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15.03.19 / Verschwippt und verschwägert / Zwei Großmeister der Renaissance in Berlin – Mantegna und Bellini teilten nicht nur denselben Malstil, sie waren auch verwandt

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-19 vom 15. März 2019

Verschwippt und verschwägert
Zwei Großmeister der Renaissance in Berlin – Mantegna und Bellini teilten nicht nur denselben Malstil, sie waren auch verwandt
Veit-Mario Thiede

Schon jetzt sprechen die Berliner von einer Jahrhundertausstellung. Mit „Mantegna und Bellini – Meister der Renaissance“ hat die  Gemäldegalerie am Kulturforum zwei Schwergewichte der Kunst aus Italien vereint. Deren Leinwand-Schätze haben einen beinahe unermesslichen Wert.

Für Kunstexperten sind sie das Traumpaar der Renaissance: An­drea Mantegna und Giovanni Bellini. Ihnen widmet die Berliner Gemäldegalerie noch bis Ende Juni eine mit prachtvollen Leihgaben ausgestattete Schau. Die rund 100 Gemälde und Grafiken um­fassende Ausstellung ist ein Ge­meinschaftsprojekt der Gemäldegalerie mit Londons National 

Gallery. Beide besitzen herausragende Sammlungen der Werke Mantegnas und Bellinis.

Andrea Mantegna (um 1431–1506) war ein frühreifes Genie, das mit elf Jahren in Padua seine Ausbildung zum Maler aufnahm. Seinem Schaffen verdanken Albrecht Dürer und Leonardo da Vinci wichtige Anregungen. Der Sohn eines Schreiners brachte es 1460 zum Hofmaler des Mantuaner Markgrafen Ludovico III. Gonzaga, der mit Barbara von Brandenburg verheiratet war. 

Giovanni Bellini (um 1435–1516) gehörte einer Malerdynastie Venedigs an. Er und sein Halbbruder Gentile gingen bei ihrem Vater Jacopo in die Lehre. Giovannis Pinselführung erregte die Bewunderung Dürers, der 1506 über ihn schrieb: „Sehr alt und immer noch der Beste im Gemol (im Malen).“ 

Der zum offiziellen Maler der Republik Venedig erhobene Bellini beschäftigte Werkstattmitarbeiter, die weltberühmt wurden: Giorgione und Tizian. Nachdem Mantegna 1453 Bellinis Halbschwester Nicolosia geheiratet hatte, bahnte sich zwischen den Schwägern nicht nur ein künstlerischer Austausch, sondern auch ein Wettstreit an. Diesen beleuchtet die Ausstellung.

Besonders nah kommen sich die beiden Künstler mit ihren Gemälden von „Christus am Ölberg“. Auf Mantegnas um 1455 gemaltem Bild wecken zunächst die dicht im recht düsteren Dämmerlicht beieinander liegenden, vom Schlaf übermannten Jünger Petrus, Johannes und Jakobus unser Interesse. Über ihnen kniet Christus auf einem Felsen und betet. Bellini beantwortete Mantegnas Komposition mit seinem um 1458 geschaffenen Gemälde. Er gibt der bei seinem Schwager dicht zusammengedrängten Sze­ne mehr Raum, erklärt die eingenickten Jünger zu Nebendarstellern und erhebt Christus zum unumschränkten Bildmittelpunkt. 

Große Sorgfalt legte Bellini auf die Schilderung der lichtdurchfluteten Landschaft. Die stimmungsvolle Landschaftsdarstellung ist eine seiner Stärken. Treffend heißt es im Katalog: „Das Gespür für Licht, für Himmel und für Landschaft wurde zum Leitmotiv seines Schaffens und zum Qualitätsmerkmal, das ihn von seinen Zeitgenossen, vor allem seinen Konkurrenten abhob.“

Verblüffend ähnlich sehen sich Mantegnas und Bellinis Gemälde der „Darbringung Christi im Tempel“. Mantegnas entstand um 1454. Josef und weitere Halbfiguren erscheinen hinter einem Fensterrahmen, auf dessen Gesims das von Maria gehaltene Jesuskind steht. Der alte Simeon 

streckt die Hände nach dem Kleinen aus, da er in ihm den künftigen Retter der Menschen erkennt.

Neville Rowley vom Kuratorenteam hebt hervor: Mit diesem Gemälde beziehe Mantegna „die Betrachter auf bisher beispiellose Weise ins Geschehen ein, holt sie nahe an die Heiligenfiguren und biblischen Erzählungen heran“. 

Während Mantegna jedoch seine Erfindung der halbfigurigen Heiligendarstellung nur selten nutzte, trug Bellini entscheidend zu ihrer weiten Verbreitung bei. Mantegnas Gemälde der Darbringung Christi pauste Bellini um 1470 sogar durch und wandelte die Komposition anschließend ab. Er erhöhte das Figurenpersonal und steigerte die Dramatik der Szene.

Zwei lebensvolle Porträts zählen zu den Höhepunkten der Präsentation. Faszinierende Gegenwärtigkeit entwickelt der von Mantegna gemalte „Kardinal Lu­dovico Trevisan“ (1459/60), dessen Bildnis zum Besitz der Berliner Gemäldegalerie zählt. Der im­ponierende Geistliche vermittelt den Eindruck, dass ihm soeben eine Eingebung zuteilwird. 

Im Unterschied zu Mantegnas im büstenhaften Ausschnitt direkt vor uns in Erscheinung tretenden Kardinal hält der von Bellini porträtierte „Doge Leonardo Loredan“ (um 1501/02) Abstand zu uns. Er steht nämlich hinter einer Brüstung. Bellini präsentiert uns das mit Hornkappe und Golddamastmantel in Amtstracht wie­dergegebene Oberhaupt der Re­publik Venedig als äußerst würdevolle Erscheinung, die bis auf den leisen Hauch eines Lächelns keine Gefühlsregung zeigt. Erstmals hat die Londoner National Gallery dieses berühmte Porträt verliehen.

Einfallsreich variierte Madonnenbilder machen den Hauptanteil von Bellinis Schaffen aus. Eine besonders innige Bildlösung hat er mit der „Madonna auf der Wiese“ (um 1500–1505) gefunden, die das auf blauem Umhang in ihrem Schoß schlummernde Kind anbetet. Nur ausnahmsweise wagte er sich hingegen an Mantegnas Paradedisziplin: die römische Antike. Imposanter Höhepunkt der Beschäftigung mit ihr ist der „Triumphzug Cäsars“, an dem Mantegna in seinen letzten 20 Lebensjahren arbeitete.

Drei der sieben Monumentalformate aus der Sammlung von Queen Elizabeth II. sind ausgestellt. Fanfarenbläser und Vasenträger, Stiere, Elefanten und Wagen mit erbeuteten Statuen ziehen an uns vorüber. Auch sein wohl allerletztes Werk widmete Mantegna den alten Römern. „Die Einführung des Kybele-Kultes in Rom“ (1505/06) zeigt eine friesartige Aufreihung kontrastreich beleuchteter Gestalten in Grisaillemalerei. Sie scheinen – eben noch lebendig – zu Stein erstarrt. Das Werk ist Teil einer unvollen­deten Bilderfolge. 

Der Auftraggeber bat nach Mantegnas Tod Bellini, sie weiterzuführen. Der malte daraufhin „Die Enthaltsamkeit des Scipio“ (um 1506–1508). Im Vergleich zu Mantegnas hart umrissenen, wie „gemeißelt“ erscheinenden Figuren sehen Bellinis Gestalten weich geformt und leicht verschwommen aus, womit sie den Eindruck einer gespenstischen Vision vermitteln. 


Bis 30. Juni in der Gemäldegalerie, Matthäikirchplatz, Berlin, geöffnet Dienstag, Mittwoch und Freitag von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr, Sonnabend und Sonntag von 11 bis 18 Uhr. Eintritt: 14 Euro. Internet: www.mantegnabellini.de. Katalog, Hirmer Verlag, 39,90 Euro