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08.03.19 / Der Stein des Weisen / Die Porzellanerfindung kostete ihn das Leben – Vor 300 Jahren starb Johann Friedrich Böttger durch Einatmung giftiger Dämpfe

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-19 vom 08. März 2019

Der Stein des Weisen
Die Porzellanerfindung kostete ihn das Leben – Vor 300 Jahren starb Johann Friedrich Böttger durch Einatmung giftiger Dämpfe
Dagmar Jestrzemski

Am 13. März 1719 starb in Dresden der Alchemist und Miterfinder des europäischen Porzellans Johann Friedrich Böttger. Er wurde nur 37 Jahre alt. Meist wird sein Name vorrangig genannt, wenn von der Nacherfindung des weißen Hartporzellans im Jahr 1708 die Rede ist. Tatsächlich waren aber mehr als ein Dutzend Personen daran beteiligt, und die wesentlichen Voraussetzungen dafür schuf ein anderer.

Die Entdeckung des Arkanums oder der Rezeptur für die Porzellanherstellung basierte auf langjährigen Versuchen und konnte nur durch das Zusammenwirken von erfahrenen Forschern und Fachleuten gelingen. Als dies erreicht war, gründete der sächsische Kurfürst und polnische König August der Starke im Jahr 1710 die Porzellanmanufaktur Meißen. Ihr stand eine glänzende Zukunft bevor. Meißen wurde zum Begriff für einmalig schönes und kostbares Porzellan. 

Zuvor blieb die Porzellanherstellung in Europa jahrhundertelang etwas Geheimnisumwobenes. Nur die Chinesen waren imstande, Porzellangefäße verschiedenster Art und in allen Größen herzustellen. 1295 brachte der Venezianer Marco Polo erstmals Kunde von diesen Erzeugnissen nach Europa.

Seit dem späten Mittelalter hüteten die europäischen Herrscher die importierte weiße, vergoldete oder farbig verzierte Ware als wertvollen Besitz in ihren Schatzkammern. Ab 1500 wurden an mehreren italienischen Höfen Versuche unternommen, Porzellan nachzuahmen. Mit den Delfter Fayencen produzierten die Holländer im 17. Jahrhundert eine Ersatzware. Einer der leidenschaftlichsten Sammler von chinesischem Porzellan war der sächsische Kurfürst, der seit 1697 auch in Personalunion König von Sachsen und Polen-Litauen war. 

Den Hauptanteil an der Nacherfindung des Porzellans hatte zweifelsfrei der sächsische Philosoph, Mathematiker und Techniker Ehrenfried Walther von Tschirnhaus, Mitglied der Pariser Akademie und Korrespondent bedeutender Gelehrter. Ab 1679 be­schäftigte sich Tschirnhaus auf seinem Rittergut Kieslingswalde mit dem Bau von Brennspiegeln. Die von ihm entwickelten großen Brennspiegel und -gläser waren für seine Untersuchungen zur Glas-, Keramik- und Porzellanherstellung wichtig, da er mit ihnen die erforderlichen hohen Brenntemperaturen erreichen konnte.

Tschirnhaus gründete eine Glasmanufaktur und unternahm Experimente zum chemischen Verhalten von geschlemmten Ton- und Lehmerden bei hohen Temperaturen. 1704 gelangen ihm erste Porzellanerzeugnisse. Als Mitarbeiter für sein Dresdener Laboratorium in der Jungfernbastei wurde ihm 1707 der Staatsgefangene Johann Friedrich Böttger  zugewiesen und seiner Aufsicht unterstellt. 

Dass Böttger in der Erzählung über die Erfindung des Porzellans später die Hauptrolle zugeschrieben wurde, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass Tschirnhaus die Früchte seiner Forschertätigkeit nicht mehr ge­nießen konnte. Er starb unerwartet am 11. Okto­ber 1708 an der Ruhr. Hinzu kommt, dass das Leben des Alchemisten und vorgeblichen Goldmachers Böttger einem Schauermärchen gleicht, das Aufmerksamkeit erregte. 

Insgesamt 13 Jahre blieb Böttger Staatsgefangener Augusts des Starken und war zum Erfolg verdammt. Zwar konnte der selbsternannte Adept die Goldgier des Herrschers nicht befriedigen, entschädigte den verschwenderischen und prachtliebenden König jedoch mit der Erfindung von etwas ähnlich Kostbarem, wonach es diesen ebenfalls gelüstete. Das von Tschirnhaus und Böttger erfundene Porzellan besaß derart hervorragende, bestechende Ei­genschaften – es war sogar säureunempfindlich –, dass man es als „das weiße Gold“ bezeichnete. 

Böttger wurde am 5. Februar 1682 in Schleiz geboren und wuchs in Magdeburg auf. Mit 14 Jahren kam er in die Lehre zum Berliner Apotheker Zorn. Dort soll ihn ein anderer Lehrling in die Alchemie eingeführt haben. Deren Zweck bestand in der Suche nach dem „Stein der Weisen“, um mit dieser Materie unedles Metall oder Silber in Gold zu verwandeln. Vor Zeugen soll Böttger mit Hilfe des „Merkur“, eines roten Pulvers, angeblich einige Silbermünzen in reines Gold verwandelt haben. 

Nachdem er nochmals Gold erzeugt haben soll, wurde Brandenburgs Kurfürst Friedrich III. auf ihn aufmerksam. Aus Furcht vor Gefangennahme floh Böttger ins sächsische Wittenberg. Von dort überführten ihn die Häscher Augusts nach Dresden, wo er erst auf der Festung Königstein untergebracht war und anschließend auf der Dresdener Jungfernbastei. Später erhielt er eine Unterkunft auf der Albrechtsburg in Meißen.

August ließ für Böttger ein Laboratorium einrichten und veranlasste die Gründung des Collegium Contubernium, einer Forschergemeinschaft, der außer Böttger mehrere Wissenschaftler, Techniker sowie später auch Tschirnhaus angehörten. Ihre Hauptaufgabe war es, Gold herzustellen, ihr „Nebenwerk“ die Suche nach dem Arkanum für das „indianische“ Porzellan. 

Eingeteilt in drei Gruppen, konzentrierte sich ihre Arbeit zuletzt mit Zustimmung des Königs nur noch auf das Nebenwerk. Systematisch wurden Versuche mit lokalen Tonerden und hochtemperaturfesten Schmelztiegeln durchgeführt. 

1706 war das Herstellungsprinzip des chinesischen Porzellans entdeckt: Tone, Quarz zur Magerung und ein Flussmittel werden bei sehr hohen Temperaturen gebrannt. Nachdem die erfolgreiche Herstellung von weißem Hartporzellan am 15. Januar 1708 dokumentiert worden war, wurde im Juni 1708 die lange gesuchte reine, weiße Kaolinerde gefunden. Nach Tschirnhaus’ plötzlichem Tod blieb die Weiterent­wick­lung der Entdeckung Böttger vorbehalten.

Er fand 1709 die Rezeptur für die Porzellanglasur und die ersten Dekorfarben. Damit waren die Voraussetzungen für die Gründung der Porzellanmanufaktur Meißen zur Herstellung des weißen Hartporzellans erfüllt. Trotz Geheimhaltung war das Geheimnis von Meißen schon im Jahr darauf weitergeflüstert. 

1714 erhielt Böttger die lang ersehnte Freiheit. Aber seine Ge­sundheit war durch die Einatmung schädlicher Dämpfe ruiniert. Bis zu seinem Tod 1719 blieb er technischer Leiter der Porzellanmanufaktur Meißen.