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22.03.19 / Gegenwind / Von wegen »europäisches Friedensprojekt«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-19 vom 22. März 2019

Gegenwind
Von wegen »europäisches Friedensprojekt«
Florian Stumfall

Gerade in diesen Tagen, in überschaubarem Abstand zur EU-Wahl, wird dem Bürger eindringlich versichert, dass die Brüsseler Gemeinschaft ein Hort des Friedens sei. Was man gerne hört, glaubt man leicht, und so wird das Thema „Krieg und Friede“ in Bezug auf die EU auf deren Habenseite abgebucht. Bedenken anderer Art treten da zurück. Allerdings lohnt es sich, auf die Friedlichkeit der EU einen zweiten Blick zu werfen.

Dabei stellt sich heraus, dass Deutschland, um beim nächstliegenden Beispiel zu bleiben, mit seinem Militär in 16 Ländern der Welt vertreten ist, und kaum wo wurde die Bundeswehr eingeladen. Mit friedlichem Verhalten hat das wenig zu tun. Andererseits muss man sagen, dass keiner dieser Einsätze auf Entschluss und Initiative der Regierung in Berlin erfolgt, sondern ausschließlich wegen der Bündnisverpflichtungen gegenüber der NATO und eben auch der EU, welche die Freiheit des Handelns der deutschen Regierung stark einschränken. Demnach könnte die deutsche Regierung nur dann eine wahre Friedenspolitik machen, wenn sie nicht Mitglied internationaler Bündnisse wäre.

Was aber die „Friedensdividende“ der EU angeht, sieht diese so aus, dass nun das militärische Aggressionspotenzial der europäischen Länder nicht etwa unterdrückt, sondern nach außen gelenkt wird. Leid und Tod werden exportiert und nicht mehr wie in vergangenen Jahrhunderten in Europa ausgelebt.

Allerdings bleibt dieser Umstand nicht immer ohne Reaktion der Betroffenen. Dieser Tage ist vom Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster das Urteil in einer Berufungssache ergangen, bei der es um die Klage eines Somaliers gegen die Bundesregierung ging. Der Vater des Klägers wurde im Jahr 2012 bei einem US-Drohnenangriff getötet. Beschuldigt ist nicht explizit die U.S. Air Force, weil auch die CIA nach eigenem Recht Drohnen einsetzt. Es geht überhaupt nicht um die Rolle der USA, sondern um diejenige der deutschen Stellen. Die Argumentation: Ohne die Beteiligung der US-Militärbasis in Ramstein wäre der Drohnenangriff nicht möglich gewesen, genauso wenig wie ungezählte andere. 

Mit dem Fall aus Somalia stand in Münster noch ein weiterer zur Entscheidung an. Hier waren es drei Kläger aus dem Jemen, die, ebenfalls persönlich betroffen, Deutschland eine Mitschuld an dem anhaltenden Drohnenkrieg der USA in ihrem Land anlasten. Daher die Klage gegen die Bundesregierung, hier stellvertretend das Bundesministerium der Verteidigung. Die Kläger forderten, die Bundesregierung solle den USA die Nutzung der US-Basis Ramstein als Schaltstelle für Drohnenkriege untersagen.

Hier aber wird die Sache brisant. Blättert man die einschlägigen Pressekonferenzen des Verteidigungsministeriums in der vergangenen Zeit nach, so stellt sich heraus, dass das Ministerium jede Kenntnis eines Zusammenhangs zwischen Ramstein und dem US-Drohnenkrieg leugnet. Damit stellt sich die Ministerin Ursula von der Leyen samt ihrem ganzen Stab ein blamables Zeugnis der Kenntnislosigkeit und des Versagens aus. Selbstverständlich weiß man auch auf der Hardthöhe, was in Ramstein so getrieben wird, warum also gibt man sich lieber der Lächerlichkeit preis, als zur Sache Stellung zu nehmen?

Die Antwort ist so einfach wie schwerwiegend. Die Ministerin und mit ihr die ganze Bundesregierung müssten eingestehen, dass sie über Ramstein, das auf deutschem Boden liegt, keinerlei Entscheidungsbefugnis haben. Die Vorstellung, Berlin könnte, wie die Kläger fordern, den US-Amerikanern irgendetwas untersagen, ist absurd. Unabhängig von der anhaltenden Diskussion über die deutsche Souveränität: Angenommen, es gibt sie, so endet sie doch spätestens an von GI bewachten Schlagbäumen, und das gilt nicht nur für Ramstein. Dieses Dilemma ist es, das von der Leyen scheut, und mehr noch die Kanzlerin.

Weil es aber so ist, durfte man vom OVG in Münster nichts anders als ein politisches Urteil erwarten. Die Kammer lehnte die Klage ab. Zur Begründung führte der Vorsitzende des 4. Senats in der mündlichen Urteilsbegründung aus: „Die Klage ist bereits unzulässig. Der Senat hat nicht die Überzeugung gewinnen können, dass der Vater des Klägers tatsächlich bei dem angeführten Vorfall am 24.2.2012 durch eine bewaffnete amerikanische Drohne getötet worden sei.“ Und insgesamt: „Zivile Opfer sind neben voneinander abweichenden Angaben zu Opfern von al-Shabaab nicht erwähnt gewesen. Davon hat erstmals der Kläger gesprochen.“

Er wäre auch den Richtern eines Verwaltungsgerichts nicht zuzumuten gewesen, mit einem unbefangenen Spruch ein Präjudiz zur Frage nach der Souveränität Deutschlands zu schaffen. Legten sie der Regierung auf, bei den USA zu intervenieren und sich dabei lächerlich zu machen, dann könnte das nur mit Berufung auf die Souveränität erfolgen. Sprechen sie die Regierung von jeder Verantwortung bezüglich der Vorgänge in Ramstein frei, so geschieht das implizit mit der Begründung, dass Berlin in der US-Basis kein Recht ausüben kann.

Das gilt natürlich nicht nur für Ramstein. Dieser Ort kommt nur deshalb stellvertretend immer wieder in den Fokus, weil er mittlerweile einschlägig bekannt geworden ist. Doch noch mehr Bedeutung dürfte das United States Africa Command (AFRICOM) mit Sitz in Stuttgart haben. Dies ist eines von zehn Unified Combatant Commands (UCC) der US-Streitkräfte, welche die weltweiten militärischen Einsätze der USA koordinieren und lenken. Afrika, mit Ausnahme Ägyptens, wird also von Stuttgart aus betreut. Was in Ramstein im technischen Bereich geschieht, das wird in Stuttgart strategisch vorbereitet. Dort ist man auch nicht dünnhäutig in Sachen Luftkrieg. 

Als einzige militärische Instanz gibt das AFRICOM unumwunden zu, dass es in zwei Gebieten Somalias, genannt Shabeellaha Hoose und Shabeellaha Dhexe, einen Luftkrieg nicht nur mit Drohnen, sondern auch mit Kampfjets führt. Es fehlt auch nie an Erklärungen. Man kämpfe gegen Terroristen, heißt es stereotyp, Zivilisten kämen keine ums Leben. Angegliedert an die AFRICOM-Zentrale ist das United States Special Operations Command Africa (SOCAFRICA), das in den Kelley Barracks bei Stuttgart-Möhrungen stationiert ist. Dort war der heute pensionierte Brigadegeneral Donald Bolduc zwei Jahre lang Kommandeur. Auf die einschlägige Frage der US-Journalistin Amanda Sperber, die in Nairobi und Mogadischu lebt, räumte er die Möglichkeit ein, dass zivile Opfer nicht einmal registriert würden.

Von Stuttgart aus wurde im Jahre 2011 der Vernichtungskrieg des AFRICOM gegen Libyen geleitet. Heute ist das US-Militär in 56 Ländern Afrikas vertreten, offiziell, um dort politische Stabilität und Wirtschaftswachstum herbeizuführen. Entwicklungshilfe mit der Army. Tatsächlich aber entstand das AFRICOM als Reaktion auf den immer größer werdenden Einfluss Chinas auf dem Schwarzen Kontinent. Was Peking im Bereich der Wirtschaft vorgelegt hat, will Washington militärisch nachholen.

Doch auch hier stellt sich die Frage, mit der sich die Münsteraner Richter herumschlagen müssten: Wie stehen die deutsche Staatlichkeit und die militärischen Aktivitäten der USA, die von hier ausgehen, zueinander? Eine Frage, die in Münster nicht gestellt wurde und auf die es keine Antworten gibt.