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15.03.19 / Unterirdisch / Versenkt, überladen, lächerlich: Deutschlands missratene Denkmal-Architektur

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-19 vom 15. März 2019

Unterirdisch
Versenkt, überladen, lächerlich: Deutschlands missratene Denkmal-Architektur
Erik Lommatzsch

Am Berliner „Denkmal zur Erinnerung an die Bücherverbrennung“ durch die Nationalsozialisten im Mai 1933 kann man schnell einmal vorbeigehen, ohne es zu bemerken. Es handelt sich um eine am historischen Ort, dem heutigen Bebelplatz, ebenerdig eingelassene, nicht allzu große Glasplatte. Darunter sichtbar ist ein Raum mit leeren Bücherregalen. 

Passanten können sogar versehentlich drüberlaufen, was angesichts des Anliegens dieses Denkmals einen mehr als seltsamen Beigeschmack hat. Dies geht allerdings eindeutig nicht zulasten eines mitunter eben nur vermeintlich ignoranten Publikums. Die Verantwortung liegt vielmehr bei den Schöpfern der 1995 eingeweihten Konstruktion. 

Die Idee, ein Denkmal in einer Grube zu versenken, wurde auch anderswo in die Tat umgesetzt. In Leipzig ist der Erinnerungsgort an Carl Goerdeler, obwohl er sich direkt neben dem Neuen Rathaus befindet, noch schwerer zu finden. Goerdeler war nach langen Jahren als Zweiter Bürgermeister von Königsberg Oberbürgermeister von Leipzig. Als führender Kopf des Widerstands gegen die Nationalsozialisten ist er im Feb­ruar 1945 hingerichtet worden. Erinnert wird an ihn mittels einer Art in die Erde eingelassenen Mini-Arena. Deren Freihaltung von Laub und Müll ist aufwendig. Völlig überfrachtet ist das Ganze mit Texten; die schiere Masse an Zitaten Goerdelers auf den Stufen wirkt auf den potenziellen Leser abschreckend.

Die Unterdrückung von Meinungen durch ein totalitäres Re­gime, in Form einer „Bücherverbrennung“ auch noch theatralisch inszeniert, sollte sich nicht wiederholen; der Politiker Goerdeler stand mit seinem Leben gegen dieses Regime ein. Guten Grund für Denkmale gibt es also in beiden Fällen. 

Beide Erinnerungsorte richten sich allerdings nahezu ausschließlich an einen Kreis, der einerseits bereit ist zu suchen, andererseits vorinformiert ist und die gestalterische Interpretation daher vielleicht zu schätzen weiß. Ihren eigentlichen Zweck – ein Denkmal zu sein – haben sie eindeutig verfehlt. Das hier jeweils praktizierte unterirdische Verstecken ist nur eine Extremform. Es findet sich eine Vielzahl anderer Beispiele neuerer Monument-Innovationen, die ihrer Bestimmung nicht gerecht werden. 

Welche Funktion sollte ein Denkmal erfüllen? Zum einen Erinnerung wachrufen und auf­rechterhalten, zum anderen – und das mag in der heutigen, an historischer Bildung verarmten Zeit der wesentlichere Aspekt sein – muss es Informationen über Personen oder Ereignisse liefern. Dies sollte in einer Weise erfolgen, die den Interessierten orientiert, jedoch nicht durch Faktenfülle den Zugang verbaut und im besten Fall zur späteren, tieferen Auseinandersetzung mit dem Gegenstand anregt. 

Die Frage der Umsetzung hat sich in früheren Epochen kaum gestellt. Das 1897 am Deutschen Eck in Koblenz errichtete große Reiterstandbild zeigt Kaiser Wilhelm I. Mögen derartig heroisierende Darstellungen inzwischen Geschmackssache sein – über den Gegenstand der Erinnerung besteht hier kein Zweifel. Eine bescheidene, aber gelungene Form eines Denkmals sind etwa auch Tafeln mit kurzen biografischen Hinweisen an den ehemaligen Wohn- und Wirkungsstätten bedeutender Persönlichkeiten. Gegen moderne Kreativität oder Abstraktion spricht von vorn herein nichts. Aber grundsätzlich sollte ein Denkmal sichtbar und einladend sein sowie vor allem eine klare Aussage über sein Anliegen bieten. Als Versuchsfeld künstlerischer Selbstverwirklichung ist es nur sehr bedingt geeignet.

In diese Kategorie gehört leider die Konzeption für das „Denkmal für Einheit und Freiheit“ in Berlin. Der zu Recht als „Einheitswippe“ verspottete Entwurf überschreitet noch einmal eine Grenze, indem er die Erinnerung an die Vorgänge der Jahre 1989/90 der Lächerlichkeit preisgibt. Der Beschluss, ein Denkmal zu errichten, fiel 2007. Fertiggestellt sein soll es nun frühestens im Herbst 2020. Man hätte bei diesem Projekt die normalerweise ärgerlichen Verzögerungen auch als Segen betrachten können – sie wären geeignet gewesen, noch einmal über eine dem Anlass würdige Idee nachzudenken.