26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.03.19 / Eine Region selbst interpretieren / Oberschlesien von oben geht – von innen nicht

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-19 vom 08. März 2019

Eine Region selbst interpretieren
Oberschlesien von oben geht – von innen nicht
Chris W. Wagner

Das Schlesische Museum zu Kattowitz eröffnete dieser Tage eine neue Ausstellung, die endlich einmal wieder etwas mit der Region zu tun hat, die man im polnischen Sinne als Aufgabengebiet zu verstehen hat, wenn von „Schlesien“ die Rede ist – Oberschlesien. „Oberschlesien aus der Luft“ heißt die neue Ausstellung und stellt einen Ausschnitt der fast zweijährigen Arbeit des Gleiwitzer Journalisten und Autoren Dawid Smolorz und des Berliner Fotografen Thomas Voßbeck dar.

Erstmalig wurde die gesamte Region in ihren historischen Grenzen in einer systematischen Weise fotografisch aus der Luft erfasst. Die Ausstellung beleuchtet dabei sowohl den polnischen als auch den tschechischen Teil Oberschlesiens. Die Autoren beschränkten sich nicht allein auf die allgemein bekannten Städte und Objekte. „Wir zeigen auch Orte und Anlagen, die bisher zwar weniger Beachtung fanden, sich aus der Luft aber zum Teil sehr attraktiv präsentieren, zum Beispiel das Rundangerdorf Knispel [Ksieze Pole] im Kreis Leobschütz, die riesige Abraumhalde ‚Charlotte‘ in Rydultau [Rydultowy] oder die Festungsanlagen von Neisse [Nysa]“, so Kurator Smolorz. Doch Platz fand diese Ausstellung nicht in einem der sieben Stockwerke des Museums, wovon drei unterirdisch sind, sondern im Freien auf dem Plac Grubiorza zwischen dem Verwaltungsgebäude und der historischen Waschkaue. Dass seine Präsentation, die noch bis zum 2. Juni zu sehen ist, bereits angelaufen ist, erfuhr Smolorz von der Museumshomepage – „kein guter Stil“, bemängelt der Kurator.

„Oberschlesien von oben“ ist neben einer Kunstausstellung der aus der Gegend von Lublin stammenden Teresa Murak, die jedoch trotz ihrer Herkunft hier ihren künstlerischen Blick auf die oberschlesischen Identität wirft, die einzige Sonderausstellung, die Oberschlesien zum Thema hat. Sonst findet man hier derzeit weitere temporäre Ausstellungen zum Thema Domestizierung der Säugetiere und der Müllentsorgung.

Dies scheint zur Philosophie der Museumsleiterin Alicja Knast zu passen. „Schlesische Geschichte ist so etwas wie ein Kondensat der polnischen und europäischen Geschichte. Beim Blick auf die Dynamik der Grenzänderungen, des sozialen und wirtschaftlichen Wandels wird klar: Über die Geschichte unserer Region zu erzählen, ist eine geeignete Methode zur Einführung in die Vorgänge, die das Schicksal von Polen und Europäern bestimmt haben. Das kann dazu dienen, die kulturelle Eigenart der Region zu erklären, aber ebenso gut, Lokalpatriotismus zu wecken“, schreibt Knast im deutsch-polnischen Magazin Dialog. „Aus ihrer historischen Erfahrung heraus bleiben die (Ober-)Schlesier skeptisch gegenüber dem, was sich in der Öffentlichkeit abspielt, und sie kultivieren ihre Traditionen und Bräuche im häuslichen Rahmen“, so Knast. Wer jedoch aus dem oberschlesischen „Kondensat“ den deutschen Teil der Geschichte verschweigt und daraus einen „europäischen“ baut, wird kaum Vertrauen bilden. Dem deutschen Oberschlesier bleibt demnach scheinbar nur, seine Identität lediglich in den eigenen vier Wänden auszuleben.

Fast zaghaft versteckt sich in der Dauerausstellung zur Region hier und da noch etwas, das unverkrampft an die deutsche Geschichte erinnert. So hat die deutschstämmige, oberschlesische Filmemacherin Alice Schatton das Vorkriegsoberschlesien akustisch eingefangen, indem sie deutschsprachige Gesprächsfetzen zum Beispiel über den Kaiser bei der Jagd in Pless oder die galoppierende Inflation in einer Caféatmosphäre abspielt (vgl. PAZ 34/2018). Darin zeigt sich noch die Handschrift des bei der Gründung des Museums 2015 zunächst ernannten Direktors Leszek Jodlinski, der nach Intervention nationalkonservativer Kräfte gleich wieder seines Amtes beraubt wurde. Auf der in Polnisch und Englisch geführten Internetseite wird der Besucher, der verstehen will, was nun die oberschlesische Identität ausmacht, sich selbst überlassen, indem er „Emotionen interpretieren soll“.