaktionäre waren, wusste man dafür zu sorgen, dass der Schuldendienst durch entsprechende Steuern auch gesichert war. 

Augenöffnend sind auch die Auseinandersetzungen Englands mit seiner nordamerikanischen Kolonie, die sich als Kampf um die Finanzhoheit präsentiert. Während England etwa gezielt Papier-Falschgeld nach Amerika verschiffte, um mit einer Inflation die widerspenstige Kolonie gefügig zu machen, hielten sich die betuchteren Amerikaner ihrerseits schadlos, indem sie britische Schiffe kaperten, von 1775 bis 1782 sage und schreibe 2000. Als nach der schließlichen Unabhängigkeitserklärung der USA eine Zentralbank nach englischem Vorbild etabliert werden sollte, war Präsident Thomas Jefferson skeptisch und fürchtete eine Übernahme durch Spekulanten und Abenteurer. Die neue Bank bekam nur eine 20-Jahres-Lizenz und wurde danach mit knapper Kongressmehrheit wieder aufgelöst. Als dann publik wurde, dass mehr als 70 Prozent der Anteilseigner Holländer und Engländer waren, war die Empörung groß. 

70 Jahre verzichteten die USA danach auf eine Zentralbank, bevor die Bankiers, flankiert von einer Schmutzkampagne gegen den zentralbankkritischen Präsidentschaftskandidaten Horatio Seymour, mit einem neuen Anlauf erfolgreich waren. 

Leider fehlt bei Schreyer die temporäre Bimetall-Gelddeckung der USA durch Gold und Silber. Sie hatte im frühen 20. Jahrhundert für das kaiserliche China desaströse Auswirkungen und ebnete dem Aufstieg Maos den Weg. Zum Schluss noch kurz der „deutsche Weg“: Es war der „Alte Fritz“, der 1765 in Preußen die „Königliche Giro- und Lehnbank“ etablierte, mit der der Preußenkönig die Willkür privater Geldverleiher eindämmte. Staatliches Papiergeld gab es hier zwischen 1766 und 1806, Auseinandersetzungen über die Machtverteilung zwischen Banken und Staat natürlich auch. Ärgerlich sind die Ausführungen Schreyers über die Zeit Bismarcks bis in die Gegenwart, weil sie den „eingebetteten“ Interpretationskorridor zeitgenössischer Sozialkunde nie verlassen. Die Reichsbank von 1933 bis 1945 fehlt komplett. Dennoch insgesamt unbedingt lesenswert. 

Paul Schreyer: „Wer regiert das Geld? Banken, Demokratie und Täuschung. Eine Reise ins Zentrum der Macht“, Piper Verlag München 2018, 224 Seiten, broschiert, 10 Euro