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22.03.19 / Endstation Witwenbahn / Vor 110 Jahren eröffnet – Berlins Promi-Friedhof in Stahnsdorf

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 12-19 vom 22. März 2019

Endstation Witwenbahn
Vor 110 Jahren eröffnet – Berlins Promi-Friedhof in Stahnsdorf
S. Friedrich

Die Bevölkerungszahl der aufstrebenden Metropole Berlin explodierte geradezu in der Gründerzeit. Von 1850 bis 1920 verzehnfachte sich die Einwohnerzahl. Es mangelte nicht nur an Wohnmöglichkeiten für all die Zugereisten Neu-Berliner, sondern auch an verfügbaren Beisetzungsflächen. Die Innenstadtfriedhöfe waren hoffnungslos überfüllt. So kam es dazu, dass sich die Stadtpfarreien des Berliner Synodalverbandes zum Ankauf einiger Grundstücke vor den Toren Berlins entschlossen. 

Am 28. März 1909 wurde der Südwestkirchhof in Stahnsdorf bei Berlin eröffnet und eine Kapelle im Stil einer norwegischen Stabholzkirche errichtet. Wegen der großen Entfernung zur Mitte Berlins wurde sogar ein eigener S-Bahnanschluss gebaut. 1913 nahm die Friedhofsbahn ihren Betrieb auf. Diese als „Leichenbahn“ oder „Witwenbahn“ bezeichnete Linie transportierte auch Särge in den idyllischen Vorort. 

Die Idee eines landschaftlich gestalteten Zentralfriedhofes wurde hier erstmals umgesetzt. So zog er bald viele Berliner an, um hier auf einer Gesamtfläche von 206 Hektar auf waldigen Wegen entlang zu spazieren, ihre Angehörigen zu besuchen oder einfach den eigenen Gedanken nachzuhängen. 

Doch schon bald erlangte das ansprechende Terrain kunstgeschichtliche Bedeutung durch zahlreiche Bildhauer, die Grabmale entwarfen und bauten, wie Alfred Grenander, Max Taut, Hugo Lederer, Hermann Hosaeus und Emil Cauer. Die Liste der Prominentengräber wurde lang und länger. So fanden hier unter anderem der Komponist Engelbert Humperdinck, der Königsberger Lovis Corinth, Friedrich Wilhelm Murnau, Louis Ullstein, die Familie von Siemens und viele weitere Persönlichkeiten des Berliner Lebens eine letzte Ruhestatt. 

Als der Pinselheinrich genannte Künstler Heinrich Zille 1929 starb, gaben ihm Tausende Berliner auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf das letzte Geleit zu seiner Grabstätte, wo er neben seiner Frau Hulda beerdigt wurde. 

Heutzutage kümmert sich der Förderverein um die historischen Gräber und organisiert Führungen über den weltweit zehntgrößten Friedhof. Bis heute sind etwa 120000 Bestattungen verzeichnet. Von der Anlage her kann dieses Gartendenkmal problemlos mit den berühmten und sehenswerten Friedhöfen wie Père Lachaise in Paris oder dem Wiener Zentralfriedhof mithalten. 

Jedem Berlin-Besucher sei ein Ausflug dorthin anempfohlen, auch, wenn heute die Friedhofsbahn von Wannsee stillgelegt ist. Nach dem Zweiten Weltkrieg trennte die Grenze den Friedhof von West-Berlin. So wurde die Linie nach dem Mauerbau 1961 eingestellt, das Bahnhofshäuschen 1976 gesprengt.