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08.03.19 / Ein Nationalstaat der Slowaken / Ein gutes halbes Jahrhundert vor der jetzigen entstand die sogenannte Erste Republik

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-19 vom 08. März 2019

Ein Nationalstaat der Slowaken
Ein gutes halbes Jahrhundert vor der jetzigen entstand die sogenannte Erste Republik
Wolfgang Kaufmann

Am 14. März 1939 entstand mit dem Slowakischen Staat, der späteren Slowakischen Republik, der erste slowakische Nationalstaat der Geschichte. Möglich wurde dies durch die Loslösung von der politisch schwer angeschlagenen Tschechoslowakei, in der die Slowaken eine ähnlich schlechte Behandlung erfahren hatten wie die anderen nichttschechischen Völker.

Im Mai 1918 verständigten sich tschechische und slowakische Exilgruppen im Pittsburgher Abkommen auf die Gründung eines gemeinsamen Staates. Von tschechischer Seite wurde den Slowaken dabei Autonomie und Gleichberechtigung zugesichert. Jedoch brachen die Tschechen dieses Versprechen schon bald nach der Proklamation der Tschechoslowakischen Republik (CSR) am 28. Oktober 1918. Sie behandelten die Slowakei wie eine tschechische Kolonie. Deswegen erschallte in den 1920er Jahren immer öfter der Ruf: „Die Slowakei den Slowaken!“ Hierauf reagierte Prag mit demonstrativer Härte: So wurde der slowakische Abgeordnete im tschechoslowakischen Parlament Vojtech Tuka 1929 wegen angeblicher Spionage für Ungarn zu 15 Jahren Haft verurteilt. Allerdings führte das nur zu einem weiteren Aufschwung der slowakischen Unabhängigkeitsbewegung und zur Radikalisierung von Hlinkas Slowakischer Volkspartei, unter der Führung des katholischen Geistlichen Andrej Hlinka.

Deren Stunde schlug nach der Unterzeichnung des Münchner Abkommens am 29./30. September 1938 und dem Ersten Wiener Schiedsspruch vom 2. November 1938: Die Zentralregierung in Prag, die weder den Verlust des Sudetenlandes an das Deutsche Reich noch die Abtretung weiter Teile der südlichen Slowakei an Ungarn hatte verhindern können, befand sich in einer derartigen Position der Schwäche, dass sie dem Drängen der Hlinka-Partei nach formeller Autonomie nachgeben musste. Am 22. November 1938 wurde die Verfassung der CSR geändert und der Slowakei nun die weitgehende Selbstständigkeit und eine eigene Landesregierung zugebilligt. An deren Spitze stand der römisch-katholische Priester und Theologe Jozef Tiso, der nach dem Tode Hlinkas am 16. August 1938 erst als dessen bisheriger Stellvertreter de facto und später auch formell von diesem den Parteivorsitz in der Hlinka-Partei übernahm. 

Kurz zuvor hatte Adolf Hitler die Annexion der „Rest-Tschechei“ beschlossen. Deshalb dachte man jetzt in Berlin intensiv über das weitere Schicksal der Slowakei nach. Dabei standen folgende Optionen offen: Angliederung an die deutsche Ostmark, komplette Überlassung an Ungarn oder nationale Unabhängigkeit. Die endgültige Entscheidung resultierte aus den Handlungen der Regierung in Prag ab dem 2. März 1939. 

An diesem Tage forderte der autoritär agierende neue tschechoslowakische Ministerpräsident Rudolf Beran den slowakischen Regierungschef Tiso zu einer Lo­yalitätserklärung in Bezug auf die tschechoslowakische Staatsidee auf und verlangte des Weiteren das Ende der slowakischen Selbstbewaffnung sowie den Verbleib tschechischen Militärs im nunmehrigen „Autonomen Land Slowakei“. Das lehnte die Regierung in Pressburg (Bratislava) kategorisch ab. Daraufhin kam es in der Nacht vom 9. zum 10. März 1939 zum sogenannten Homola-Putsch: Der tschechische Divisionsgeneral Bedrich Homola, der das im mittelslowakischen Turz-Sankt Martin stationierte 7. Armeekorps kommandierte, verkündete in Abstimmung mit dem tschechoslowakischen Staatspräsidenten Emil Hácha den Ausnahmezustand in der Slowakei. Zeitgleich marschierten weitere tschechische Truppen bis nach Pressburg vor, wo sie den dortigen Landtag auflösten. Anschließend entließ Hácha Tiso und ersetzte ihn am 11. März durch dessen innerparteilichen Rivalen Karol Sidor. 

Die deutsche Reaktion auf all diese Ereignisse bestand darin, sowohl Sidor als auch Tiso zu drängen, einen Hilferuf nach Berlin zu senden und zugleich die vollständige Loslösung der Slowakei von der Tschechoslowakei zu erklären. Das aber lehnten beide Politiker zunächst entschieden ab, da sie die friedliche und einvernehmliche Verselbstständigung der Slowakei anstrebten. Nichtsdestotrotz folgte Tiso am 13. März 1939 einer Einladung Hitlers nach Berlin. Dort wurde ihm mitgeteilt, Deutschland werde die Slowakei ab sofort ihrem Schicksal überlassen, falls er nicht „blitzschnell“ die Unabhängigkeit seines Landes ausrufe. Um die Ernsthaftigkeit der Lage zu unterstreichen, behauptete Reichsaußenminister Joachim von Ribbentrop wahrheitswidrig, ungarische Truppen seien auf dem Wege in Richtung der slowakischen Grenze. Hieraufhin äußerte Tiso, er wolle das Parlament in Bratislava als die einzig zuständige Instanz in dieser Frage auffordern, eine umgehende Entscheidung zu treffen.

Der slowakische Landtag trat dann auch tatsächlich schon am nächsten Tag zusammen und proklamierte um genau 12.07 Uhr mittags nach kurzen Ansprachen von Tiso und Sidor einstimmig den „selbstständigen und unabhängigen slowakischen Staat“, der nach der Verabschiedung einer Verfassung am 21. Juli 1939 als „Slowakische Republik“ firmierte. Zu diesem Schritt meinte der damalige slowakische Innenminister Martin Sokol später: „Aus Solidarität mit den Tschechen konnten wir keinen nationalen Selbstmord begehen.“

Die Slowakische Republik wurde nicht nur vom Deutschen Reich, sondern auch von zahlreichen anderen Staaten diplomatisch anerkannt, darunter Großbritannien, Italien, Frankreich, die Sowjetunion, Japan, China, Spanien, die Schweiz und Ungarn. Mit dem deutsch-slowakischen Schutzvertrag vom 23. März 1939 und dem hieran anknüpfenden Schutzzonenstatut vom 28. August lehnte sich die Republik an das Reich an. Folgerichtig gehörte sie später auch zum Kreis der Achsenmächte und nahm an der Seite des Reiches am Zweiten Weltkrieg teil. Hierdurch blieb das Land von einer Besetzung durch die Wehrmacht bis zum sogenannten Slowakischen Nationalaufstand (SNP)  im Jahre 1944 verschont – lediglich im Waagtal entlang der Grenze zu Mähren war vereinzelt deutsches Militär stationiert.

Mit dem SNP kam das faktische Ende der ersten Slowakischen Republik. Für den Ausbruch des SNP zeichnete die tschechoslowakische Exilregierung in London mitverantwortlich. In Reaktion auf die Erhebung übernahmen Wehrmacht- und Waffen-SS-Verbände unter SS-Obergruppenführer Gottlob Berger die Kontrolle. Allerdings nur bis April 1945, dann wurde die Slowakei von der Roten Armee besetzt. Dem folgte ihre zwangsweise Wiedereingliederung in die neu errichtete Tschechoslowakei, die von 1948 bis 1989 unter der Fuchtel der Kommunisten beziehungsweise Moskaus stand. Danach konnten sich die Slowaken erneut aus der Umklammerung durch die Tschechen lösen und 1993 eine zweite Slowakische Republik gründen.