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08.03.19 / Für Brüssel und London / Die Gibraltesen wollen zur EU und zu Großbritannien gehören

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-19 vom 08. März 2019

Für Brüssel und London
Die Gibraltesen wollen zur EU und zu Großbritannien gehören
Markus Matthes

In das Abkommen über den Brexit, auf das sich die britische Premierministerin Theresa May mit den Staats- und Regierungschefs der anderen 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union am 25. November 2018 einigte, ist Gibraltar nicht mit einbezog. Spanien hatte im Falle einer Verweigerung bilateraler Gespräche mit einer Ablehnung der Übereinkunft gedroht. Nachdem diese im britischen Parlament Mitte Januar keine Mehrheit gefunden hatte, setzte die EU Anfang Februar bei den Verhandlungen über eine beiderseitige Visa- und Gebührenbefreiung im Falle eines harten Brexits am 29. März noch eins drauf. Man erklärte Gibraltar kurzerhand zur „Kolonie“ und berief sich dabei einfach auf 50 Jahre alte Resolutionen der Vereinten Nationen. Downing Street fand den Begriff erwartungsgemäß völlig inakzeptabel und Gibraltars Regierungschef von der Labour Party, Fabian Picardo Picardo, sprach von einem Anachronismus.

Der Brite indischer Abstammung Claude Moraes, seit 2014 Vorsitzender des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres des Europaparlaments, blockierte daraufhin mit seinem Veto gegen die Verwendung des umstrittenen Begriffes den gesamten Prozess, da alle drei EU-Institutionen, Parlament, Rat und Kommission, einstimmig handeln müssen. May wird versuchen, am 12. März doch noch die nötige parlamentarische Zustimmung zu erhalten, bevor am 21./22. März in Brüssel ein letztes Mal vor dem Brexit auch über die ungewisse Zukunft Gibraltars gestritten wird.

Dank seiner strategischen Lage war Gibraltar von 711 bis 1462 der erste arabischer Stützpunkt in Europa. Erst 1462 im Zuge der Reconquista befreit, kam es nach neunjähriger Besetzung 1713 durch den Frieden von Utrecht auch offiziell zu England. Als die 1966 auf Druck der UN im Zuge der Dekolonisierung begonnenen spanisch-englischen Rückgabegespräche ergebnislos verliefen, das Referendum von 1967 eine fast 100-prozentige Zustimmung für einen Verbleib ergab und 1969 Gibraltar zum britischen Überseegebiet erklärt wurde, riegelte Spanien bis 1982 die Grenze hermetisch ab. Nachdem das Vereinigte Königreich 1973 der Europäischen Gemeinschaft beigetreten war, stieg das Pro-Kopf-Einkommen der nur knapp 30000 Bewohner des lediglich 8,5 Quadratkilometer große Territoriums Gibraltars bis 2014 auf beachtliche 60000 US-Dollar. Gibraltar wurde zu einem maritimen Dienstleister, extraterritorialen Bankensitz, und internationalem Konferenzzentrum sowie zu einer Steueroase, aber auch zum Umschlagplatz für Drogen und nicht verzollte Genussmittel. Im Juni 2016 stimmte man dementsprechend bei 84 Prozent Wahlbeteiligung mit 96 Prozent für den Verbleib in der EU, deren Zollterritorium man nie beigetreten war.

Picardo, der sich wie alle 17 Parlamentsmitglieder gegen den Brexit ausgesprochen hatte, machte aber in seiner diesjährigen Neujahrsansprache unmissverständlich klar, dass das damalige eindeutige Ergebnis für die EU in keiner Weise als Kompromissbereitschaft bezüglich der Souveränität zu betrachten sei. So gab man anlässlich des Austritts erstmals eine eigene Gedenkmünze heraus, und der britische Minister für internationalen Handel Liam Fox bekräftigte bei einem seiner seltenen Besuche vor Ort in Gesprächen über zukünftige wirtschaftliche Möglichkeiten die beiderseitigen Bande.