27.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.03.19 / Vertreibung aus dem »Paradies«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 11-19 vom 15. März 2019

Vertreibung aus dem »Paradies«
Konrad Löw

Drei „Bürger“ der „DDR“, Mann, Frau, Tochter, sehnten sich nach der Freiheit und wollten deshalb ihre Heimat, das sozialistische Arbeiterparadies, verlassen. Sie unternahmen 

13 Fluchtversuche über Land. Als sich auch der letzte als aussichtslos erwiesen hatte, begannen sie mit dem Bau eines Delta-Leichtflugzeuges. Doch das „Fluchtzeug“ wurde beschlagnahmt. Dabei war der Bau eines Flugzeuges gar nicht gesetzlich verboten, folglich auch die Konfiszierung rechtswidrig. 

Mit dieser Sachlage und Einsicht beginnt die unglaubliche Geschichte, ein zweijähriger Kampf mit dem Führungsstab des Systems der „DDR“. Schließlich sind die Genossen so genervt, dass der Ministerrat beschließt, die Vaterlandsverräter aufzufordern, einen Entlassungsantrag aus der „DDR“ zu stellen, was dann auch geschieht. Am 6. Oktober 1982 fahren sie mit ihrem Gefährt über die deutsch-deutsche Grenze. Alles nur ein Traum mit Happy End?

Das Buch beweist das Gegenteil. Es enthält nicht nur Kopien von Anträgen der Helden, so auf Erteilung eines Urheberscheines betreffend die Flugzeugkonstruktion, auf Erwerb einer Sportflugerlaubnis, sondern auch „DDR“-Dokumente, so die Anordnung einer Durchsuchung und einer Beschlagnahme sowie ein Bericht an „Genossen Generalleutnant Mittag“. Sogar ein Auszug aus dem Gesetzblatt ist beigefügt, der zeigt, dass die Gesetzeslücke gerade dieses Vorganges wegen geschlossen wurde. 

An der Faktizität besteht also kein vernünftiger Zweifel. Doch warum wurde das singuläre Spektakel im Westen nicht publik? Auch darauf gibt das Buch die überzeugende Antwort, indem es beiläufig das Leben dort beschreibt, so die Allgegenwart des Staatssicherheitsdienstes, dem zahllose Menschen hauptberuflich oder nebenberuflich angehörten. Im Falle der Reinholds war besondere Vorsicht geboten, damit ihnen keinesfalls ein Flug gelingt, der an den historischen Ballon-Flug erinnert mit seiner weltweiten, auch verfilmten Resonanz. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass auch Stasi-Mitarbeiter Erwähnung finden, die den potenziellen Opfern Warnungen zukommen ließen und so Schlimmes verhinderten. Das erinnert an die Zeit des Dritten Reiches und die Versuchung, alle Mitarbeiter der als kriminell eingestuften Organisationen, so der Geheimen Staatspolizei, für ehemals Kriminelle zu halten, obwohl erwiesen ist, dass auch unter ihnen aufrichtige Helfer waren.

Gerade heute, wo die „DDR“ in der fernen Erinnerung eine versöhnliche Patina ansetzt, ist es wichtig, die harte Realität von damals ins Gedächtnis zu rufen, die an das Kriegsende erinnert, die mühsamen Tauschgeschäfte, um an Artikel des täglichen Bedarfs heranzukommen oder um in einer Gaststätte verköstigt zu werden – ohne Devisen: Die „DDR“- Bürger waren im eigenen Land Menschen zweiter Klasse, minderwertig verglichen mit den „Kapitalisten“, die mit Devisen imponieren konnten.

Eine Nachbarin wird zitiert, die altersbedingt in den goldenen Westen reisen durfte: „Du hättest erleben sollen, mit welcher Besorgnis und Furcht die Menschen bei meiner Rückreise im Zug ihr biss-chen Gekauftes oder auch die Geschenke, welche sie bekamen, bei sich trugen. Bis zur Grenze lachende Gesichter, dann abrupt diese Grabesstille. Zeitschriften, Romanhefte, die Kataloge, die man gern zuhause Freunden und Bekannten zeigen möchte, werden versteckt.“ Dazu passt, dass ihnen die Mitnahme von Geld untersagt worden war, weshalb sie an der Grenze keinen Kontakt zu den Verwandten herstellen konnten, bei denen sie sich angesagt hatten.

Reinhold von Drüben: „Am Himmel gab es keine Grenze“, Roswitha & Reinhold von Drüben, Gauting 2019,  gebunden, 448 Seiten, 20 Euro