24.04.2024

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08.03.19 / Der Kaiser von hinten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 10-19 vom 08. März 2019

Der Kaiser von hinten
Silvia Friedrich

Wer das Buch „Kaisertage“ umdreht, sieht unseren letzten Kaiser von seiner Rückseite. Symbolisch vielleicht für seine Abdankung stehend, betrachtet man den einstigen Monarchen, wie er sich mit dem darüber positionierten Satz „Kein Mensch ist mir dankbar“ von seinem Volk abwendet. Ganz sicher wird dem Leser in dem Werk von Paul Schönberger und Stefan Schimmel durch die bisher unveröffentlichten Aufzeichnungen der Kammerdiener und Adjutanten Wilhelms II. ein unbekannter Einblick in das Leben des Regenten gegeben. 

Anlässlich der 100. Wiederkehr des Jahrestags der Abdankung Kaiser Wilhelms II. am 9. November 1918 präsentiert das Buch anschaulich bebildert eine Fülle von Hintergrundinformationen. Nun könnte man meinen, solche Aufzeichnungen kämen eher staubtrocken daher. Doch weit gefehlt. Dieses Buch ist schon rein optisch ein Prachtband. Kaiser Wilhelm II. schaut auf dem Titel dem Leser ernst und majestätisch direkt in die Augen, um zwei Seiten weiter inmitten seiner Familie auf einem doppelseitigen Foto, die Kaiserin Auguste Viktoria neben sich, zu strahlen. Die kaiserliche Familie hat sich anlässlich des 25. Thronjubiläums seiner Majestät vor dem Neuen Palais in Potsdam versammelt. 

Auf der nächsten Seite schickt das aktuelle Oberhaupt des Hauses Hohenzollern, Georg Friedrich Prinz von Preußen, ein Grußwort an die Leser, indem er darauf hinweist, dass die im Hausarchiv der Burg Hohenzollern aufbewahrten Tagebücher der kaiserlichen Kammerdiener und Adjutanten von 1914 bis 1918 im vergangenen Jahr vollständig aufbereitet und transkribiert wurden. Diese Quellen gewährten über eine fast lückenlose Chronologie der Ereignisse hinaus, so der Prinz, auch überraschend private Einblicke in den Tagesablauf des Kaisers und vermittelten wertvolle Erkenntnisse über den Menschen Wilhelm II. Bevor man sich diesem jedoch zuwendet, wird einem bei einem Bildvergleich die Ähnlichkeit des Prinzen mit seinem Vorfahren auffallen. 

Schönberger, zu dessen Forschungsgebiet neben der Geschichte des preußischen Adels auch die deutsche Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts gehört, weist im Vorwort auf die besondere Bedeutung der Dokumente hin. Einmal gebe es von dieser Zeitspanne kaum Aufzeichnungen des Kaisers und zum anderen habe Kaiserin Auguste Viktoria am En-de des Krieges zahlreiche persönliche Unterlagen aus Angst vor marodierenden Revolutionären vernichtet. Die Notizen, wenn auch nur stichpunktartig, beschreiben den Tagesablauf in den Schlössern, aber auch den Kriegsalltag. Um den Lesern eine historische Einordnung der Schilderungen zu erleichtern, sind den sechs Kapiteln jeweils erläuternde Ausführungen vorangestellt. 

Reich bebildert bekommt man einen intensiven Eindruck der Lebensumstände des Kaiserhauses und der umstrittenen Persönlichkeit des letzten Deutschen Kaisers. Für historisch interessierte Leser ein wahrer Augenschmaus und Leckerbissen.

Paul Schönberger, Stefan Schimmel: „Kaisertage. Die unveröffentlichten Aufzeichnungen (1914 bis 1918) der Kammerdiener und Adjutanten Wilhelms II.“, Südverlag, gebunden, 24,90 Euro