Wenn jemand im Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds verewigt ist, muss er schon wirklich bedeutend sein. Einer davon ist der Schuster Friedrich Wilhelm Voigt, den die von ihm als Hauptmann von Köpenick inszenierte Amtsanmaßung weltbekannt gemacht hat. Und nicht nur ihn, sondern auch den heutigen Berliner Ortsteil, von dessen Existenz ohne Voigts Köpenickiade wohl niemand außerhalb des Berliner Dunstkreises Notiz nehmen würde.
Wohl nicht zuletzt deshalb und weil aus der historischen Gestalt im Laufe von über 100 Jahren eine kulturelle Persönlichkeit geworden ist, kämpft ein Verein darum, dass der „Hauptmann von Köpenick und die Köpenickiade“ als immaterielles Kulturerbe auf die UNESCO-Liste gesetzt wird. So, wie vor einigen Jahren der
– wohlgemerkt fiktive – Rattenfänger von Hameln. Doch der Berliner Senat spielt nicht mit. Er weigert sich, die Bewerbung weiterzuleiten. Begründung: zu militaristisch. Da die Köpenickiade „mit dem deutschen Kaiserreich und dem preußischen Militarismus verbunden und nicht mehr zur Identifikation geeignet“ sei, entspreche sie nicht den UNESCO-Kriterien für eine Eintragung in das bundesweite Verzeichnis.
Eine krude Argumentation, gibt es doch kaum etwas, was das Absurde und nicht zuletzt auch Gefährliche des hierarchischen Untertanenstaates und des bedingungslosen Gehorsams deutlicher entlarvt als der bühnen- hafte Auftritt des abgerissenen Vagabunden, der sich einzig und allein durch das Anlegen einer – noch dazu unvollständigen – Uniform Respekt und in dessen Folge die Stadtkasse verschafft hat. Voigt und sein unerhörter – auch für uns Heutige noch lehrreicher – Coup sind einer Aufnahme in die Kulturerbe-Liste würdig.