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22.03.19 / Meuchelmörderisch durchbohrter Dichter / Vor 200 Jahren erstach ein Student den Erfolgsautor August von Kotzebue

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-19 vom 22. März 2019

Meuchelmörderisch durchbohrter Dichter
Vor 200 Jahren erstach ein Student den Erfolgsautor August von Kotzebue
Klaus J. Groth

Am 23. März 1819 wurde der Dichter August von Kotzebue ermordet. Die Tat bewirkte einen Rückschlag für die liberalen und nationalen Bestrebungen in deutschen Landen.

Im Herbst des Jahres 1818 beschäftigte sich der Jenaer Theologiestudent und Burschenschaftler Karl Ludwig Sand mit einem höchst unchristlichen Vorhaben: Er plante einen Mord. Die Tatwaffe, einen Dolch, bestellte er beim Schmied. Sein Opfer sollte der erzkonservative August von Kotzebue sein, ein bei den liberalen Studenten der deutschen Universitäten verhasster Mann. 

Kotzebue war ein Bestsellerautor und konnte es an Popularität mit Johann Wolfgang von Goethe aufnehmen. An Produktivität übertraf er den Dichterfürsten sogar. 200 Theaterstücke, unzählige Romane, Reisebeschreibungen und Aufsätze aus seiner Feder wurden in ganz Europa gelesen. Ludwig von Beethoven und Franz Schubert schrieben zu einigen seiner Stücke die Musik. 

Der oft triviale Inhalt seiner Werke brachte Kotzebue aber auch viel Spott ein. Kein Schriftsteller seiner Zeit polarisierte so sehr wie der Vielschreiber aus Weimar. Der Gelehrte Georg Christoph Lichtenberg lästerte über ihn: „Mancher Schriftsteller, sobald er ein bißchen Beifall erhält, glaubt, alles von ihm interessiere die Welt. Der Schauspielschmierer Kotzebue hält sich sogar berechtigt, dem Publico zu sagen, daß er seiner sterbenden Frau ein Klistier gesetzt habe.“

Goethe urteilte milde über den Kollegen. Er hatte allen Grund dazu, denn die Stücke von Kotzebue – 87 wurden in 600 Vorstellungen in Goethes Weimarer Theater gezeigt – brachen immer Zuschauerrekorde. Zum Bruch kam es zwischen den beiden, als Goethe in Kotzebues „Die deutschen Kleinstädter“, das einzige Stück, das heute noch gelegentlich gespielt wird, Streichungen vornehmen wollte. Kotzebue rächte sich, indem er in einer Schrift zu beweisen versuchte, „dass Goethe eigentlich kein Deutsch verstehe“. 

Der am 3. Mai 1761 in Weimar geborene August von Kotzebue stammte aus einer angesehenen Familie. Sein Vater war Legationsrat. Verwandte führten den kleinen August im Haus am Frauenplan ein. Er stand als 

15-Jähriger in Goethes Schauspiel „Geschwister“ als Briefträger auf der Bühne und entdeckte seine Leidenschaft für das Theater. Nach dem Abitur studierte er Rechtswissenschaften. Durch Beziehungen machte das Multitalent Karriere: Sekretär des Generalgouverneurs in St. Petersburg, Assessor des Obersten Gerichts in Reval, Direktor des Hoftheaters in Wien, Direktor des Deutschen Theaters in St. Petersburg, Mitglied der Akademie der Wissenschaften in Berlin, Generalkonsul des russischen Reichs. 

Als die Ideen der Französischen Revolution in deutschen Landen bei den Studenten und den Anhängern des Turnerbunds begeisterte Aufnahme fanden, setzte sich Kotzebue an die Spitze der reaktionären Gegenbewegung. In seiner in Weimar erscheinenden Postille „Literarisches Wochenblatt“ hetzte er gegen die „lüderlichen“ Studenten und ihre „Katheder- und Stubengelehrten“, verspottete den populären „Turnvater Jahn“ und behauptete, die Bünde seien die Brutstätte der Revolution. 

Im Herbst 1817 fand das erste Wartburgfest mit der Gründung der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft statt. Die Versammlung verabschiedete ein Programm, das 35 Grundsätze und zwölf Beschlüsse umfasste. Der Jenaer nationalliberale Historiker Heinrich Luden, den Sand glühend verehrte, hatte entscheidend daran mitgewirkt. In dem Programm wurde unter anderem verlangt, dass die politische Zerrissenheit Deutschlands der politischen, religiösen und wirtschaftlichen Einheit weichen solle, alle Vorrechte durch Geburt und die Leibeigenschaft abzuschaffen, die bisher unterdrückten Klassen zu fördern und die Gleichheit aller Deutschen vor Gericht und Anspruch auf ein gerechtes Verfahren zu garantieren seien. Die wichtigste Forderung war die Abschaffung der Kleinstaaterei und Gründung einer konstitutionellen Monarchie. Unter dem Jubel der Studenten gingen reaktionäre Schriften in Flammen auf, darunter auch die Kotzebues. Es war ein symbolischer Akt, was brannte, war Altpapier.

Karl Ludwig Sand wollte ein noch stärkeres Fanal setzen, „einen Brand schleudern in die jetzige Schlaffheit“, wie er zu seiner Rechtfertigung sagte. Er begann, den Dichter auszuspähen. Kotzebue war ein Kosmopolit, dessen Spur quer durch Europa führte, der mal auf seinem Gut in Reval weilte, mal in Weimar, obwohl er dort nicht gut gelitten war, und mal in St. Petersburg. Im März 1819 erfuhr Sand, dass sich der Gesuchte in seinem Haus in Mannheim aufhielt. Ausgerüstet mit dem Dolch begab er sich dorthin. Ein Zeitgenosse schilderte den Tathergang so:

„Das Factum selbst ist, leider unbezweifelt, vereint man die Erzählungen unserer Zeitungen und einiger schriftlichen Nachrichten, so kam ein junger Mensch, der sich … für einen Studenten aus Heidelberg ausgab, was er aber nicht war, am 23. März des jetzt laufenden Jahres nach Mannheim … wo sich eben jetzt Kotzebue befand … und ging zweimal zu ihm, kam aber nicht vor, traf ihn dann im Vorsaale an und durchbohrte ihn meuchelmörderisch vermittelst eines zwölf Zoll langen Dolchs.“ 

Ein Jahr nach dem Attentat fand der Prozess gegen den Mörder statt. Sands Anwalt versuchte, seinen Mandanten als schwärmerischen, wirrköpfigen jungen Mann darzustellen, der sich zum Märtyrer berufen fühlte. Sand wurde zum Tod durch Enthauptung verurteilt.

Die Ermordung Kotzebues bewirkte das Gegenteil dessen, was Sand erreichen wollte. Aus Angst vor einer Revolution trafen sich die Minister des Deutschen Bundes im August 1819 in Karlsbad. In den Karlsbader Beschlüssen vereinbarten sie die Überwachung und Bekämpfung liberaler und nationaler Tendenzen, ein Verbot der Burschenschaften, die Schließung der Turnplätze, die Überwachung der Universitäten sowie die Zensur der Presse. Dem ermordeten Dichter schickte Lichtenberg noch eine Schmähung hinterher. Von Kotzebue werde nichts übrigbleiben als die Erinnerung an seinen gewaltsamen Tod. Er sollte recht behalten.